Verwaltungsrecht

Keine Berufungszulassung wegen Grundsatzbedeutung – bewaffneter Konflikt in Somalia

Aktenzeichen  20 ZB 16.30137

Datum:
28.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5 S. 2, § 83b
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ob einem Asylsuchenden in Somalia Verfolgung droht, hängt von seinem individuellen Vorbringen ab und kann deshalb nicht verallgemeinerungsfähig geklärt werden. Die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet deshalb auf. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ebenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig ist die Frage, ob in Somalia ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Die (unionsrechtliche) Rechtsfrage, wann ein solcher Konflikt vorliegt, ist in der Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt (BeckRS 2014, 80262). Hinsichtlich der tatsächlichen Lage in Somalia kommt es entscheidend auf die Heimatregion des Asylsuchenden an. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 7 K 16.30544 2016-05-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Mai 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylG nicht vorliegen.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG liegt dann vor, wenn die Rechtsstreitigkeit eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen, was dann zutrifft, wenn die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 124 Rn. 10 m. w. N.; BayVGH, B.v. 14.2.2014, NJW 2014, 10687). Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage,
ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia Verfolgung droht
ist nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantworten und damit nicht klärungsfähig. Vielmehr ist für diese Frage das jeweilige individuelle Vorbringen eines Asylbewerbers aus Somalia zu berücksichtigen.
Aber auch die weitere Frage,
ob dort (gemeint: in Somalia) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht,
hat keine grundsätzliche Bedeutung. Denn klärungsbedürftig im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung sind nur Fragen, die nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind oder nicht bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts oder im Fall des Landesrechts oder bei tatsächlichen Fragen nicht bereits durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts geklärt sind (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 38). Die (unionsrechtliche) Frage, wann von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gesprochen werden kann, ist durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 – NVwZ 2014, 573) geklärt. Was die tatsächliche Lage in Somalia angeht, so gehen sämtliche Auskünfte, auch der von der Antragsbegründung in Bezug genommene Bericht des Generalsekretärs der UN vom 9. Mai 2016 von einer unterschiedlichen Intensität des Konfliktes in Somalia, insbesondere was Süd- und Zentralsomalia auf der einen und die relativ friedlichen Regionen Puntland und Somaliland auf der anderen Seite angeht, aus. Dementsprechend ist für die Frage, ob ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt vorliegt, maßgeblich auf die Heimatregion des jeweiligen Klägers als regelmäßige Rückkehrregion abzustellen (vgl. auch BayVGH, 20. Senat, U.v. 7.4.2016, 20 B 14.30101, juris, Rn. 19 bis 21). Dementsprechend ist die Frage auch nicht klärungsbedürftig.
Daneben wäre die Frage aber auch nicht klärungsfähig im Berufungsverfahren, da sie nach der insoweit maßgeblichen Perspektive des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich war (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 37): Denn das Verwaltungsgericht ist aufgrund der von ihm festgestellten fehlenden Glaubwürdigkeit der Angaben des Klägers davon ausgegangen, dass in seiner Person keine gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Mangels eines ihm bei einer Rückkehr in sein Heimatland drohenden ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG war die Frage, ob ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt vorliegt, im Ergebnis nicht entscheidungserheblich.
Der klägerseits zum Beleg für die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen angeführte Beschluss des Senats vom 3. Mai 2016 (Az. 20 ZB 15.30138) vermag eine grundsätzliche Bedeutung bereits aus dem Grunde nicht zu begründen, als damit ein Antrag auf Zulassung der Berufung der Beklagten gegen ein stattgebendes Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg aus dem Grunde abgelehnt wurde, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg weder unter einem Verfahrensmangel litt, noch die seitens der Beklagten geltend gemachte Divergenz vorlag. Eine irgendwie relevante Aussage für die hier als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachten Fragen lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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