Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutzes für einen afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  M 4 K 15.30827

Datum:
3.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Ein Vortrag ist nicht glaubhaft, wenn er eine deutliche Steigerung von der persönlichen Anhörung zur mündlichen Verhandlung enthält. (redaktioneller Leitsatz)
2 Von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion geht eine allgemeine Gefahr aus, wenn praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. In Afghanistan besteht nicht die notwendige Gefahrendichte. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Afghanistan begründen kein Abschiebungsverbot (BVerwG BeckRS 2013, 49252). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet
I.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Asylgesetz -AsylG- bzw. des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3b Abs. 1 AsylG – außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Es ist schon kein Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ersichtlich, an das eine geltend gemachte Verfolgung anknüpfen könnte.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.
Subsidiärer Schutz ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
1.Die Verhängung der Todesstrafe,
2.Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 AsylG). Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
a) Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht erkennbar nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe.
b) Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen.
Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 35 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Dies gilt gemäß §§ 4 Abs. 3 i.V.m. 3c, 3d AsylG auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasi-staatlicher Schutz zur Verfügung steht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.11.2012, § 60 AufenthG Rn. 124 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.).
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose eines drohenden Schadens die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. nunmehr auch Art. 4 Richtlinie 2011/95 EU sowie bereits bislang BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen. Dies gilt auch hinsichtlich der Geltendmachung einer drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von § 4 AsylG.
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger eine drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nicht glaubhaft gemacht.
Hinsichtlich einer Bedrohung durch die Taliban ist der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft, da er eine deutliche Steigerung enthält. Während der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung noch von einem Drohbrief sprach, trug er in der mündlichen Verhandlung vor, dass er schon während seiner Zeit als Fahrer für den Kommandeur mehrere Drohungen der Taliban erhalten habe.
Auch hinsichtlich der Bedrohung durch die Brüder des Kommandeurs erachtet das Gericht den Vortrag des Klägers nicht als glaubhaft, da er nicht in sich stimmig ist. So gab der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung an, dass er einen Monat im Krankenhaus habe bleiben müssen. Vor Gericht gab er an, dass er ein paar Tage stationär im Krankenhaus gewesen sei. Auch trug der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung zum einen vor, dass er im Krankenhaus wegen seiner Wirbelsäule hätte liegen müssen, zum anderen jedoch, dass er einmal die Woche zur Polizei hätte gehen müssen. Auch die Umstände hinsichtlich des Todes seines Vaters erscheinen schon bei der Anhörung durch das Bundesamt widersprüchlich. So trug der Kläger vor, dass die Familie des Kommandeurs seinen Vater getötet habe, als sie erfahren hätten, dass er selbst in Deutschland sei. Auf Nachfrage trug er dann vor, dass er gemeint habe, als er dort lebte. Später trug der Kläger wiederum vor, dass er vom Tod seines Vaters über einen Freund erfahren haben wolle.
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffneten Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12- Diakité, zur identischen Regelung des Art. 15c der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende – und damit allgemeine – Gefahr in der Person des Klägers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C-465/07 – Slg. 2009, I-921).
Die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren ist, kann dahinstehen, weil nach der Überzeugung des Gerichts der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Bezüglich der Gefahrendichte ist zunächst auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – BVerwGE 134, 188). Zur Feststellung der Gefahrendichte ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136,377).
Der Kläger stammt aus der Provinz Laghman, so dass hinsichtlich der Gefahrensituation primär darauf abzustellen ist. Die Provinz Laghman wird von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA, Internet: www.unama.unmissions.org) der Ostregion Afghanistans (Provinzen: Nangarhar, Laghman, Kunar und Nuristan) zugeordnet.
Der Jahresbericht der UNAMA (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2016 Pro-tection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2016) geht für das Jahr 2009 von 785 getöteten oder verletzten Zivilisten in der Ostregion aus. Bei einer Einwohnerzahl von 3,6 Mio. betrug das Risiko für Zivilpersonen Opfer eine Anschlags zu werden somit 0,0218%. Hochgerechnet auf das Jahr 2015 (1.646 Tote und Verletzte) betrug das Risiko Opfer willkürlicher Gewalt zu werden 0,0457%. Nach dem UNAMA Midyear Report 2016 sind die Opferzahlen im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem ersten Halbjahr 2015 stark zurückgegangen (952 – 738). Das Risiko als Zivilperson in der Provinz Laghman Oper willkürlicher Gewalt zu werden liegt damit immer noch unter der vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10) für weit von der Erheblichkeitsschwelle entfernt erachteten Gefahrendichte von 0,125%.
3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten -EMRK- ergibt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – juris Rn. 24) auch dann in Frage, wenn die umschriebenen Gefahren nicht durch den Staat oder eine staatsähnliche Organisation drohen oder dem Staat zuzurechnen sind.
Eine solche Gefahr ist bezogen auf den Kläger mit Hinweis auf die bereits getätigten Ausführungen nicht ersichtlich.
Eine unmenschliche Behandlung droht dem Kläger auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in Afghanistan. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend sind“. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, ist zu berücksichtigen, ob es den Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR U. v. 28.6.2011 – 8319/07 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681 ff.; EGMR U. v. 27.5.2008 – 26565/05 – N/Vereinigtes Königreich; BVerwG U. v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalls ist von einem sehr hohen Niveau der Gefährdung auszugehen (BayVGH, U. v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris).
In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK zur Folge hätte (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – Rn. 26 – juris). Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan weiterhin schlecht und soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt bei den Familien und Stammesverbänden. Der Kläger verfügt jedoch nach eigenen Schilderungen noch über Familie in Afghanistan (Mutter, zwei Brüder, eine Schwester, ein Onkel und eine Tante).
Aber auch ohne die Unterstützung durch diese Gemeinschaft droht jedenfalls dem volljährigen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger bei einer Abschiebung beispielsweise nach Kabul keine konkrete Gefahr für Leib und Leben aufgrund der humanitären Lage. Der Kläger kann jedenfalls unter Inanspruchnahme internationaler Hilfe und der Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zumindest das für das Existenzminimum Erforderliche erzielen, um sein Überleben zu sichern (vgl. BayVGH, B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris m.w.N.; B. v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris Rn. 4; B. v. 30.7.2015 – 13a ZB 15.30031 – juris Rn. 10). Der Kläger ist ein arbeitsfähiger junger Mann in diesem Sinne. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Eindruck bestätigt, der Kläger erschien als stabil und äußerte, dass er auch in Deutschland schon in mehreren Kfz-Werkstätten gearbeitet hätte. Diese Arbeit könnte er auch in Afghanistan weiter ausführen bzw. wieder als Fahrer arbeiten.
b) Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Die schlechte Versorgungslage in Afghanistan für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung stellt eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht rechtfertigen kann.
Hinsichtlich des Klägers besteht auch kein Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog wird die Frage geprüft, ob bei Gefahren, die der Bevölkerung oder der Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein drohen und bei denen eine politische Leitentscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt, ausnahmsweise Verfassungsrecht in Fällen einer extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot erforderlich macht. In diesem Zusammenhang wird auch die schlechte wirtschaftliche Lage im Herkunftsland berücksichtigt (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – Rn. 15 ff. juris). Der Kläger wäre aber bei einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in seine Herkunftsregion oder nach Kabul und insbesondere im Hinblick auf die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen, nicht mit der für die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Auch ohne die Unterstützung durch eine familiäre Gemeinschaft droht dem volljährigen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger bei einer Abschiebung nach Kabul keine extreme Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde (vgl. BayVGH, B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris m.w.N.; B. v. 30.7.2015 – 13a ZB 15.30031 – juris Rn. 10). Der Antragteller kann – wie bereits zu § 60 Abs. 5 AufenthG dargestellt – unter Inanspruchnahme internationaler Hilfe und der Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zumindest das für das Existenzminimum Erforderliche erzielen, um sein Überleben zu sichern und könnte zudem auf Hilfe durch seine Familie zurückgreifen.
4. Die nach Maßgabe der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nach Afghanistan ist in rechtlicher Hinsicht gleichfalls nicht zu beanstanden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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