Verwaltungsrecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen  Abschiebungsandrohung nach Griechenland

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50611

Datum:
9.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16137
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 34, § 35
VwGO § 80 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Bei einer Überstellung eines Asylsuchenden nach Griechenland besteht nicht allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGR-Charta, auch wenn international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen haben.  (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der jeweilige Schutzberechtigte hat sich grundsätzlich den schwierigen Bedingungen zu stellen und muss durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt sorgen. Bei einer jungen, gesunden und arbeitswilligen Person ist auch davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, sodass es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland fehlt. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine ihn betreffende Abschiebungsandrohung in einem Drittstaatenbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit dem Rückführungszielland Griechenland.
Der … 1992 in … / Syrien geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und islamisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er hat eigenen Angaben zufolge … 2019 in Spanien die Ehe mit einer spanischen Staatsangehörigen geschlossen. Dazu hat er im Laufe des Gerichtsverfahrens entsprechende Kopien eines Auszugs aus einem spanischen Familienbuch nebst Übersetzung ins Deutsche und der Identitätskarte der Ehefrau vorgelegt. Im behördlichen Verfahren hatte er gegenüber dem Bundesamt Fotographien von Dokumenten vorgelegt, die in arabischer Sprache verfasst sind und für die keine Übersetzung ins Deutsche veranlasst wurde. Gegenüber dem Bundesamt hatte der Antragsteller seinen Personenstand ursprünglich mit „ledig“ bezeichnet.
Der Antragsteller reiste eigenen Angaben zufolge am 25. Mai 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 5. Juli 2018 einen förmlichen, nicht beschränkten Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.
Die Ermittlungen des Bundesamtes ergaben für den Antragsteller einen Treffer der Kategorie 1 in der EURODAC-Datenbank für Griechenland mit Abgabe der Fingerabdrücke und Antragstellung am 10. Oktober 2016 in Moria sowie der Zuerkennung internationalen Schutzes durch Griechenland am 8. März 2017.
Das Bundesamt befragte den Antragsteller zur Zulässigkeit seines Asylantrages sowie zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 12. Juli 2018. Dabei gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sein Heimatland Ende 2014 in Richtung Türkei verlassen zu haben. In der Türkei habe er sich ca. ein Jahr aufgehalten und sei dann weiter nach Griechenland gereist. Dort habe er zwangsweise Fingerabdrücke abgeben und in einem Camp auf der Insel Lesbos für zunächst ca. ein Jahr unter schlimmen Bedingungen leben müssen. Er habe sich dann noch ein weiteres Jahr in … aufgehalten, bevor er in Richtung Schweiz aufgebrochen und von … aus schließlich auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sei. Zur Frage, ob der Antragsteller von seiner Schutzanerkennung in Griechenland wisse, antwortete dieser ausweichend, er habe Fingerabdrücke abgeben müssen, da ihm anderenfalls die Rückführung in die Türkei gedroht hätte. Zur Situation in Griechenland gab der Antragsteller an, in dem Flüchtlingscamp auf der Insel Lesbos habe es mehrmals gebrannt. Es habe keine Möglichkeit eines Sprachkurses gegeben und er habe nur 90 Euro für einen Monat bekommen. Das habe zum Leben nicht gereicht. Das Leben auf der Insel sei sehr teuer gewesen. Er sei jung und arbeitswillig. Er sei aber auch krank und brauche Behandlung. Ihm sei sowohl in der Türkei als auch in Griechenland gesagt worden, er sei behindert. Deshalb habe er keine Arbeit gefunden. Er sei bei einem Luftangriff in Syrien an seiner Hand und am rechten Bein und der Leiste verletzt worden. Er könne die Finger seiner verletzten Hand nicht bewegen und diese nicht öffnen. Sein Bein sei jetzt viel dicker. In Griechenland sei er ca. zwölf oder 13 Mal im Krankenhaus gewesen, habe dort aber nur Schmerzmittel erhalten. Dokumente über seine Krankenbehandlung in Griechenland seien bei einem der Brände im Camp vernichtet worden. Er habe täglich Schmerzen, besonders wenn es kalt ist. Der Arzt in Deutschland in der Aufnahmeeinrichtung habe ihn gleich an einem Spezialisten verweisen wollen.
Der Antragsteller hat bislang weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren ärztliche Atteste zu seinem Gesundheitszustand vorgelegt.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.). Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG für den Antragsteller nicht vorlägen (Ziffer 2.). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Frist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls werde er nach Griechenland oder einen anderen aufnahmebereiten und aufnahmeverpflichteten Staat abgeschoben (Ziffer 3.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG befristete das Bundesamt erstmals mit 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Hinsichtlich der Einzelheiten der Feststellungen und Gründe wird auf den Bescheid verwiesen.
Der Bescheid wurde mit Postzustellungsurkunde am 25. Juli 2018 einem Mitarbeiter der Unterkunft für Asylsuchende in … übergeben.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 1. August 2018, per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag eingegangen, erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid (Verfahren AN 17 K 18.50612), über die noch nicht entschieden wurde und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Zur Antrags- und Klagebegründung lässt der Antragsteller vortragen, eine Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland sei unter mehreren Gesichtspunkten diesem nicht zuzumuten. Die Verhältnisse der Versorgung und Unterbringung, insbesondere auch der medizinischen Versorgung in Griechenland seien mehr als dürftig. Der Antragsteller sei aufgrund seiner gesundheitlichen Situation auf kontinuierliche ärztliche Behandlung in adäquater Weise angewiesen. Asylbewerber seien in Griechenland vollkommen auf sich allein gestellt und müssten schauen, wie sie mit den dürftigen Mitteln zurechtkommen. Es gebe keine Möglichkeit, sich zu integrieren oder sich fortzubilden. Der Antragsteller habe zudem zahlreiche Verwandte in Deutschland, die ihn hier zumindest unterstützen würden.
Die Antragsgegnerin äußerte sich mit Schriftsatz vom 8. August 2018 und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Gangs des behördlichen und des gerichtlichen Verfahrens wird auf die Gerichtsakte und die in elektronischer Form vorgelegte Bundesamtsakte (Az. …) verwiesen.
II.
Über den Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Berichterstatter als Einzelrichter.
Der zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. des beklagten Bescheids (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Aussetzung der Abschiebung gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf in Fällen, in denen der Asylantrag – wie im vorliegenden Fall – nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt worden ist, die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Hier begegnet die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Griechenland in Ziffer 3. des angefochtenen Bescheides keinen solchen ernstlichen Zweifeln.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 35 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG. Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn (1.) der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, (2.) dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, (2a.) dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, (3.) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und (4.) der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Die genannten Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dem Antragsteller wurde ausweislich der Treffermeldung in der EURODAC-Datenbank am 8. März 2017 in Griechenland internationaler Schutz gewährt. Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Griechenland entgegen. Dasselbe gilt bei einer europarechts- und konventionskonformen Auslegung des Unzulässigkeitstatbestandes des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wie sie aufgrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Omar u.a. (EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u. C-541/17, NVwZ 2020, 137) geboten ist. Denn auch in diesem Fall hat das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller in dem Staat, in dem er vor Verfolgung sicher war, dort als anerkannten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 3 EMRK (s. Art. 52 Abs. 3 GRCh) zu erfahren.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der EMRK kein Abschiebungsverbot bzw. Ausschlussgrund für eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zugunsten des Antragstellers. Ihm droht im Falle einer Abschiebung nach Griechenland wahrscheinlich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Gleiches gilt nach Art. 4 EUGR-Charta, wonach ebenfalls niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass die Ausweisung eines Asylbewerbers durch einen Konventionsstaat eine Frage nach Art. 3 EMRK aufwerfen kann, wenn es nachweislich ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass der Asylbewerber im Aufnahmeland tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Wenn das so sei, dürfe der Konventionsstaat den Betroffenen nicht in das Aufnahmeland ausweisen. Um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, müsse die Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Dies sei von den Umständen des Einzelfalles, wie Dauer der Behandlung und ihrer psychischen und physischen Wirkungen sowie manchmal von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen abhängig. Das sei beispielsweise der Fall, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Von großem Gewicht sei hierbei, ob der Betroffene besonders benachteiligten und verwundbaren Personengruppen angehört und besonders schutzbedürftig ist (EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 (Tarakhel u. a. / Schweiz) -, NVwZ 2015, 127 ff, Rn. 92 – 99). Dagegen verpflichtet Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen oder eine finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725/10 (Mohammed Hussein u. a. / Niederlande u. Italien) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70).
Dem folgend hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Verantwortlichkeit eines Staates aus Art. 4 EU-Grundrechte-Charta begründet, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre psychische oder physische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17 (Ibrahim u. a. / Deutschland) -, juris Rn. 90, zum international Schutzberechtigten; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo / Deutschland) -, juris Rn. 92, zum subsidiär Schutzberechtigten). Diese Schwelle sei aber selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann und sie „folterähnlich“ wirkt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17 (Ibrahim u. a. / Deutschland) -, juris Rn. 91; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo / Deutschland) -, juris Rn. 93). Anders mag die Situation bei sogenannten „vulnerablen“ Personen sein, also wenn sich eine Person, nachdem ihr Schutz gewährt worden ist, aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17 -, juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 -, juris Rn. 95).
Nach diesen Vorgaben ist bei summarischer Prüfung des Sachverhaltes nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle seiner Überstellung nach Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGR-Charta droht. Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland (vgl. dazu allgemein die Feststellungen der Kammer unter Bezugnahme auf aktuelle Erkenntnismittel: VG Ansbach, U.v. 17.3.2020 – AN 17 K 18.50394 – BeckRS 2020, 10433 dort Rn. 41 ff.) stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGR-Charta dar. Zwar haben international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der Zugang zu Sozialleistungen, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt allerdings durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen geprägt und muss somit auch angemessen Berücksichtigung finden, ob ein anerkannt Schutzberechtigter, dem nur die Sorge für seine Person obliegt, sich selbst dieser staatlich bereitgestellten Versorgungs- und Unterbringungsmöglichkeiten aufgrund seines Weiterzugs oder sonstigen Handelns „freiwillig“ begeben hat (offengelassen durch die Kammer in ihrem Urteil vom 17.3.2020 bezüglich erwachsener, zur Selbstverantwortung fähiger Personen – BeckRS 2020, 10433 dort Rn. 60 und auch durch den BayVGH, B.v. 27.9.2019 – 13a AS 19.32891, BeckRS 2019, 27542 dort Rn. 34). Entscheidend sind letztlich alle Umstände des Einzelfalles und demnach auch die persönlichen Umstände des Antragstellers (BayVGH, B.v. 9.1.2020 – 20 ZB 18.32705, BeckRS 2020, 254).
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19, BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 37). Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 39).
So geht das Gericht zunächst aufgrund der summarischen Prüfung des Falles davon aus, dass es sich bei dem Antragsteller im hiesigen Verfahren nicht um eine Person handelt, die der Gruppe der „Vulnerablen“ zuzuordnen ist. Der Antragsteller ist jung und nach eigenem Bekunden arbeitswillig und -fähig. Er ist keinen Kindern unterhaltsverpflichtet. Ihm ist es trotz einer in seinem Heimatland zugefügten Verletzung, die zu Mobilitätseinschränkungen zumindest seiner Hand führte, gelungen, sich mehrere Jahre nach Verlassen seines Heimatlandes selbst zu versorgen. In diesem Zusammenhang hat er weder behauptet noch dargelegt, dass ihm während dieses Zeitraums auch unter Berücksichtigung seiner Verletzungsfolgen es nur mit Mühe und Not gelungen wäre, zu überleben. Der Antragsteller ist überdies hinreichend mobil und konnte wohl ohne fremde Unterstützung reisen, zuletzt sogar von Deutschland aus nach Spanien. Seine Verletzungsfolgen hat er zwar beschrieben, jedoch nicht durch entsprechende ärztliche Atteste – wenigstens eines Arztes in Deutschland – belegt. Die von ihm beschriebenen Folgen mögen zwar zu Einschränkungen führen, jedoch erreichen sie nach Überzeugung des Gerichts nicht die Grenze für eine besondere Verletzlichkeit der Person des Antragstellers.
Das Gericht legt weiter zugrunde:
Im Einzelnen können anerkannte Flüchtlinge in Griechenland derzeit eine finanzielle staatliche Grundsicherung erhalten (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28.1.2020 – Gz.: 508-516.80/53584 -). Aber selbst wenn man dies für Rückkehrer in Frage stellen würde (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 20), so können anerkannte Flüchtlinge in jedem Fall Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs von Nichtregierungsorganisationen erhalten (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 19). Darüber hinaus können anerkannte Flüchtlinge in kommunalen Obdachlosenunterkünften eine Unterbringung finden (Auswärtiges Amt vom 28.1.2020 – Gz.: 508-516.80/53584 -). Auch wenn man diese in Zweifel ziehen würde (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 27 f.), so gibt es jedenfalls informelle Möglichkeiten der Unterkunftsfindung durch eigene Strukturen und der Inanspruchnahme landsmännischer Vernetzung. Anhaltspunkte für eine massenhaft oder vermehrt auftretende Obdachlosigkeit bei anerkannt Schutzberechtigten gibt es jedenfalls nicht (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 33 – 35).
Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich Nichtregierungsorganisationen bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 23 – 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 48 – 54). Die Projekte der Nichtregierungsorganisationen können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans kompensieren und sicherstellen, dass zumindest die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten (Wohnraum, Nahrungsmittel und Zugang zu sanitären Einrichtungen) für die erste Zeit befriedigt werden können.
Der Antragstellerin hat in seiner Anhörung auch angegeben, in Athen für ca. ein Jahr nach Verlassen des Flüchtlingscamps in Moria gelebt zu haben und auch bereits als Asylsuchender dort Sozialleistungen – wenngleich in geringer Höhe – erhalten zu haben. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben insgesamt gut zwei Jahre in Griechenland verbracht und ist daher mit den dortigen Verhältnissen hinreichend vertraut. Ihm dürfte es – jedenfalls bei Inanspruchnahme der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen und auch seiner in Deutschland lebenden Familienangehörigen, deren Unterstützungsmöglichkeit er selbst benannte – möglich sein, bei seiner Rückkehr nach Griechenland wie bei seinem vorangegangenen Aufenthalt zumindest die elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Der Antragsteller kann nicht erwarten, dass er im Wesentlichen gleiche Lebensbedingungen vorfindet wie die griechische Bevölkerung oder dass die Lebensbedingungen denen in Deutschland gleichen.
In Griechenland ist zudem die grundlegende Gesundheitsversorgung gesichert. Das gilt insbesondere für die Notfallversorgung in Krankenhäusern (VG Cottbus, U.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 38). Das wird durch die in der Anhörung gemachten Angaben des Antragstellers selbst bestätigt, wonach er aufgrund seiner Schmerzen zwölf oder 13 Mal im Krankenhaus vorstellig geworden ist. Ob die Behandlung aus Sicht des Antragstellers zureichend war, ist an dieser Stelle unerheblich, denn er hat nicht behauptet, keinerlei Behandlung erfahren zu haben und darüber hinaus die Art und Folgen seiner Verletzungen sowie die Notwendigkeit einer Behandlung nicht belegt.
Das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückführung nach Griechenland einer solchen Gefahr ausgesetzt sein könnte, liegen nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis liegen ebenfalls nicht vor. Dieser Frage wäre im Übrigen auch erst anlässlich einer konkret in Aussicht genommenen Abschiebungsmaßnahme durch die zuständige Ausländerbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren nachzugehen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Antragsteller wohl mittlerweile mit einer spanischen Staatsangehörigen verheiratet ist, wobei nicht ersichtlich ist, dass die Ehefrau des Antragstellers ebenfalls ihren Aufenthalt in Deutschland nehmen wird (Art. 6 Abs. 1 GG, § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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