Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Italien

Aktenzeichen  B 5 S 18.50036

Datum:
26.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2658
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1, § 34a Abs. 1, § 75 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2, Abs. 4, Art. 22 Abs. 7, Art. 29

 

Leitsatz

1 An die Feststellung systemischer Mängel sind hohe Anforderungen zu stellen. Nur bei strukturellen und landesweiten Missständen kann davon ausgegangen werden, dass eine individuelle und konkreten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines jeden Asylbewerbers von den nationalen Behörden tatenlos hingenommen wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern feststellbaren Mängel und Defizite in Italien sind weder für sich genommen noch insgesamt so gravierend, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedsstaates vorläge. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Italien verfügt über eine umfassende kostenfreie Gesundheitsfürsorge, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern sowie unter humanitärem Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Die Notfallambulanz ist für alle Personen kostenfrei.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2018. Darüber hinaus begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Der Antragsteller, geb. am … 1973, ist russischer Staatsangehöriger mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens.
Ihm wurde von der italienischen Vertretung in Moskau am 19. September 2017 ein Schengen-Visum für einen Aufenthalt von 20 Tagen mit einem Gültigkeitszeitraum vom 28. September 2017 bis 1. November 2017 erteilt (Bl. 28 f. der Behördenakte). Der Antragsteller reiste nach eigenen Angaben auf dem Luftweg am 4. Oktober 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nachdem er am 24. Oktober 2017 ein Asylgesuch geäußert hatte, stellte der Antragsteller am 02.11.2017 einen förmlichen Asylantrag.
Gegenüber dem Bundesamt für … (im Folgenden Bundesamt) gab der Antragsteller an, er sei mit dem PKW nach Aserbaidschan gereist, von dort in die Türkei und dann weiter nach Deutschland geflogen. Er habe Gastritis und die rechte Hand funktioniere nicht richtig. Darüber hinaus habe er hormonelle Probleme. Er habe keine ärztlichen Nachweise bei sich, befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente – außer ab und zu Schmerzmittel.
Am 14. November 2017 stellte das Bundesamt ein Aufnahmegesuch nach der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) an Italien, das unbeantwortet blieb.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.01.2018 wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1 des Bescheides) und festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen (Ziffer 2 des Bescheides). Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Ziffer 3 des Bescheides) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4 des Bescheides). Gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO sei Italien für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig. Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) unzulässig. Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestünden nicht. Es lägen keine Gründe zu der Annahme von systemischen Mängeln im italienischen Asylverfahren vor. Dem Antragsteller drohe keine verfahrenswidrige Abschiebung in sein Heimatland. Die Frist von sechs Monaten für das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte ausweislich der Empfangsbestätigung am19. Januar 2018.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 23. Januar 2018 Klage erheben (B 5 K 18.50037). Gleichzeitig stellte er den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Zur Begründung verwies er auf sein bisheriges Vorbringen und bestritt, bereits in Italien gewesen zu sein. Er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt und beantrage die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland. Insbesondere lägen Abschiebungsverbote nach Italien vor.
Die Antragsgegnerin hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Behörden- und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage – wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG – keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen. Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat. Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung stellt sich als Festsetzung eines Zwangsmittels dar, die erst dann ergehen darf, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind. Dies ist in erster Linie die Zuständigkeit des anderen Staates, daneben muss aber auch feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist. Die notwendigen Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers nach Italien vor.
b) Rechtsgrundlage für die Erklärung der Asylanträge als unzulässig ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, wonach ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Zwar regelt im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Bundesamtes nicht Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO, sondern Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO die Zuständigkeit Italiens, denn Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO betrifft nur den Fall, dass das Visum, das der Antragsteller besitzt, bereits abgelaufen ist. Dies ist jedoch im Ergebnis ohne Bedeutung, da der Antragsteller im Besitz eines gültigen Visums war und sich die Zuständigkeit Italiens daher aus Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ergibt. Nach Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ist für die Prüfung eines Asylantrags eines Inhabers eines gültigen Visums der Mitgliedsstaat zuständig, der das jeweilige Visum erteilt hat. Dieser Fall liegt hier vor, denn der Antragsteller ist mit von italienischen Behörden ausgestelltem, gültigem Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Italien hat das Aufnahmegesuch des Bundesamtes vom 14. November 2017 nicht innerhalb der Frist des Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO beantwortet. Damit ist nach Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird.
c) Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht durch den Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen. Die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO von sechs Monaten ab der nach Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO anzunehmenden Annahme des Aufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat ist vorliegend noch nicht abgelaufen.
d) Es besteht auch keine Pflicht der Antragsgegnerin, die Prüfung der Kriterien nach Kapitel III der Dublin-III-VO fortzusetzen und gegebenenfalls eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO anzunehmen (vgl. EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – NVwZ 2014, 129 Rn. 36), denn systemische Mängel im Asylsystem Italiens bestehen nicht. Systemische Mängel im Asylsystem liegen dann vor, wenn in dem als zuständig bestimmten Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme bestehen, dass der betreffende Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in der Fassung vom 26. Oktober 2012 (ABl EG C 326 S. 392, EuGrCh) ausgesetzt zu werden (EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – NVwZ 2014, 129 Rn. 36). Es kommt demgegenüber nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EuGrCh bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommen kann (BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35.14 – juris Rn. 6). An die Feststellung systemischer Mängel sind mithin hohe Anforderungen zu stellen und es kann nur bei strukturellen und landesweiten Missständen davon ausgegangen werden, dass eine individuelle und konkrete Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines jeden einzelnen oder zumindest einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern von den nationalen Behörden tatenlos hingenommen wird (NdsOVG, B.v. 1.4.2014 – 13 LA 22/14 – juris).
Bei Anlegung dieses Maßstabs ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht (so auch VG München, B.v. 11.1.2017 – M 8 S 16.51193 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 18.1.2017 – 12 L 3754/16.A – juris; VG Hamburg, B.v. 8.2.2017 – 9 AE 5887/16 – juris). Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (vgl. OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris m.w.N.; U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/15.A – juris). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad nahelegt. (vgl. OVG NW, U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A – juris). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der überstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“ bzw. „Dublin-Überstellte“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris m.w.N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris). Auch „Dublin-Überstellte“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften. Es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. – wenn sie das noch nicht getan haben – einen Asylantrag oder – falls das Asylverfahren in Italien mit negativem Ergebnis bereits abgeschlossen sein sollte – einen Folgeantrag stellen können (OVG NW, U.v. 19.5.2016 – 13 A 516/14.A – juris).
Auch im Hinblick auf medizinische Betreuung und Versorgung ergibt sich keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. EGMR, U. v. 30.6.2015 – 39350/13 – A.S. gegen Schweiz), da Italien über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die italienischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 – AN 14 K 15.50316 – juris Rn. 26 m.w.N.). Auch der Bericht von AIDA (Asylum Information Database, vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati – CIR – Dezember 2015), bestätigt die Gleichstellung von Asylsuchenden und international Schutzberechtigten mit italienischen Staatsangehörigen hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung (vgl. dort S. 84). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.1.2013 an das OVG Sachsen-Anhalt steht eine kostenfreie medizinische Versorgung auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert dabei die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten (VG Augsburg, B. v. 19.9.2015 – Au 7 S 15.50412 – juris). Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (VG München, B. v. 5.11.2014 – M 18 S 14.50356 – juris). Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat. Nichts anderes folgt aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, https://www…ch/…pdf) vom August 2016 (ebenso VG Schwerin, U.v. 26.9.2016 -16 A 1757/15 As SN – juris). Auch der genannte Bericht liefert keine Hinweise darauf, dass Italien zur Bewältigung der Probleme durch die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen ergreift. Vielmehr reagiert Italien gerade im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden sehr flexibel auf den steigenden Zustrom. Dies bestätigen auch die von der Österreichischen Botschaft Rom dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich übermittelten Zahlen über die in Italien in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen, die auf Auskünften des italienischen Innenministeriums beruhen (Länderreport von Österreich vom 2.8.2016 und vom 29.9.2016). Aus dem Bericht folgt, dass das italienische Sozialsystem die Deckung der Elementarbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung in noch ausreichender Weise gewährleistet.
Darüber hinaus spielt eine möglicherweise vorhandene oder zu erwartende Entscheidung seitens des Abschiebungszielstaates über den Asylantrag im Rahmen der Bestimmung des für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Zielstaates keine Rolle. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ausdrücklich regelt, ist grundsätzlich nur ein Mitgliedstaat für die Entscheidung über den Asylantrag zuständig. Die Regelungen der Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 17 Dublin III-VO sorgen nicht dafür, dass inzident bei der Frage des zuständigen Mitgliedstaates geprüft werden müsste, wie der zuständige Zielstaat entschieden hat oder entscheiden würde und ob diese Entscheidung den eigenen nationalen Voraussetzungen entsprechen würde, sodass quasi in eine hypothetische materielle Prüfung einzusteigen wäre.
e) Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet, nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO selbst in die materielle Prüfung des Asylbegehrens der Antragsteller einzutreten. Eine Pflicht zum Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO nach erfolgter Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats kommt nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht und ist selbst nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht zwingend anzunehmen (vgl. EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – NVwZ 2014, 129 Rn. 37). Hierfür sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Der EGMR hat in seiner „Tarakhel“-Entscheidung zwar ausgeführt, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien. Das gelte auch, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden. Eine Überstellung nach Italien in solchen Fällen verstoße deshalb nur dann nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn die italienischen Behörden eine individuelle Garantieerklärung abgeben, wonach die Betroffenen eine Unterkunft erhalten und ihre elementaren Bedürfnisse abgedeckt sind (vgl. EGMR, U.v. 4.11.2014 – Nr. 29217/12 – Tarakhel gegen Schweiz – juris). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 17.9.2014 (2 BvR 732/14) festgestellt, dass auf Grund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG im Dublin-System zur Vermeidung erheblicher konkreter Gesundheitsgefahren für Neugeborene und Kleinstkinder bis drei Jahren eine ausreichende Versorgung im Zielstaat sicherzustellen ist. Hierzu sei es notwendig, sich mit den Behörden des Zielstaates abzustimmen. Der Antragsteller fällt aber ersichtlich nicht unter diesen besonders schutzbedürftigen Personenkreis. Eine Ausweitung der „Tarakhel“- Rechtsprechung erscheint auch unter Berücksichtigung der deutschen Grundrechte nicht geboten. Insoweit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb sich die Lage in Italien soweit verändert haben sollte, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszuweiten wäre. Dies widerspräche letztendlich dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens, das aus der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta und der Genfer Flüchtlingskonvention resultiert (vgl. VG Lüneburg, U.v. 13.12.2016 – 8 A 175/16 – juris; VG Bayreuth, U.v. 2.2.2017 – B 3 K 16.30085).
f) Ein der Abschiebung nach Italien entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 11 f.), ist ebenfalls nicht vorgetragen worden und nicht ersichtlich.
g) Auch wenn man neben der Frage des Vorliegens systemischer Mängel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO in Dublin-Verfahren nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG eine Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG für erforderlich hält (a.A. VG Potsdam, B.v. 19.10.2016 – 6 L 977/16.A – juris), führt dies im Ergebnis nicht dazu, dass hier solche Abschiebungsverbote anzuerkennen wären. Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG ist nicht ersichtlich, insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des Bescheides verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Hieran ändern auch die Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers im Schriftsatz vom 23. Januar 2018 nichts.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
3. Abzulehnen war damit auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte, § 166 VwGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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