Verwaltungsrecht

Keine Benachteiligung bei Ablehnung eines Bewerbers wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze

Aktenzeichen  3 C 16.1443

Datum:
24.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166
ZPO ZPO § 114
AGG AGG § 1, § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 22
BayBG BayBG Art. 23
BayLlbG BayLlbG Art. 28 Abs. 2 S. 3
BayBG BayBG Art. 31 Abs. 2
GG GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Eignung für die Ableistung des Vorbereitungsdienstes fehlt, wenn der Bewerber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem bei regelmäßigem Verlauf des Vorbereitungsdienstes die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe erfüllt werden, die Höchstaltersgrenze überschreitet.  (redaktioneller Leitsatz)
Für die Vermutung einer Benachteiligung im Sinne des § 22 AGG reicht es nicht aus, wenn der Bewerber lediglich vorträgt, auf ihn treffe ein in § 1 AGG genanntes Merkmal zu und er habe wegen dieses Merkmals eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren.  (redaktioneller Leitsatz)
Die Ablehnung des Bewerbers wegen seines Alters wird von der gesetzlichen Regelung das Art. 23 BayBG gedeckt.  (redaktioneller Leitsatz)
Ergibt sich, dass die Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft war, kann dem Kläger als Scheinbewerber kein Entschädigungsanspruch für den Nichtvermögensschaden zustehen.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 K 16.82 2016-06-27 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 ZPO).
a. Der Klage sind die Erfolgsaussichten bereits deshalb abzusprechen, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG nicht erfüllt sind. Nach dieser auch bei der Zulassung zum Auswahlverfahren anwendbaren Vorschrift kann der Bewerber wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Erforderlich ist jedoch ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG, an dem es hier fehlt.
(1) Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung nicht zum Auswahlverfahren zugelassen worden ist.
Die Beklagte hat den Kläger zum Auswahlverfahren für die Ausbildung zum/zur Verwaltungswirt/in in der Kommunalverwaltung deshalb nicht zugelassen, weil sie berücksichtigt hat, dass der Kläger bis zum (möglichen) Zeitpunkt der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe die Altersgrenze des Art. 23 BayBG überschreiten wird. Auch die Kommentarliteratur geht davon aus, dass für die Ableistung des Vorbereitungsdienstes die Eignung fehlt, wenn der Bewerber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem bei regelmäßigem Verlauf des Vorbereitungsdienstes die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe erfüllt werden, die Höchstaltersgrenze überschreitet (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Feb. 2016, Art. 23 BayBG Rn. 17 und Beck’scher Online-Kommentar Beamtenrecht Bayern, Stand: Juni 2016, Art. 23 BayBG Rn. 12). Dieser Ansatz ist vor dem Hintergrund einer regelmäßig bedarfsorientierten, d. h. im weiteren Verlauf auf die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gerichteten Ausbildung schlüssig.
Der Kläger legte im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (Staatsministerium) vom 9. Juli 2016, eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 19. April 2016 und eine Stellungnahme des Oberlandesgerichts München vom 4. Juli 2016 vor. Die Stellungnahmen des Staatsministeriums und des Oberlandesgerichts München bestätigen beide übereinstimmend, dass die Altersgrenze des Art. 23 BayBG nur bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst, nicht aber bei einer anschließenden Ernennung zum Beamten beachtlich ist. Beide betonen jedoch, dass dies nur für den Fall gilt, dass das Beamtenverhältnis nahtlos bzw. ununterbrochen weiter besteht. In diesem Sinne ist auch die E-Mail des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 19. April 2016 zu verstehen. Die dort beschriebene Sachverhaltskonstellation ist dann gegeben, wenn dem betreffenden Beamten vor der Aushändigung des Prüfungszeugnisses (als Abschluss des Prüfungsverfahrens) die Ernennungsurkunde für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ausgehändigt wird. Dieser Fall der „Umwandlung“ des Beamtenverhältnisses (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Feb. 2016, Art. 29 LlbG Rn. 22 und Art. 28 Rn. 17) mit dem in den Stellungnahmen genannten „nahtlosen Übergang“ wird wohl vom Freistaat Bayern praktiziert und entspricht der „Sollvorschrift“ des Art. 28 Abs. 2 Satz 3 LlbG. Diese Vorschrift begründet jedoch keine Ermessensbindung dergestalt, dass der Dienstherr die Absolventen in Fällen der Bedarfsausbildung regelmäßig übernehmen muss. Nur für denjenigen, dessen Übernahme „beabsichtigt“ ist, soll dies spätestens zu dem in Satz 3 bestimmten Zeitpunkt erfolgen (vgl. Hüllmantel/Eck/Hoffmeyer, Leistungslaufbahngesetz, 2011, Art. 28 Rn. 19).
Die Beklagte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass sie sich im Rahmen ihrer Personalhoheit entschieden hat, die Weiterbeschäftigung der von ihr ausgebildeten Verwaltungswirtinnen und -wirte im Rahmen einer Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe zum Ersten des Folgemonats der Zusendung des Prüfungsergebnisses zu realisieren. Entsprechende Beschlüsse des dafür zuständigen Personalsenats würden seit Jahrzehnten in stets sinngleichem Wortlaut gefasst. Ob diese Praxis mit der „Sollvorschrift“ des Art. 28 Abs. 2 Satz 3 LlbG vereinbar ist, kann offen bleiben. Die genannte Vorschrift hat wegen des systematischen Zusammenhangs mit Art. 28 Abs. 2 Satz 2 LlbG jedenfalls keine Vorwirkung auf die Zeit der Einstellung in den Vorbereitungsdienst.
Nach der Beweislastregelung des § 22 AGG genügt es zwar, wenn der Kläger Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines nach § 1 AGG geschützten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung aus einem dieser Gründe erfolgte. Durch die Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ wird zum Ausdruck gebracht, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem in § 1 AGG genannten Grund und einer ungünstigeren Behandlung genügt, aber auch geboten ist, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist. Es reicht hingegen nicht aus, wenn der Bewerber lediglich vorträgt, auf ihn treffe ein in § 1 AGG genanntes Merkmal zu und er habe wegen dieses Merkmals eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren (vgl. BAG, U. v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08 – juris Rn. 37 m. w. N.). Dementsprechend stellt allein die Geltendmachung einer Benachteiligung noch kein taugliches Indiz für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung dar (vgl. OVG NW, B. v. 25.7.2016 – 6 A 1845/15 – juris Rn. 12 im Falle einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung).
(2) Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers wegen seines Alters nicht von der gesetzlichen Regelung des Art. 23 BayBG gedeckt wäre. Insoweit wird auf den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen. Eine teilweise abweichende Behördenpraxis ändert daran nichts. Zudem ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls – anfänglich ausschließlich geltend gemachter Ersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG und Nichtteilnahme am Auswahlverfahren, obwohl diese Möglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von der Beklagten eingeräumt worden ist -, dass die Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft war. Als Scheinbewerber (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG) kann dem Kläger kein Entschädigungsanspruch für den Nichtvermögensschaden zustehen (vgl. EuGH, U. v. 28.7.2016 – C 423/15 – juris).
Der Hinweis des Klägers darauf, dass Art. 31 Abs. 2 BayBesG in seinem Fall keine Anwendung finden soll, hat für die hier entscheidende Frage der Eignung für den Vorbereitungsdienst keine Relevanz. Die Vorschrift enthält eine Ermessensvorschrift für die Berücksichtigung von förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeiten bei der Stufenfestlegung. Zur Anwendung kommt die Bestimmung erst, wenn ein Beamtenverhältnis begründet wird, was wiederum von der Einhaltung der Höchstaltersgrenze abhängig ist.
Hinsichtlich der Altersgrenze von 45 Jahren gelten für schwerbehinderte Menschen keine Ausnahmen (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Feb. 2016, Art. 23 BayBG Rn. 33).
b. Warum der Kläger meint, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei unter Berücksichtigung der Einigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. B 5 E 16.239) fragwürdig, erschließt sich dem Senat nicht. Das Verfahren war übereinstimmend für erledigt erklärt worden, nachdem die Beklagte bereit war, den Kläger bis zur Entscheidung in der Hauptsache ohne Anerkennung einer Rechtspflicht als regulären Bewerber für die ausgeschriebenen Ausbildungsplätze zu führen, zum Auswahlverfahren des Bayerischen Landespersonalausschusses zu melden und bei entsprechender Eignung zum strukturierten Interview einzuladen. Die dortige vorläufige Zusage hat für die hier interessierende Prognose der Erfolgsaussichten der Hauptsache aber keinerlei Relevanz bzw. Präjudiz.
c. Hinsichtlich der Höchstaltersgrenze kann sich der Kläger schließlich auch nicht auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. August 2012 (AN 1 E 12.01106 – juris) berufen. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat ausdrücklich betont, dass die dortige Antragstellerin ihr im Hauptsacheverfahren verfolgtes Begehren, in ein Beamtenverhältnis (auf Widerruf) berufen zu werden, aufgrund der zwischenzeitlich dann erreichten Höchstaltersgrenze des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht mehr verwirklichen könne.
d. Das Verwaltungsgericht ist schließlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausbildung zum/zur Verwaltungswirt/in in der Kommunalverwaltung keine allgemeine Ausbildungsstelle im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist. Allgemeine Ausbildungsstätte ist der Vorbereitungsdienst dann, wenn er und die ihn abschließende Prüfung auch für Berufe außerhalb des öffentlichen Dienstes vorgeschrieben ist oder – bei fehlender gesetzlicher Regelung – jedenfalls nach deren Berufsbild zur abgeschlossenen Berufsausbildung gehört (vgl. BVerfG, B. v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 – juris Rn. 110). Dies ist beispielsweise bei Justizreferendaren wegen der Zulassungsbedingungen für Rechtsanwälte der Fall, ebenso bei Lehramtsanwärtern im Hinblick auf die alternative Tätigkeit als Privatschullehrer. Hier liegt es indessen anders. Der Vorbereitungsdienst ist darauf ausgerichtet, nach bestehender Laufbahnprüfung die Anwärter in eine sich anschließende Probezeit und schließlich als Beamte auf Lebenszeit zu übernehmen. Ausbildungsstätten öffentlicher Träger, die nur der Vorbereitung auf Ämter im öffentlichen Dienst vorbehalten sind (Bedarfsausbildung) stellen keine allgemeinen Ausbildungsstätten nach Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. Hüllmantel/Eck, Leistungslaufbahngesetz, 2011, Art. 25 Rn. 5).
2. Die Beschwerde ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 2 VwGO.

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