Verwaltungsrecht

Keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Rahmen eines Dublinverfahrens

Aktenzeichen  M 8 S 16.50939

Datum:
10.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34a Abs. 1 S. 1
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Rückführung eines Asylbewerbers nach Italien stehen derzeit keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen. Die Mängel des italienischen Aufnahme- und Versorgungssystems sind nicht derart flächendeckend und gravierend, dass von einem grundlegenden, systemischen Versagens Italiens ausgegangen werden müsste, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh führt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … … wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (M 8 S 16.50939) und für das Hauptsacheverfahren (M 8 K 16.50940) abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen „Nr. 2“ des Bescheids der Antragsgegnerin vom „16. September 2016“.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger und wurde am … Januar 1990 in … geboren. Er reiste am 17. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 29. Juni 2016 einen Asylantrag.
Eine Eurodac-Recherche ergab am 29. Juni 2016 u.a. einen Treffer der ersten Kategorie für Italien mit der Eurodac-Nr. IT1* …
Am 29. August 2016 wurde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gestellt. Mit Schreiben vom 12. September 2016 erklärten die italienischen Behörden sich ausdrücklich mit der Überstellung des Antragstellers nach Italien einverstanden.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Oktober 2016 wurde in Ziffer 1 der Antrag auf Asyl als unzulässig abgelehnt, in Ziffer 2 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, in Ziffer 3 die Abschiebung nach Italien angeordnet und in Ziffer 4 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, dass nach den Erkenntnissen des Bundesamts (Abgleich der Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank) Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union vorgelegen hätten. Am 29. August 2016 sei ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien gerichtet worden. Die italienischen Behörden hätten mit Schreiben vom 12. September 2016 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 21. Oktober 2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage erhoben und in einem weiteren Schriftsatz, ebenfalls per Fax am selben Tag eingegangen – beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des Bescheides vom 16.9.2016, Az.: …, anzuordnen.
Weiter beantragte er,
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Antragsteller unter seiner Beiordnung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, derzeit führten die in Italien herrschenden systemischen Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren dazu, dass dem Antragsteller dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr menschen- und grundrechtswidriger Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charte drohe. Nach italienischem Recht werde zwar finanzielle Hilfe zum Lebensunterhalt für den Fall gewährt, dass in den Unterkunftseinrichtungen keine Unterbringungsmöglichkeit bestehe, dies finde in der Praxis jedoch nicht statt. Des Weiteren sei der Aufenthaltszeitraum in den CARA- und SPRAR-Unterkünften zeitlich begrenzt, und zwar auf sechs Monate bzw. maximal ein Jahr. Mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entfalle der Anspruch auf Unterbringung, von da an müssten die Betroffenen für sich selbst sorgen. Unabhängig davon begründe Art. 3 EMRK die Verantwortlichkeit eines Staates wegen der Behandlung von Personen, die sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befänden. Die Bundesrepublik Deutschland sei nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben. Es könne gegenwärtig auch nicht von einer Rücknahmebereitschaft Italiens ausgegangen werden. Abgelehnte Asylbewerber sowie solche, denen subsidiärer Schutz zugesprochen worden sei, seien oftmals in Italien noch schlechter gestellt als Asylbewerber innerhalb des Asylverfahrens. Jedenfalls sei § 26a Abs. 3 AsylVfG verfassungskonform entsprechend der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszulegen, zuständig für die Prüfung des Asylantrags sei daher Deutschland. Auch die Rechtsprechung werte die Situation in Italien zunehmend kritisch. So bestünden nach Auffassung des VG Darmstadt (Entscheidung vom 17. Dezember 2014) in Italien systemische Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren. Die Situation in Italien habe sich seit dem Zeitpunkt der Entscheidung weiter verschärft. Dazu werde auf die Entscheidungen des VG München vom 3. März 2015 (M 24 S. 15.50087) und vom 20. Juni 2016 (M 24 K 16.50143) verwiesen.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 29. November 2016 die Asylakte vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
1. Der vorliegende Antrag gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezieht sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut auf einen anderen Bescheid als im Hauptsacheverfahren (M 8 K 16.50940). Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des Bescheides vom 16.9.2016, Az.: …, anzuordnen. Die Klage im Hauptsacheverfahren richtet sich jedoch gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Oktober 2016, Az.: … Darüber hinaus wird im Bescheids vom 19. Oktober 2016 nicht in Ziffer 2 sondern in Ziffer 3 die Abschiebung nach Italien angeordnet. Es ist bereits fraglich, ob der Antrag des Antragstellers, der durch einen Anwalt vertreten wird, überhaupt gem. § 88 VwGO insoweit ausgelegt werden kann, dass ein zulässiger Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 19. Oktober 2016 wiederhergestellt werden soll, zumal auch dem Antrag auch keine Kopie des streitgegenständlichen Bescheids angefügt war.
Der Antrag bleibt aber jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
2. Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier – von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen.
3. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 2 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, wenn der Ausländer einen Asylantrag in einem anderen, aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt hat.
Italien ist als Mitgliedsstaat, in dem der Antragsteller ausweislich des EURODAC-Treffers „IT1“ einen Asylantrag gestellt hat, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (vgl. VG Cottbus, B. v. 11.10.2016 – 5 L 387/16.A – juris Rn. 11). Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO ist derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Nach dem EURODAC-Treffer hat er in Italien einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Italien wird auch durch den für den Antragsteller erzielten EURODAC-Treffer mit der Kennzeichnung „IT1“ belegt. Die Ziff. „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 VO (EU) Nr. 603/2013 v. 26.6.2013).
4. Das Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde am 29. August 2016 gestellt. Die italienischen Behörden haben dem Wiederaufnahmeersuchen ausdrücklich zugestimmt, in dem sie mit Schreiben vom 12. September 2016 sich zur Aufnahme des Antragstellers bereit erklärt haben, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO).
5. Die Abschiebung nach Italien kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Italien als den zuständigen Mitgliedsstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO scheitern würde. Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedsstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG NRW, B. v. 12.10.2016 – 13 A 1624/16.A – juris Rn. 4 m. w. N.; OVG NRW, U. v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 41 m. w. N.; BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13.OVG – juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 – 3 L 645/12 – juris; OVG Berlin-Bbg., B. v. 17.6.2013 – OVG 7 S. 33.13 – juris; OVG NRW, U. v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris Rn. 54 ff.; U. v. 6.7.2016 – 13 A 1476/15.A – juris Rn. 43 ff.; U. v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris; U. v. 24.4.2015 – 14 A 2356/12.A – juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 – 4 LA 167/13 – juris; U. v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris). Danach verfügt Italien unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, welches trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen durchaus erhebliche Mängel und Defizite feststellen lassen, werden diese – weder für sich genommen noch insgesamt – als so gravierend bewertet, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedsstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EU-Grundrechtecharte bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NRW, U. v. 7.3.2014 – a.a.O., Rn. 132; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.2.2014 – a.a.O., Rn. 45 f.).
Das Gericht schließt sich damit auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweiligen entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (BVerfG, U. v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 – juris) – an (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Hussein u.a../. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10 – ZAR 2013, 336; B. v. 18.6.2013 – Halimi./.Österreich und Italien, Nr. 53852/11 – ZAR 2013, 338). Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten, zwar einige Mängel aufweisen mögen, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen würden. Berichte des UNHCR und des Menschenrechtskommissars wiesen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigten übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten seien. Diese Rechtsauffassung hat der EGMR durch seine Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10 – HUDOC) ausdrücklich bestätigt. Zudem hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E. ./. Niederlande (51428/10) entschieden, dass die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund sind, eine Überstellung im Zuge des sog. Dublin-Verfahrens zu verbieten.
Auch aus neueren Erkenntnismitteln können keine Hinweise auf systemische Mängel in Italien entnommen werden. In dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA – Asylum Information Database erstellten Länderbericht zu Italien vom Dezember 2015 (abrufbar unter http: …www.asylumineurope.org/reports/country/italy) wird ausgeführt, dass der italienische Staat erfolgsversprechende Gegenmaßnahmen gegen die in der Vergangenheit inadäquate Aufnahmeeinrichtungen und deren unzureichende Kapazität ergriffen hat.. Zum einen werden die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen dem vorgenannten Bericht zufolge seit 2013 deutlich erhöht. Speziell für Dublin-Rückkehrer wurden zum anderen Zentren zur übergangsweisen Unterbringung eingerichtet (vgl. S. 63 f. des Berichts). Ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen lässt sich dem AIDA-Bericht nicht entnehmen. Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann daher auch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht angenommen werden. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 2016 (13 A 1859/14.A – juris Rn. 71 ff.) rechtfertigen die vorliegenden Erkenntnisse nicht den Schluss, dass Asylbewerber in Italien die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise werden befriedigen können.
Im Hinblick auf die von Seiten des Antragstellers vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Unterbringung in Italien ist zunächst festzuhalten, dass sich diese nahezu ausschließlich auf Berichte stützen, die sich auf die Gegebenheiten im Jahre 2013 und Anfang 2014 beziehen. Das gilt auch für die herangezogene Entscheidung des VG Darmstadt vom 27. Dezember 2014. Aus neueren Quellen ist ersichtlich, dass sich die Umstände seitdem erheblich verbessert haben. Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden, hat Italien in innerstaatliches Recht übernommen (vgl. decreto legislative 18 agosto 2015, 143; OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn 58 – 59 m. w. N.). Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis in erheblichem Umfang nicht beachtet werden. Darüber hinaus hat Italien seine Unterbringungseinrichtungen bis Ende 2015 massiv ausgebaut und führt diese Aufstockung weiter fort (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn. 80, 88). Insgesamt kann angesichts der vorliegenden Erkenntnisse nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist, im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist. Es ist daher davon auszugehen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage der Unterkunftsmöglichkeiten einer Überstellung nach Italien nicht entgegensteht.
Die gegenwärtig hohe Zahl von Einwanderern nach Italien stellt auch keinen Umstand dar, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn auf die erhöhte Zahl von Einwanderern hin keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung der damit verbundenen Probleme ergriffen würden. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 24.4.2015 a.a.O. und B. v. 12.10.2016 – 3 A 1624/16.A a.a.O.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien u.U. deutlich schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (vgl. EGMR, B. v. 02.04.2013 – a.a.O.).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U. v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m. w. N.).
Auch die vorgetragenen Bedenken im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft können nicht überzeugen. Der Antragsteller trägt dazu nichts in substantiierter Weise vor. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass Italien der Übernahmeverpflichtung im vorliegenden Fall nicht genügen will, zumal eine ausdrückliche Übernahmebereitschaft mit Schreiben vom 12. September 2016 vorliegt. Auch der Bescheid vom 6. August 2015 steht der ausdrücklichen Übernahmebereitschaft vom 12. September 2016 nicht entgegen, da die italienischen Behörden den vorliegenden Fall vor ihrer positiven Zusage geprüft haben und trotz des Bescheids vom 6. August 2015 ihre Bereitschaft erklärt haben, den Antragsteller auszunehmen. Darüber hinaus ist der italienische Mitgliedstaat außerdem durch seine ausdrückliche Erklärung den Antragsteller wieder aufzunehmen auch nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO zur Wiederaufnahme verpflichtet, insbesondere auch zur Wiederaufnahme von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, deren Antrag abgelehnt wurde, Art. 18 Abs. 1 d) Dublin-III-VO.
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind ebenso wenig ersichtlich wie inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse.
6. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
7. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des unterzeichnenden Bevollmächtigten werden sowohl für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 8 S. 16.50941) als auch für das Klageverfahren (M 8 K 16.50942) abgelehnt.
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach einen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da weder der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO noch die Klage hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO haben. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insofern Bezug genommen.
Da den Antragstellern keine Prozesskostenhilfe gewährt wird, war auch der Antrag auf Beiordnung der zur Vertretung bereiten Bevollmächtigten abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO).
Die Entscheidungen über die Prozesskostenhilfe ergehen kostenfrei.
8. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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