Aktenzeichen B 3 K 17.30947
Leitsatz
Es bestehen keine Anhaltpunkte für die Annahme, muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, würden in Kurdistan anders behandelt als gebürtige Christen. Ein strafbewehrtes Verbot der Konversion besteht nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung am 03.05.2017 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG sind ebenfalls nicht gegeben. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch das schriftsätzliche Vorbringen der Bevollmächtigten des Klägers im Klageverfahren führt nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
a) Für das Gericht ist bereits nicht glaubhaft vorgetragen, dass die Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht und die Betätigung des christlichen Glaubens Teil der religiösen Identität des Klägers ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 – Au 5 K 16.31898 – juris). Sowohl bei der Asylantragstellung am 05.02.2016 als auch bei der Anhörung am 03.05.2016 hat der Kläger zunächst angegeben, er sei sunnitischer Kurde. Erst im weiteren Verlauf der Anhörung erklärte der Kläger, „erst jetzt in Deutschland sage er, dass er Christ sei. Im Irak habe er sich das nicht getraut.“ Auch die Aussage beim Bundesamt, am Christentum gefalle ihm besonders, dass es erlaubt sei Alkohol zu trinken und Tätowierungen zu haben sowie dass das Fasten bei den Christen einfacher sei, lässt den Rückschluss zu, dass die behauptete Zugehörigkeit zum Christentum nicht aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung beruht. Der Kläger nennt bei seiner Befragung keinerlei tiefgründige Werte, die seine Verbindung zum Christentum ausmachen. Vielmehr sieht er sich offensichtlich als Christ, da sich nach seiner Auffassung der Alltag eines Christen einfacher gestaltet, als der eines Moslems. Der Kläger kann daher das Gericht mit seinem Vortrag beim Bundesamt nicht überzeugen, dass er tatsächlich Christ ist. Eine weitergehende Befragung des Klägers war nicht möglich, da er zur anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.
b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger tatsächlich Christ ist bzw. von der kurdischen Polizei als Christ angesehen wird, hat er sein Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt. Bei einer Rückkehr nach Kurdistan droht dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts wegen seines – unterstellten – neu gefundenen christlichen Glaubens nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln geht das Gericht von folgender Lage im Irak, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion – KAR – aus: Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamistischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam; auch spezielle Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. In der KAR wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der KAR stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (zum Vorstehenden: Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 18.2.2016, S. 9 sowie Auswärtiges Amt -AA-, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 07.02.2017, S. 12). Nach dem Vorstoß des „Islamistischen Staats“ – IS – im Sommer 2014 in den Nord- und Zentralirak, der auch das christliche Kernland im Irak traf, sind zehntausende Christen in die KAR geflohen. Es gibt in der KAR keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung von Christen (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 15.12.2016 – M 4 K 16.31327 – juris; VG München, U.v. 13.1.2017 – M 4 K 16.31091 – juris, VG Aachen, U.v. 12.10.2016 – 4 K 993/14.A – juris m.w.N.).
Dass muslimische Kurden, die zum Christentum konvertieren, in Kurdistan anders behandelt werden, als gebürtige Christen, oder dass sogar ein diesbezügliches Verbot mit strafrechtlichen Konsequenzen besteht, ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.1.2017 – Au 5 K 16.31898 – juris; VG Aachen, U.v. 12.10.2016 – 4 K 993/14.A – juris; siehe auch: https: …www.youtube.com/watch?v=zvg20OPlKw0
– Beitrag „Immer mehr Kurden werden Christen“; http: …www.kath.net/news/52725 – Beitrag vom 04.11.2015 „Nordirak: Immer mehr kurdische Muslime werden Christen“).
Eine Verfolgung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure im Nordirak ist weder (glaubhaft und substantiiert) vortragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich.
c) Selbst wenn der Kläger in seinem Heimatort wegen der (angeblichen) Konversion bedroht sein sollte, so steht im jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative nach § 3e AsylG offen, da nach Überzeugung des Gerichts keine systematische Verfolgung von zum Christentum konvertierten Muslimen in (ganz) Kurdistan vorliegt (vgl. auch VG München, U.v. 15.12.2016 – M 4 K 16.31327 – juris).
Einem Ausländer wird gem. § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger als Kurde bei einer Rückkehr im Bedarfsfall Schutz in einer anderen Provinz Kurdistans – außerhalb seiner Herkunftsregion – suchen kann (vgl. auch VG München, U.v. 15.12.2016 – M 4 K 16.31327 – juris). Für kurdische Volkszugehörige ist eine sichere und legale Einreise nach Kurdistan problemlos (z.B. über die Flughäfen in Erbil und Sulaimanyia) möglich. Es ist auch davon auszugehen, dass er als Kurde in Kurdistan aufgenommen wird. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist dem Kläger zumutbar alle Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, insbesondere auch schlichten Hilfstätigkeiten nachzugehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es für den Kläger in einer fremden Stadt schwieriger ist, Arbeit zu finden, zumal sich die wirtschaftliche Lage auch in Kurdistan-Irak verschlechtert hat (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 2.2.2017 – AN 2 K 16.31008 – juris). Darüber hinaus lebt die Großfamilie im Irak, so dass von wechselseitiger Unterstützung im Rahmen des Familienverbandes auszugehen ist.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG.
Der Kläger gibt an, auf der „Balkanoute“ nach Deutschland gekommen zu sein. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage 1 zu § 26 a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund für die Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. VG Augsburg, U.v. 6.3.2017 – Au 5 K 16.32170 – juris). Im Übrigen fehlt es auch schon offensichtlich an den inhaltlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. § 16a GG.
3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch die Feststellung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG setzt voraus, dass der Kläger der Gefahr einer konkreten und damit individuellen Rechtsgutverletzung ausgesetzt ist.
b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Die derzeitige Situation in der KAR und damit auch in der der Provinz Dohuk, rechtfertigt nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der für eine Schutzgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefährdungsgrad ist dort bei Weitem nicht erreicht (VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris; VG München, U.v. 8.2.2017 – M 4 K 16.31581 – juris; VG München, U.v. 13.5.2016 – M 4 K 16.30558 – juris; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 15.30241 – juris). Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in Kurdistan gekommen ist, genügen hierfür nicht. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht ersichtlich.
c) Im Übrigen steht dem Kläger als Kurden in der Autonomen Region Kurdistan eine innerstaatliche Fluchtalternative gem. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG offen, falls ihm ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG drohen würde. Auf die Ausführungen unter 1c) wird verwiesen.
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären und wirtschaftlichen Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen, gesunden und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage – ggf. durch wechselseitige Unterstützung im Familienverband – im Irak zu schaffen.
b) Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr in den Irak drohen könnten, wurden weder vorgetragen und noch sind solche für das Gericht ersichtlich.
c) Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind im Übrigen Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. …) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – juris; VG München, U.v. 22.12.2016 – M 4 K 16.33226 – juris).
Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.
5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtling noch als Asylberechtigter anzuerkennen. Ihm stehen auch kein subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.