Aktenzeichen M 30 K 17.43175
Leitsatz
1 Eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung oder beachtliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung Homosexueller in Sierra Leone ist nicht beachtlich wahrscheinlich. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Lehnt ein Asylbewerber die geforderten Mitgliedschaft bei dem Geheimbund der Poro Society ab, so hat er jedenfalls in den größeren Städten Sierra Leones die Möglichkeit, grds. unbehelligt von Geheimgesellschaften zu leben. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes vom 23. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 VwGO. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers rechtmäßig als unzulässig abgelehnt (1.) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (2.) verneint.
1. Bei dem vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland am 16. Oktober 2015 gestellten Asylantrag handelt es sich um einen unzulässigen Zweitantrag i.S.v. § 71a Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, da in Griechenland bereits zuvor erfolglos ein Asylverfahren abgeschlossen wurde (a.) und Wiederaufgreifensgründe nicht vorliegen (b.).
a. Den eigenen Angaben des Klägers verbunden mit der Auskunft der Hellenischen Republik vom 18. Oktober 2016 ist hinreichend zu entnehmen, dass der Kläger in Griechenland am 20. April 2015 einen Asylantrag gestellt hat, dort zu seinen Asylgründen und seinem Verfolgungsschicksal angehört wurde und der Asylantrag ohne anschließendes Rechtsmittel am 26. Mai 2015 abgelehnt wurde. Dem ist der Kläger auch nicht im Klageverfahren entgegengetreten.
b. Die Ablehnung des Vorliegens von Wiederaufgreifensgründen i.S.v. § 51 VwVfG im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes ist – im Ergebnis auch trotz des klägerischen Vortrags und dem erst im Gerichtsverfahren vorgelegten Internet-Artikel – rechtmäßig. Ein Wiederaufgreifen eines Verfahrens kommt insbesondere in Betracht, wenn sich die zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Der klägerische Vortrag ist insoweit nicht hinreichend schlüssig, sondern teilweise sogar widersprüchlich, teilweise unsubstantiiert und nicht geeignet, die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung zu begründen. Er genügt daher nicht den diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast für einen Wiederaufgreifensgrund nach der hierzu ergangenen Asyl-Rechtsprechung (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 71 Rn 44 ff.).
(1) In seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen i.S.v. § 51 Abs. 1 VwVfG geltend gemacht. Der Anhörungsniederschrift lässt sich entnehmen, dass der Kläger die Bedrohung durch die „Gay-Szene“ bereits in Griechenland geschildet hat. Ein neuer Vortrag ist hingegen nicht erkennbar. Vielmehr hat der Kläger auch bei Erstbefragung am 16. Oktober 2015 gegenüber dem Bundesamt verneint, neue Gründe und Beweismittel zu haben, die nicht in einem früheren Verfahren geltend gemacht worden seien und ein neues Asylverfahren rechtfertigen würden. Auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes zur Ablehnung von Wiederaufgreifensgründen wird daher insoweit verwiesen.
(2) Der im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Internet-Artikel über den Kläger ist kein geeignetes neues Beweismittel i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG in Bezug auf den bisherigen Vortrag des Klägers, das die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung herbeiführen könnte. So hat der Kläger gegenüber dem Bundesamt vorgetragen, von Mitgliedern aus der „Gay-Szene“ bedroht worden zu sein, weil er diese Gruppe verlassen habe. Der Internet-Artikel stellt den Kläger aber gerade im Gegenteil als – den einzigen – öffentlich agierenden Aktivisten dar, der bedroht worden sei, weil er sich für die Rechte der Homosexuellen eingesetzt habe. Dies stützt gerade nicht die vom Kläger bei der Anhörung beim Bundesamt beschriebene Bedrohung aus der „Gay-Szene“ heraus und kann daher nicht als geeignetes Beweismittel zu dieser Bedrohungslage dienen.
(3) Ebensowenig ist der Internet-Artikel verbunden mit dem klägerischen Vortrag durch seine Bevollmächtigten vom … April 2018 und in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2018 geeignet, i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hinreichend schlüssig und substantiiert eine neue Sachlage durch eine neue Bedrohungs- und Verfolgungslage mit der erkennbaren Möglichkeit eines sich daraus ergebenden Flüchtlingsschutzes oder subsidiären Schutzes zu begründen.
(aa) Soweit der Kläger (nunmehr) befürchtet, wegen einer (früheren) Homosexualität oder seiner Aktivitäten für die Rechte der Homosexuellen in Sierra Leone bei einer Rückkehr bedroht und verfolgt zu werden, handelt es sich schon nicht um eine neue Bedrohungslage, die der Kläger nicht schon bei seinem Verfahren in Griechenland oder bei der Anhörung beim Bundesamt hätte vortragen können.
Darüber hinaus sind dieses Vorbringen und der Inhalt des Internet-Artikels nicht glaubhaft.
Dass der Kläger in seinem Heimatland entsprechend öffentlich aktiv gewesen und deshalb bedroht worden wäre, wie dies der Artikel darstellt, hat der Kläger bei der Anhörung beim Bundesamt gerade nicht vorgetragen. Sollte es tatsächlich stimmen, wäre es aber ein wesentlicher Gesichtspunkt, den der Kläger auch nicht bei der Anhörung einfach hätte vergessen können, sondern Kernbestandteil des klägerischen Verfolgungsschicksals.
Mit dem Vorbringen des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung lässt sich der Inhalt des Artikels nicht in Einklang bringen. Der Anhörung lässt sich entnehmen, dass sich der Kläger im Jahre 2002 oder 2003 von der Gruppierung der Homosexuellen abgewendet habe, da er nicht so wie sie sei. Dies bestätigt der Kläger in der mündlichen Verhandlung, in der er angab, sich bereits als 12- bis 14-jähriger von der Gruppe abgewendet zu haben und geflohen zu sein. Wenn sich der Kläger aber seinen Angaben zufolge jedenfalls im Jahre 2002 oder 2003 von der Szene abgewandt haben will, erklärt sich insbesondere nicht, weshalb er im Internet-Artikel als Aktivist seit dem Jahre 2013 beschrieben wird, im Übrigen dem Jahre der angegebenen Ausreise aus Sierra Leone. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger des Weiteren angegeben, er habe nicht gewollt, dass jemand wisse, dass er schwul sei. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der Darstellung im Internet-Artikel, gerade öffentlich als Aktivist für die Homosexuellen-Szene in Erscheinung getreten zu sein. Zum anderen blieb auch in der mündlichen Verhandlung nicht klar beantwortet und letztlich zweifelhaft, ob der Kläger tatsächlich homosexuell ist. Fraglich erscheint insbesondere auch, dass der Kläger bereits im Alter von sieben oder acht Jahren in die homosexuelle Szene eingeführt worden sei soll, was er mit seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung jedoch auch relativierte.
(bb) Einen Wiederaufgreifensgrund kann der Kläger auch nicht daraus ableiten, dass ihm aufgrund des Internet-Artikels nunmehr bei einer Rückkehr nach Sierra Leone gegebenenfalls unabhängig von der Richtigkeit des Inhalts dieses Artikels unterstellt würde, homosexuell zu sein oder entsprechender Aktivist gewesen zu sein. Der Kläger hat insoweit nicht schlüssig dargestellt, warum er diesbezüglich eine Verfolgung i.S.v. §§ 3 ff. AsylG bzw. Gefährdungslage i.S.v. § 4 AsylG befürchtet.
Vielmehr ist eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung oder beachtliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung Homosexueller in Sierra Leone nicht beachtlich wahrscheinlich.
Zwar weisen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel darauf hin, dass es ein formal nicht außer Kraft gesetztes Gesetz aus der britischen Kolonialzeit aus dem Jahr 1861 gibt, nach welchem Homosexualität zwischen Männern in Sierra Leone untersagt und mit Freiheitsstrafe bedroht ist (vgl. u.a. Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu Sierra Leone v. 23.10.2018; U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2016 v. 3.3.2017 und 2017 v. 20.4.2018; BFA Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, 7.5.2015). Diese Quellen gehen jedoch davon aus, dass dieses Gesetz in der Praxis gerade nicht angewendet wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, allein nicht als Verfolgungsmaßnahme qualifiziert werden (vgl. EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12, C-200/12, C-201/12 – NVwZ 2014, 312). Aus dem bloßen Bestehen eines entsprechenden Gesetzes in Sierra Leone, welches aber in der Praxis nicht angewandt wird, kann sich demnach noch keine relevante Bedrohung für den Kläger ergeben.
Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist ferner zu entnehmen, dass Homosexualität von vielen Teilen der Bevölkerung abgelehnt und als Verstoß gegen traditionelle Normen und Werte betrachtet wird (vgl. Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes zu Sierra Leone vom v. 23.10.2018; U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2016 v. 3.3.2017 und 2017 v. 20.5.2018; BFA Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, 7.5.2015). Es liegen jedoch keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass staatliche Stellen in Sierra Leone Personen mit homosexueller Orientierung grundsätzlich keinen Schutz gewähren würden (so auch BayVGH, B.v. 23.11.2017 – 9 ZB 17.30302 – juris Rn 4; BayVGH, B.v. 27.3.2018 – 9 ZB 18.30439 – juris Rn 6). Zwar weisen die Erkenntnismittel darauf hin, dass es vereinzelt zu Übergriffen gekommen sein soll und staatliche Behörden nicht streng genug hiergegen vorgingen (vgl. U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2016 v. 3.3.2017 und 2017 v. 20.4.2018; Amnesty International, Länderreport 2014/15 zu Sierra Leone v. 25.2.2015). Vereinzelt geschilderte Übergriffe belegen jedoch nicht die grundsätzliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des Staates (vgl. BayVGH, a.a.O.). Erkenntnisse, dass eine etwaige Ausgrenzung homosexueller Männer durch Teile der Gesellschaft im Allgemeinen die Intensität einer schutzrelevanten Bedrohung i.S.d. § 3a AsylG oder § 4 AsylG erreichen würden, liegen zudem ebenfalls nicht vor (so auch VG Augsburg, U.v. 10.1.2018 – Au 4 K 17.32392 – beck-online Rn 17). Aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Kläger hat hierzu auch nichts Substantiiertes vorgetragen.
Zwar könnte es für den Kläger schwieriger als für andere auf sich allein gestellte Rückkehrer sein, sich ein neues Leben in Sierra Leone mit dessen schlechten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen aufzubauen, wenn er ihm bei einer Rückkehr eine homosexuelle Orientierung von Nachbarn o.ä. zugeschrieben würde – falls diese überhaupt auf den Internet-Artikel aufmerksam würde. Nach den zitierten Erkenntnismitteln mag es in Sierra Leone zu Diskiminierungen bei Jobsuche, Wohnungssuche etc. gegenüber homosexuellen Männern kommen (vgl. U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2016 v. 3.3.2017 und 2017 v. 20.4.2018). Es liegen jedoch keine Erkenntnisse darüber vor und fehlt es klägerseits an jeglichem substantiierten Vortrag, wonach dies in einer derart quantitativen und qualitativen Weise geschieht, die dem Kläger die Erlangung des Existenzminimums verhindert.
Zudem geht der Internet-Artikel letztlich vom Tod des Klägers aus. Daher ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Artikel die Bedrohungslage des Klägers für den Fall einer Rückkehr erhöht haben könnte, selbst wenn der Kläger sich in Sierra Leone zuvor bereits öffentlich für die Rechte der Homosexuellen eingesetzt hätte, was das Gericht jedoch – wie oben dargestellt – nicht für glaubhaft erachtet.
(4) Soweit der Kläger zudem im Gerichtsverfahren vorträgt, Mitglied in der Poro-Society werden zu sollen, um seinem Vater nachzufolgen, fehlt es an einem hinreichend substantiierten und schlüssigen Vortrag, unter anderem auch in Bezug auf die befürchtete asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung. Allein damit, dass die Poro Society wolle, dass sich der Kläger dem Geheimbund anschließt, und er eine Verfolgung in ganz Sierra Leone befürchte, wenn er dies nicht macht, genügt der Kläger den Anforderungen an die schlüssige und substantiierte Darlegung eines Wiederaufgreifensgrundes i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VwVfG nicht. Der Vortrag ist in vielerlei Hinsicht zu vage, oberflächlich und unsubstantiiert geblieben, um die Möglichkeit einer Flüchtlingsschutzgewährung oder subsidiären Schutzes zu begründen.
Jedenfalls wäre der Kläger – wie das Bundesamt insoweit zutreffend in der Klageerwiderung ausführt – i.S.v. § 3e AsylG auf eine zumutbare inländische Fluchtalternative zu verweisen (vgl. auch VG München, U.v. 5. April 2018 – M 30 K 17.39165 – beck-online; VG Ausburg, U.v. 22.03.2017 – Au 4 K 16.32061 – juris Rn 38 ff.). Es erscheint bereits fraglich, wie es dem Poro Geheimbund – auch als dem wohl bedeutsamsten und sehr mitgliederstarken Geheimbund – grundsätzlich überhaupt möglich wäre, von ihm gesuchte Personen zu finden (so aber noch Auswärtiges Amt vom 27. Dezember 2007 an das VG Freiburg in Bezug auf Freetown). Schließlich existiert in Sierra Leone kein ausreichendes Zivilregister (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2017). Wie dies gelingen soll, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Dabei ist zu unterstellen, dass gewisse, immer wieder berichtete Vodoo-Praktiken u.ä. dem Bereich des Okkulten und des Aberglaubens zuzuordnen sind und zur Überzeugung des Gerichts nicht funktionieren. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass es jedenfalls in den Großstädten Sierra Leones – mit Ausnahme ggf. der Stadt des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts – möglich ist, grundsätzlich unbehelligt vom Poro Geheimbund zu leben (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2017 an das VG Augsburg). Dass der Kläger eine herausragende Rolle seines Vaters als unmittelbarer Nachfahre übernehmen müsse, ist nicht vorgetragen (vgl. hierzu Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Dezember 2007 an das VG Freiburg). Insofern ist nicht erkennbar und auch nichts substantiiert vorgetragen, dass die Mitglieder des Geheimbunds den Kläger für den Fall seiner Rückkehr in ganz Sierra Leone suchen würden, nur um diesen gegen seinen Willen zwangsweise dem Geheimbund zuzuführen. Der Aufwand für den Geheimbund, alle Personen, die sich ihrem Vortrag nach einer Zwangsmitgliedschaft entziehen und entzogen haben, in ganz Sierra Leone zu suchen – ohne zentrales Melderegister – wäre enorm, vor allem im Vergleich zu der Chance, tatsächlich jemanden zu finden. Schließlich ist für den Geheimbund bereits nicht bekannt, ob sich die Person überhaupt oder wieder in Sierra Leone aufhält.
Der Antragsteller hat somit nicht hinreichend dargelegt, dass diese (neueren) Erkenntnisse, die nach seinen Angaben jedoch auch schon „einige Monate“ alt waren, überhaupt die Möglichkeit für eine günstigere Entscheidung eröffnen würden.
2. Auch die Ablehnung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ist rechtmäßig.
a. In Bezug auf eine nach § 60 Abs. 5 AufenthG etwaig relevante Bedrohungslage einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung durch die „Gay-Szene“ oder die Poro Society kann ebenso wie in Bezug auf eine dem Kläger aufgrund des Internet-Artikels etwaig zugeschriebene Homosexualität oder entsprechende frühere Aktivistentätigkeit auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Soweit das klägerische Vorbringen nicht bereits unglaubhaft ist, stünde dem Kläger jedenfalls eine inländische Fluchtalternative i.S.v. § 3e AsylG in Sierra Leone zur Verfügung. Das Gericht sieht es als nicht wahrscheinlich an, dass der Kläger bei einer Rückkehr von der Poro-Society oder der „Gay-Szene“, die ihn über zehn Jahre verfolgt haben will, gefunden wird. Der Vortrag in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts, immer wieder von Ihnen gefunden und mit Messer und Flaschen bedroht worden zu sein, selbst in einer zweiten Stadt, ist nicht glaubhaft, zumal sich der Kläger bereits als 12- bis 14-jähriger von der Szene losgesagt haben will.
Wegen einer etwaigen Homosexualität des Klägers oder weil dem Kläger wegen des Internet-Artikel eine Homosexualität unterstellt werden könnte, hat der Kläger bei einer Rückkehr keine Gefährdung i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG zu befürchten.
Das Gericht sieht den Kläger bei einer Rückkehr nach Sierra Leone daher nicht in seiner Existenz gefährdet. Dies gilt im Übrigen auch, falls der Kläger wegen der Poro Society nicht auf die Unterstützung der Verwandten im Heimatland zurückgreifen könnte, sondern auf sich allein gestellt bliebe.
b. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Bescheinigungen sind nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen und die gesetzliche Vermutung, dass gesundheitliche Gründe der Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c AufenthG), zu widerlegen. Zum einen werden sie bereits nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung gerecht. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, inwieweit eine Magenschleimhautentzündung und eine Heliobacter pylori Infektion, soweit sie nicht längst eradiert und damit beseitigt wurde, erhebliche gesundheitliche Einschränkungen für den Antragsteller im Heimatland bedeuten würde. Dies gilt auch in Bezug auf die Annahme des Bundesamtes, der Kläger könne sich selbst sein Existenzminimum sichern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).