Aktenzeichen 18 K 17.35413
Leitsatz
1. In Afghanistan besteht eine inländische Fluchtalternative. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Volksgruppe der Hazara besteht nicht die erforderliche Gefahrendichte für eine Gruppenverfolgung. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn das Vorliegen einer Homosexualität weder positiv noch negativ im naturwissenschaftlichen Sinn zu beweisen ist, kann allein die Behauptung, homosexuell zu sein, als Asylgrund nicht ausreichen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das in der Provinz Ghazni vorherrschende Gewaltniveau bleibt hinter den Anforderungen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG an eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von Zivilpersonen zurück. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
5. Für alleinstehende, erwerbsfähige und gesunde junge Männer besteht im Fall der Rückkehr nach Afghanistan selbst dann keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung, wenn diese der Volksgruppe der Hazara angehören und weder über ein soziales Netzwerk in Afghanistan noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder nennenswertes Vermögen verfügen. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die zulässige Klage, die das Gericht gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden konnte, da die Beklagte unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen worden war, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die Klage ist, soweit sie sich gegen die Ziffern 1, 3 und 4 des Bescheids vom 25. August 2017 richtet, als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO und, soweit damit die Ziffern 5 und 6 dieses Bescheids angegriffen werden, als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig. Außerdem wurde die Klage innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG erhoben.
II.
In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere steht dem Kläger zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2019 weder ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder auf die Feststellung der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu. Zu Recht ergangen sind außerdem die in Ziffer 5 des Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung sowie das in Ziffer 6 enthaltene Einreise- und Aufenthaltsverbot.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 Alt. 1 AsylG.
Ein Ausländer ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchst. a AsylG als Flüchtling anzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 19).
a) Eine Vorverfolgung, aufgrund derer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von weiteren Verfolgungshandlungen auszugehen wäre, hat der Kläger nicht geschildert. Dies gilt namentlich für die Vorfälle während des Aufenthalts in der Stadt … Als Verfolgung gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Eine Verletzung von Grundrechten stellt demgemäß nur dann eine Verfolgung dar, wenn sie von einer bestimmten Schwere ist (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 53).
Soweit der Kläger im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt angab, er sei während seines Aufenthalts in der Stadt … von Mitschülern und Erwachsenen anderer ethnischer Gruppen aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Volk der Hazara bedroht und geschlagen worden, vermag das Gericht hierin noch keine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte zu erkennen; vielmehr handelt es sich insoweit um kriminelles Verhalten einzelner Personen, das hinter der Erheblichkeitsschwelle des § 3a Abs. 1 AsylG zurückbleibt. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dauer dieser Übergriffe; so hat sich der Kläger eigenen Angaben zufolge lediglich für zehn bis zwölf Tage in der Stadt … aufgehalten.
Selbst wenn man diese Vorfälle als Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG ansehen wollte, wäre der Kläger nach § 3e Abs. 1 AsylG vorrangig auf internen Schutz zu verweisen. Als inländische Fluchtalternative käme dabei in erster Linie das klägerische Heimatdorf … im Bezirk Jaghori in Betracht. Dass es auch dort zu gewaltsamen Übergriffen gegenüber dem Kläger gekommen wäre, ist seinen Schilderungen nicht zu entnehmen. Es kann vernünftigerweise erwartet werden, dass sich der Kläger dort niederlässt. Zum einen leben dort die Mutter und die Geschwister des Klägers, weshalb er dort über ein familiäres Netzwerk verfügt. Entgegen seinem früheren Vorbringen hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt, noch immer in regelmäßigem Kontakt zu seiner Familie zu stehen, so dass insbesondere von einer Aufnahme des Klägers durch seine Familie ausgegangen werden kann. Desweiteren sollte es dem Kläger dort möglich sein, sein Existenzminimum zu sichern (zu diesem Erfordernis: BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11.07 – juris Rn. 32). Wie schon vor seiner Ausreise wird es dem Kläger möglich sein, in der Landwirtschaft seiner Familie tätig zu werden. Einer Rückkehr des Klägers steht schließlich das Verschwinden seines Vaters nicht entgegen. Insoweit gab der Kläger lediglich an, sein Vater, der im Bezirk Qarabagh eine Metzgerei betrieben habe, sei nach der Arbeit nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Mutmaßungen der Familie, der Vater sei durch die Taliban entführt und getötet worden, konnten letztlich nicht bestätigt werden, zumal von Seiten des Klägers auch keine weiteren Angriffe durch die Taliban geschildert wurden.
b) Im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass den Angehörigen der Volksgruppe Hazara nach derzeitiger Auskunftslage in Afghanistan weiterhin keine flüchtlingsrechtlich relevante Gruppenverfolgung droht.
Zwar kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung setzt grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich nicht mehr um nur vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11.08 – juris Rn. 13; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – juris Rn. 7).
Für die Volksgruppe der Hazara, welcher der Kläger angehört, ist eine solche Gruppenverfolgung jedoch nicht feststellbar. Insbesondere kann nicht von einer Verfolgung der gesamten Volksgruppe ausgegangen werden. In Afghanistan stellen die Hazara mit einem Anteil von etwa 10% der Gesamtbevölkerung eine Minderheit mit zumeist schiitischem Glauben dar (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 321). Zwar wird weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung der Hazara durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung berichtet (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 106). Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft ist aber eine grundsätzliche Verbesserung der Lage der Hazara festzustellen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). So sind diese zwischenzeitlich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft grundsätzlich etabliert (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 322). Auch bekleiden Hazara zwischenzeitlich mitunter prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, obgleich sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). Im Durchschnitt sind die Hazara beispielsweise mit etwa 10% in der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei repräsentiert (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 323). Schließlich verfügen sie über grundsätzlich gleichwertigen Zugang zum afghanischen Arbeitsmarkt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 322).
Eine Gruppenverfolgung der Hazara kann im Übrigen nicht etwa deshalb angenommen werden, weil diese Opfer von Anschlägen und kriminellen Übergriffen werden. Zwar sind immer wieder Anschläge auf schiitische Einrichtungen zu verzeichnen, so etwa am 15. August 2018 auf eine hauptsächlich von Schiiten genutzte Bildungseinrichtung in Kabul sowie am 18. August 2018 auf eine schiitische Moschee in der Provinz Paktia (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). Selbst vor diesem Hintergrund kann jedoch keine über eine nur latente oder potenziell bestehende Gefährdungslage hinausgehende Bedrohung angenommen werden, die die Feststellung zuließe, dass grundsätzlich die gesamte Volksgruppe der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Anschlägen getroffen würde. In vielen Fällen kann nämlich gerade nicht ausgeschlossen werden, dass kriminelles Unrecht lediglich zufällig zum Nachteil der Hazara wirkt oder diese aufgrund erhöhter Reisetätigkeit bzw. des überwiegenden Wohnens in den Stadtzentren betroffen sind (ebenso OVG NRW, U.v. 13.6.2019 – 13 A 3741/18.A – juris Rn. 167; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 139).
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Frage nach einer Gruppenverfolgung von Volkszugehörigen der Hazara in Afghanistan bereits mehrfach Gegenstand der obergerichtlichen Rechtsprechung war und von dieser abgelehnt wurde (aus neuerer Zeit etwa: NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 75; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 77 ff.; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris Rn. 54 ff.; BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17 ff.; B.v 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris Rn. 11 f.; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 6).
c) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Kläger schließlich nicht im Hinblick auf seine angebliche Homosexualität. Dem Kläger ist es gerade nicht gelungen, das Gericht von seiner homosexuellen Orientierung zu überzeugen.
(1) Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass nach aktueller Auskunftslage für Afghanistan durchaus eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung bei Bekanntwerden einer homosexuellen Orientierung spricht.
Wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dargelegt hat, kann die homosexuelle Orientierung eines Schutzsuchenden unter bestimmten Voraussetzungen einen tauglichen Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen. Zum einen stellt danach die sexuelle Ausrichtung einer Person ein Merkmal nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 Buchst. a AsylG dar, das so bedeutsam für ihre Identität ist, dass sie nicht gezwungen werden sollte, darauf zu verzichten (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 46). Zum anderen erlaubt danach das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung, dass diese Personen eine abgegrenzte Gruppe bilden, die von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird, § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 Buchst. b AsylG (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 48). Von einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Bestrafung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG und damit von einer Verfolgung der Homosexuellen geht diese Rechtsprechung schließlich dann aus, wenn homosexuelle Handlungen im Herkunftsland mit Freiheitsstrafe bedroht sind und diese Strafe auch tatsächlich verhängt wird (vgl. EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 56, 61).
Im Hinblick auf Afghanistan ist nach aktueller Auskunftslage von einer derartigen unverhältnismäßigen und diskriminierenden Bestrafung homosexueller Personen auszugehen. So gelten eivernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen dort als illegal und können nach dem afghanischen Strafgesetzbuch mit Haftstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet bzw. nach der Scharia sogar mit dem Tod bestraft werden; allerdings werden seit dem Ende der Taliban-Herrschaft keine Todesstrafen mehr vollstreckt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 100 f.). Es existieren außerdem Berichte über gewalttätige Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung homosexueller Männer durch die afghanische Polizei (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 349).
(2) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan von einer solchen Verfolgung betroffen sein wird, besteht nach Auffassung der Kammer hingegen nicht. Das Gericht stuft das klägerische Vorbringen zu einer angeblich bestehenden Homosexualität als unglaubwürdig ein.
Auch wenn das Vorliegen einer Homosexualität wohl weder positiv noch negativ im naturwissenschaftlichen Sinn zu beweisen ist, kann allein die Behauptung, homosexuell zu sein, jedenfalls als Asylgrund nicht ausreichen (VG Bayreuth, U.v. 9.2.2015 – B 3 K 13.30328 – juris Rn. 49). Vielmehr können solche Aussagen angesichts des besonderen Kontexts von Asylanträgen im Verfahren der Prüfung der Ereignisse und Umstände gemäß Art. 4 RL 2004/83/EG – jetzt Art. 4 RL 2011/95/EU – nur den Ausgangspunkt bilden (EuGH, U.v. 2.12.2014 – C-148/13 bis C-150/13 – juris Rn. 49). Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die mit der Furcht vor Verfolgung wegen der sexuellen Ausrichtung begründet werden, können daher, ebenso wie Anträge, die auf andere Verfolgungsgründe gestützt werden, Gegenstand eines solchen Prüfverfahrens sein (EuGH, U.v. 2.12.2014 – C-148/13 bis C-150/13 – juris Rn. 52). Dementsprechend war auch die von Kläger behauptete Homosexualität einer Prüfung durch das erkennende Gericht zu unterziehen.
In der vorliegend zu entscheidenden Fallkonstellation ist es dem Kläger indessen nicht gelungen, das Gericht von seiner Homosexualität zu überzeugen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere des klägerischen Vorbringens im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Kammer nicht zu der Überzeugungsgewissheit einer tatsächlich bestehenden homosexuellen Ausrichtung des Klägers gelangt, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
In Bezug auf die behauptete Homosexualität fehlt es bereits an einer stringenten Fluchtgeschichte. So wurde in der schriftlichen Mitteilung an das Gericht vom 30. November 2017 zunächst behauptet, der Vater des Klägers sei entführt worden, um von diesem die Aussage zu erpressen, dass der Kläger homosexuell sei. Seine Mutter habe deshalb das Gerücht verbreitet, der Kläger sei tot. Schließlich sei er von seinem Onkel weggeschickt worden, damit er nicht länger Schande über die Familie brächte und keine Gefahr mehr für diese darstelle. Zu seiner Familie habe er in der Folge keinen Kontakt mehr und vermisse diese auch nicht; diese werde ihn ohnehin nicht mehr aufnehmen. Dem widersprechen die klägerischen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in wesentlichen Punkten. Hier gab der Kläger zunächst an, von seiner Homosexualität habe alleine ein in Kuwait ansässiger Onkel mütterlicherseits gewusst; diesem habe sich der Kläger anvertraut, da der Onkel immer sehr freundlich und nett gewesen sei. Der Onkel sei zwar zunächst sauer gewesen, habe letztlich aber doch für Verständnis für den Kläger geäußert und sei sehr besorgt um dessen Sicherheit in Afghanistan gewesen. Seine übrige Familie habe hingegen nichts von der Homosexualität des Klägers gewusst. Er gehe nicht davon aus, dass die Entführung seines Vaters damit in Zusammenhang stehe; die Angaben in dem Schreiben vom 30. November 2017 seien insoweit falsch. Zu seiner Familie habe er noch immer etwa alle ein bis zwei Monate Kontakt und vermisse diese sehr.
Wenig glaubhaft erscheinen zudem die Angaben des Klägers über seine angebliche homosexuelle Beziehung zu einem anderen Mann, den er im Jahr 2017 bei der Homosexuellenvereinigung „…“ kennengelernt haben will. Die diesbezüglichen Zweifel des Gerichts ergeben sich in erster Linie daraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine erhebliche Unkenntnis über die persönlichen Verhältnisse seines angeblichen Partners offenbarte. Auf Nachfrage des Gerichts konnte der Kläger allein dessen Vornamen nennen, welchen er mit „…“ (phonetisch) angab. Wie genau dieser Name geschrieben wird, war dem Kläger hingegen ebenso wenig bekannt wie der Nachname seines Freundes. Auch dessen genauen Wohnort konnte der Kläger nicht angeben. Er führte hierzu lediglich aus, dass der Freund im … Stadtteil … in einer Gegend wohne, in der überwiegend Homosexuelle leben würden. Ebenso wenig war dem Kläger das genaue Alter seines Partners bekannt, welches er mit 30 oder 32 Jahren angab. Aufgrund dieses Altersunterschieds – der Kläger selbst ist 21 Jahre alt – sei im Übrigen keine Heirat geplant; Gegenteiliges wollte der Kläger weder behauptet noch an das Gericht geschrieben haben. Weitgehend unbekannt waren dem Kläger schließlich die Vergangenheit bzw. die Fluchtgeschichte seines Freundes. Diesbezüglich gab der Kläger lediglich an, der Freund stamme aus dem Iran. Seit wann sich dieser in Deutschland aufhalte, wisse er nicht. Er glaube aber, dass der Freund in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt sei, auch wenn er diesen nie danach gefragt habe. Obgleich das Gericht vor diesem Hintergrund durchaus vom dem Bestehen des vom Kläger geschilderten sozialen Kontakts ausgeht, erblickt es hierin vielmehr ein freundschaftliches Verhältnis als eine homosexuelle Liebesbeziehung. Dies gilt vor allem mit Blick auf die vom Kläger geschilderten Freizeitaktivitäten. So fänden die gemeinsamen Treffen vor allem in den Räumlichkeiten des Vereins „…“ statt, wo er und sein Freund sich unterhalten, Musik hören und auch sonst viel unternehmen würden.
In Anbetracht all dieser Umstände ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Kläger behauptete Homosexualität gerade nicht seiner wirklichen sexuellen Identität entspricht, sondern das diesbezügliche Vorbringen in erster Linie asyltaktisch motiviert ist. Die Kammer sieht sich hierin nicht zuletzt auch dadurch bestätigt, dass der Kläger die Homosexualität erst zu einem doch recht späten Zeitpunkt in seinem Asylverfahren vorgebracht hat. So hat er eine entsprechende sexuelle Orientierung weder in einer der beiden Anhörungen durch das Bundesamt am 30. August 2016 und am 8. Februar 2017 noch im Zusammenhang mit der Klageerhebung am 6. September 2017 erwähnt. Vielmehr wurde dieser Aspekt erstmals in einem Schreiben an das Gericht vom 30. November 2017 angeführt. Zwar ist sich die Kammer bewusst, dass allein aus der Tatsache, dass der Kläger seine Homosexualität nicht sofort angegeben hat, noch nicht auf dessen Unglaubwürdigkeit geschlossen werden darf (vgl. EuGH, U.v. 2.12.2014 – C-148/13 bis C-150/13 – juris Rn. 69). Dies hindert das Gericht jedoch nicht daran, diesen Umstand neben weiteren Aspekten in seine Überzeugungsbildung über die Glaubwürdigkeit des Klägers einzubeziehen. Dies gilt in der vorliegenden Fallkonstellation umso mehr, als gewichtige Umstände dafür sprechen, dass die Behauptung der Homosexualität gar nicht durch dem Kläger selbst erdacht, sondern diesem von dritter Seite her „in den Mund gelegt“ wurde. Es bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben vom 30. November 2017 gerade nicht vom Kläger selbst herrührt und dieser keine bzw. nur unzureichende Kenntnis von dessen Inhalt hatte. So hat sich dieser nach einer Inaugenscheinnahme des Schriftstücks in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, dass zwar die darauf befindliche Unterschrift von ihm stamme, er das Schreiben jedoch nicht selbst verfasst habe, zumal er gar nicht so gut deutsch schreiben könne. Er wisse aber, dass seine ehemalige Lehrerin Frau … (phonetisch) einmal an das Gericht geschrieben habe. In diesem Zusammenhang ist ferner die Aussage des Klägers zu berücksichtigen, wonach ihm der erstmalige Kontakt zu der Homosexuellenorganisation „…“ von ebendieser Lehrerin vermittelt worden sei. Dass sich der Kläger seinen eigenen glaubhaften Angaben gemäß tatsächlich regelmäßig dort aufgehalten und an Veranstaltungen teilgenommen hat, stellt insofern keinen Widerspruch dar. Zweifellos mag der Kläger bei dem Verein „…“ ein freundschaftliches Umfeld vorgefunden und in die dortige Gemeinschaft integriert worden sein. Hieraus kann indessen noch nicht der Schluss auf eine tastsächlich bestehende homosexuelle Veranlagung des Klägers geschlossen werden. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf ein in der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Schreiben des Vereins „…“ vom 10. Oktober 2019 berufen, wonach man dort aufgrund eines diesbezüglichen Erfahrungsschatzes sowie des persönlichen Kontakts mit dem Kläger von dessen unabänderlicher und dauerhafter Homosexualität überzeugt sei. Derartigen Bescheinigungen kann für die Feststellung der sexuellen Identität eines Asylbewerbers im gerichtlichen Verfahren richtigerweise keine Bedeutung zukommen (Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332/335).
2. Der Kläger hat außerdem keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, da es ihm nicht gelungen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme vorzubringen, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden droht.
a) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden durch die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG.
b) Auch droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden durch Folter bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat; sie ist erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt, sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, ihren moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – BeckRS 2011, 3848 Rn. 220). Aufgrund des in § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG enthaltenen Verweises auf § 3c AsylG muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung außerdem von einem der dort genannten Akteure ausgehen (BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 6; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 29).
Individuelle Umstände, die im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers nahelegen würden, sind nicht ersichtlich. Dies gilt namentlich für das klägerische Vorbringen zu seiner angeblichen Homosexualität, welches das Gericht – wie vorstehend dargelegt – nicht für glaubhaft erachtet. Desweiteren vermögen auch die in Afghanistan herrschenden schlechten humanitären Bedingungen als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG zu begründen, da es insoweit jedenfalls an einem nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG erforderlichen Akteur im Sinne des § 3c AsylG fehlt. Die schlechte Versorgungslage wird vielmehr durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen sowie maßgeblich durch die volatile Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist nicht festzustellen, dass einem der Akteure des § 3c AsylG ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Situation führen könnte; insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten, noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt (ebenso VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 73; U.v. 24.1.2018 – A 11 S 1265/17 – juris Rn. 103).
c) Zuletzt bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass dem Kläger in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohen würden, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Individuell im Sinne der Vorschrift sind schädigende Eingriffe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richten, wenn der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung für Leben oder Unversehrtheit ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12 – juris Rn. 30; U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 35, 43). Der notwendige Grad willkürlicher Gewalt wird dabei umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 39; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 193). Solche Umstände können sich beispielsweise aus dem Beruf des Schutzsuchenden – etwa als Arzt oder Journalist – sowie aus dessen religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit ergeben.
Für die Person des Klägers sind keine derartigen gefahrerhöhenden Umstände ersichtlich. Eine Berücksichtigung der angeblichen Homosexualität muss auch an dieser Stelle bereits deshalb ausscheiden, weil das Gericht die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers nicht für glaubhaft erachtet. Nichts anderes geht im Hinblick auf das klägerische Vorbringen, dass es sehr schwierig sei, als Hazara in Afghanistan zu leben. Wie bereits dargelegt, bestehen nach gegenwärtiger Auskunftsklage keine Anhaltspunkte für zielgerichtete Gewalthandlungen gegen Angehörige dieser Volksgruppe; es findet namentlich auch keine Gruppenverfolgung der Hazara statt.
Liegen – wie im Fall des Klägers – keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist für die nach der Vorschrift notwendige Individualisierung der allgemeinen Gefahrenlage ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Dieses wird durch eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl sowie eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials bestimmt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.). In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher war Gewalt eines Jahres – ein Risiko von 1:800 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.) bzw. 1:1.000 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 11.10 – juris Rn. 20 f.), verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Gefahrenprognose nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei der Rückkehr, für dessen Bestimmung in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird, maßgeblich ist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 13). Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 100; U.v 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 202).
In dem hier zu entscheidenden Fall ist als maßgebliche Herkunftsregion des Klägers und damit als sein Ziel bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Provinz Ghazni anzusehen. Dort hat der Kläger bis zu seiner Ausreise zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern gelebt. Auch ist die Familie nach Auskunft des Klägers bis heute in ihrem Heimatdorf … in der Provinz Ghazni ansässig. In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger außerdem seinem bisherigen Vorbringen entgegengetreten, wonach er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe und diese in nicht mehr aufnehmen werde; tatsächlich stehe er alle ein bis zwei Monate in Kontakt zu seiner Familie und vermisse diese sehr.
Das in der Provinz Ghazni vorherrschende Gewaltausmaß ist jedoch für die Annahme einer tatsächlichen Gefahr für den Kläger, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, nicht ausreichend. Zwar gilt Ghazni als relativ volatile Provinz (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 130). Die Gesamteinwohnerzahl wird gegenwärtig auf 1.315.041 geschätzt (vgl. EASO, Afghanistan Security Situation, Juni 2019, S. 128). Im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 registrierte UNAMA in der Provinz insgesamt 653 zivile Opfer, davon 253 Getötete und 400 Verletzte, wobei im Vergleich zum Vorjahr 2017 ein Anstieg um 84% zu verzeichnen war (vgl. UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Februar 2019, S. 67). Das gesamte Risiko, verletzt oder getötet zu werden, lag demnach im Jahr 2018 bei rund 0,05% und damit erheblich unterhalb des Risikobereichs von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%), der nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass selbst bei einem übrigen unterbliebenen wertungsmäßigen Gesamtbetrachtung nicht mehr von einer individuellen Bedrohungslage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgegangen werden kann.
Eine andere Bewertung wäre auch dann nicht angezeigt, wenn man für das zugrunde gelegte Datenmaterial der UNAMA aufgrund einer darin nicht abgebildeten Dunkelziffer von dem Erfordernis einer Korrektur ausgehen sollte. So ist etwa zu lesen, das Zahlenmaterial der UNAMA sei nur begrenzt aussagefähig, weil zivile Opfer zum einen nur dann gelistet würden, wenn das betreffende Ereignis von drei unabhängigen, überprüfbaren Quellen bestätigt werde und der Opferbegriff zum anderen auf physisch Verletzte und Getötete beschränkt sei (so etwa Stahlmann, Gutachten an das VG Wiesbaden v. 28.3.2018, S. 177). Zwar steht die Kammer einer derartigen Korrektur schon in Ermangelung einer geeignet erscheinenden Vorgehensweise durchaus kritisch gegenüber. Selbst bei Heranziehung eines „Sicherheitszuschlags“ in Form einer Verdreifachung der von der UNAMA verzeichneten Anzahl getöteter und verletzter Zivilpersonen (in diese Richtung: NdsOVG, B.v. 7.9.2015 – 9 LB 98/13 – juris Rn. 65; HessVGH, U.v. 20.1.2014 – 8 A 119/12.A – juris Rn. 40) läge das Risiko, in der Provinz Ghazni getötet oder verletzt zu werden, im Jahr 2018 bei etwa 0,15% und damit nur knapp oberhalb des Referenzwerts von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%).
Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das in der Provinz Ghazni vorherrschende Gewaltniveau hinter den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG an eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von Zivilpersonen zurückbleibt (s. etwa VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 206 ff.; BayVGH, B.v. 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris Rn. 9).
3. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots. Ein solches ergibt sich in dem hier zu entscheiden Fall weder aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK noch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Es fehlt an den Voraussetzungen für die Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Einer Abschiebung des Klägers nach Afghanistan stehen weder besondere, in seiner Person liegende Umstände noch die im Abschiebungszielstaat vorherrschende Sicherheitslage entgegen. Ein Abschiebungsverbot ergibt sich überdies nicht aufgrund der dort vorzufindenden schlechten humanitären Bedingungen.
Zwar können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat grundsätzlich eine unmenschliche Behandlung des Klägers im Sinne des Art. 3 EMRK begründen. Fehlt es aber – wie hier – an einem verantwortlichen Akteur, so ist ein außergewöhnlicher Fall notwendig, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind; dafür reicht es noch nicht aus, wenn im Fall eine Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde (EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – BeckRS 2008, 18198 Rn. 42; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 22; B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 6). Für die Prüfung der humanitären Verhältnisse ist dabei grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, wobei zunächst die Umstände an dem Ort maßgeblich sind, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26).
Insoweit verkennt das Gericht nicht, dass sich die humanitäre Lage sowohl in Afghanistan generell als auch in … als regelmäßigem Endort der Abschiebung als durchaus besorgniserregend darstellt. So zählt Afghanistan zu den ärmsten Ländern der Welt und belegte im Jahr 2018 Platz 168 von 189 beim Index der menschlichen Entwicklung (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 27). Der Bevölkerungsanteil derjenigen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, stieg im Vergleich zu den Jahren 2011/2012 von 38,3% auf etwa 55% in den Jahren 2016/2017 an (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20). Die Arbeitslosenquote wird in den verschiedenen Quellen unterschiedlich eingestuft (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 28: 11,2% im Jahr 2017; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20: 24% in den Jahren 2016/2017; Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 358: über 40% erwerbslos oder unterbeschäftigt). Besonders Kabul ist durch eine große Anzahl von Binnenflüchtlingen (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.037 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 15) und Rückkehrern (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.912 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 22) stark überlaufen.
Gleichwohl geht das Gericht davon aus, dass für alleinstehende, erwerbsfähige und gesunde junge Männer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan selbst dann keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung besteht, wenn diese der Volksgruppe der Hazara angehören und weder über ein soziales Netzwerk in Afghanistan noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder nennenswertes Vermögen verfügen. Die Kammer schließt sich insoweit der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung an (aus neuerer Zeit etwa: BayVGH, B.v. 3.9.2019 – 13a ZB 19.33043 – juris Rn. 6; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 34; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 55; OVG NRW, B.v. 17.9.2018 – 13 A 2914/18.A – juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 336 ff.). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch der UNHCR diese Einschätzung teilt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 125).
Gerade auch unter Einbeziehung der in der Person des Klägers begründeten Einzelfallumstände sowie des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass es diesem bei einer Rückkehr nach Afghanistan gelingen wird, sein Existenzminimum sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf, wo seine Mutter und seine Geschwister leben, auf die Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk zurückgreifen kann und die Familie noch dazu eine eigene Landwirtschaft betreibt. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan von seiner Familie aufgenommen werden wird und – wie bereits vor seiner Ausreise – in der familieneigenen Landwirtschaft tätig werden kann. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, er stehe noch immer in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie und vermisse diese sehr; von seinem im Schreiben vom 30. November 2017 enthaltenen Vorbringen, wonach es aufgrund der angeblichen Homosexualität zum Bruch mit der Familie gekommen sei, hat sich der Kläger ausdrücklich distanziert. Selbst für den Fall, dass der Kläger keine Möglichkeit haben sollte, seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft der Familie zu bestreiten, wird es ihm nach der Überzeugung der Kammer gelingen, eine andere Arbeit zu finden. Bereits vor seiner Ausreise ist der Kläger eigenen Angaben zufolge als Arbeiter auf Baustellen tätig gewesen und konnte dadurch erste berufliche Erfahrungen außerhalb der Landwirtschaft sammeln. Während seines Aufenthalts in Deutschland hat der Kläger außerdem den Mittelschulabschluss erworben, verschiedene Berufspraktika absolviert und zuletzt eine Ausbildung als Stuckateur aufgenommen. Nach alledem verfügt der Kläger – vor allem im Hinblick auf seine Ausbildung und seine berufspraktischen Erfahrungen – auf dem afghanischen Arbeitsmarkt über eine vergleichsweise privilegierte Stellung. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im jugendlichen Alter von 16 Jahren den Fluchtweg aus Afghanistan nach Deutschland eigenständig und ohne Begleitung von Angehörigen bewältigt und damit ein nicht unerhebliches Maß an Selbständigkeit bewiesen hat.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch das in der …stadt … als voraussichtlichem Endort der Abschiebung vorherrschende Gewaltausmaß noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine den Grundsätzen des Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung des Klägers begründet. Insbesondere rechtfertigt dieses noch nicht die Annahme der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften individuellen Schadens. So verfügt die Provinz Kabul derzeit über rund 4 bis 6 Mio. Einwohner (vgl. EASO, Afghanistan Security Situation, Juni 2019, S. 67). Im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 registrierte UNAMA 1.866 zivile Opfer, darunter 596 Getötete und 1.270 Verletzte (vgl. UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Aremed Conflict, Februar 2019, S. 67). Daraus ergibt sich für das Jahr 2018 – selbst unter Zugrundelegung der geringsten Einwohnerzahl von 4 Mio. Menschen – ein Schadensrisiko von etwa 0,047%, was jedenfalls deutlich unter dem von der Rechtsprechung herangezogenen Referenzwert von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) liegt.
Ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wird im Übrigen nicht etwa deshalb anzunehmen sein, weil verschiedene Quellen von einer ablehnenden Haltung gegenüber Rückkehrern aus Europa, etwa in Form von Misstrauen seitens der örtlichen Gemeinschaft oder durch Behörden sowie Übergriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen berichten (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 51 f.). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch der Kläger als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland erkannt und ihm deshalb zwangsläufige Nachteile – etwa bei der Suche nach einer Wohnung oder einer Arbeitsstelle – entstehen würden, vermag das Gericht jedoch nicht festzustellen (ebenso VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 484). Gegenteiliges ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts auch nicht aus einer jüngst von der Sozialwissenschaftlerin Stahlmann durchgeführten Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen (zur Veröffentlichung vorgesehen in Asylmagazin 2019, 276 ff.). Insbesondere kann aus den Ergebnissen dieser Studie noch nicht der Schluss gezogen werden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung infolge von Gewalt, Arbeits- oder Wohnungslosigkeit widerfahren wird. Es erscheint bereits höchst fraglich, inwiefern diese Studie geeignet ist, ein realistisches Bild von der Lebenssituation aus Europa abgeschobener Afghanen abzubilden, da von den 547 Männern, die zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschoben wurden, lediglich Informationen zu 55 Betroffenen dokumentiert werden konnten (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2019, 276/277). Betrachtet man die in der Studie ermittelten Zahlen im Verhältnis zur Gesamtzahl der in dem oben genannten Zeitraum abgeschobenen Männer, so beläuft sich die Anzahl derjenigen, die erwiesenermaßen von speziell gegen Rückkehrende gerichteter Gewalt betroffen waren auf rund 3,1% (von den in diesem Zusammenhang 31 Befragten hatten 17 entsprechende Gewalterfahrungen gemacht, vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2019, 276/278) und die Anzahl derjenigen, die erwiesenermaßen von Obdachlosigkeit betroffen waren, auf rund 1,6% (von den in diesem Zusammenhang 49 Befragten waren neun von Obdachlosigkeit betroffen, vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2019, 276/284).
b) Zuletzt muss im konkreten Fall des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheiden. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei vor allem existenzielle Gefahren durch Tötung, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie insbesondere Krankheit erfasst werden, die dem Ausländer aufgrund seiner persönlichen Situation drohen.
(1) Eine solche erhebliche konkrete Gefahr droht dem Kläger zunächst nicht aufgrund seines gesundheitlichen Zustands. Wie § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klarstellt, besteht eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
Die vom Kläger als Folge eines Verkehrsunfalls am 19. Oktober 2015 erlittenen Verletzungen stellen schon deshalb keine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung dar, weil davon ausgegangen werden kann, dass diese zwischenzeitlich vollständig verheilt sind. Wie aus dem in der Behördenakte enthaltenen Arztbrief des Klinikums … vom 3. November 2015 hervorgeht, wies der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt einen erfreulichen posttraumatischen Verlauf ohne etwaige Komplikationen auf. Soweit darin der vom Kläger im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt geschilderte Verkehrsunfall in Afghanistan thematisiert wird, konnten auch diesbezüglich keine weiteren Pathologien festgestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund dieser Unfälle noch immer an gesundheitlichen Problemen leiden würde, sind demgegenüber gerade nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als der Unfall zwischenzeitlich mehr als vier Jahre zurückliegt und der Kläger bereits bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 30. August 2016 angab, sich deswegen nicht mehr in ärztlicher Behandlung zu befinden. Dessen ungeachtet wären die sich hieraus ergebenden Unfallfolgen wohl auch in Afghanistan behandelbar, zumal der Kläger angab, sich bereits wegen des in Afghanistan erlittenen Unfalls in ärztlicher Behandlung gefunden zu haben. Dass die dort zur Verfügung stehende medizinische Versorgung möglicherweise hinter derjenigen in Deutschland zurückbleibt, ist nach der gesetzlichen Wertung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG unerheblich.
Des Weiteren folgt auch aus der psychischen Verfassung des Klägers keine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen. Namentlich bei der leichten Intelligenzminderung bzw. Lernbehinderung, wie sie sowohl der ärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Kinderund Jugendpsychiatrie Dr. … vom 5. November 2015 als auch in dem nervenärztlichen Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. … vom 25. Februar 2016 festgestellt wurde, handelt es sich nicht um eine schwerwiegende, den Kläger erheblich beeinträchtigende Erkrankung. So geht insbesondere das zuletzt genannte Gutachten davon aus, dass der Kläger zu einer freien Willensbildung und Willensäußerung in der Lage sei und es ihm in absehbarer Zeit gelingen werde, ein eigenständiges Leben zu führen. In Anbetracht dieser Umstände hat auch das Amtsgericht … die für den Kläger angeordnete Betreuung mit Beschluss vom 1. Februar 2018 aufgehoben. Die Kammer geht mithin davon aus, dass der Kläger durch seine intellektuellen Einschränkungen allenfalls in sehr geringem Umfang in einer selbständigen Lebensführung und der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in Afghanistan beeinträchtigt werden wird. Dies gilt umso mehr, als es dem Kläger trotz seiner Probleme mit der deutschen Sprache gelungen ist, die Mittelschule erfolgreich abzuschließen und er außerdem verschiedene Berufspraktika absolviert und sogar eine Ausbildung als Stuckateur begonnen hat. Es ist nach alledem nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger deshalb in der Ausübung einer Tätigkeit in der Landwirtschaft der Familie oder als Hilfsarbeiter auf dem afghanischen Tagelöhnermarkt beeinträchtigt sein sollte. Soweit das Gutachten vom 5. November 2015 beim Kläger darüber hinaus eine depressive Anpassungsstörung festgestellt hat, erscheint diese Diagnose aus verschiedenen Gründen nicht mehr aktuell. Zum einen konnte die Diagnose in dem späteren nervenärztlichen Gutachten vom 25. Februar 2016 nicht mehr bestätigt werden. Zum anderen wurde die depressive Anpassungsstörung in erster Linie auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Überforderungssituation des Klägers, der nach seiner Flucht aus Afghanistan in einem ihm fremden Land gelebt und die Landessprache nicht beherrscht habe, zurückgeführt. Von einer solchen Überforderungssituation kann indessen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr ausgegangen werden. So ist der Kläger zwischenzeitlich – was auch die mündliche Verhandlung gezeigt hat – der deutschen Sprache zumindest in Grundzügen mächtig. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger außerdem gelungen, den Mittelabschluss zu erzielen, verschiedene Praktika zu absolvieren und sogar eine Berufsausbildung zu beginnen.
(2) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird schließlich nicht durch die in Afghanistan allgemein vorherrschenden schlechten Lebensbedingungen begründet.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind solche Gefahren, denen die gesamte Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung kann in diesen Fällen jedoch in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise Abschiebungsschutz beansprucht werden, wenn der Ausländer aufgrund der im Abschiebungszielstaat herrschenden Lebensbedingungen – namentlich der dortigen wirtschaftlichen Existenzbedingungen und der damit zusammenhängenden Versorgungslage – mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Diese Gefahren müssen im konkreten Einzelfall nach Art, Ausmaß und Intensität von solchem Gewicht sein, dass sich daraus für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden, wobei ein im Vergleich zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhter Maßstab anzulegen ist und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren müssen (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 38; U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – juris Rn. 22 f.).
In dem hier zu entscheidenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die mit hoher Wahrscheinlichkeit den Eintritt einer solchen extremen Gefahrenlage alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Afghanistan nahelegen würden. In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht auf die Reisewarnung des Auswärtigen Amts berufen. Einer solchen vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung kommt namentlich keine Indizwirkung für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu, bei der in verfassungskonformer Auslegung dieser Regelung ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht anzunehmen ist (BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.10 – juris Rn. 6). Die beim Erlass einer solchen Reisewarnung zugrunde gelegten rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- und Sicherheitslage sind nicht identisch mit denjenigen, anhand derer sich das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bemisst. So richtet sich die Reisewarnung in erster Linie an deutsche Staatsangehörige, die nach Afghanistan reisen wollen, und stellt dabei auf deren spezifische Gefährdung ab. Für den konkreten Fall des Klägers hingegen wurde in den vorstehenden Ausführungen dargestellt, dass diesem weder aufgrund persönlicher Umstände noch aufgrund der schlechten humanitären Lage in Afghanistan eine den Vorgaben des Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht. Schon gar nicht würde dieser bei einer Rückkehr nach Afghanistan in Ermangelung jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod preisgegeben.
4. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auch die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung einschließlich der damit verbundenen Zielstaatsbestimmung zu Recht ergangen. Die Abschiebungsandrohung hat ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Nach § 38 Abs. 1 AsylG hatte die Beklagte dem Kläger eine Ausreisefrist von 30 Tagen zu setzen.
5. In rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist schließlich das in Ziffer 6 des Bescheids auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot.
Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach den Vorschriften der Richtlinie 2008/115/EG jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, nicht aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung – wie sie in der im Zeitpunkt des Bescheiderlasses gültigen Regelung des § 11 Abs. 1 AuftenthG a.F. enthalten war – eintreten kann, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71). Auf diese unionsrechtlichen Vorgaben hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber mit einer Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl. I 1294) reagiert und darin festgelegt, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot einer gesonderten Anordnung bedarf, zu der nach § 75 Nr. 12 AufenthG im Zusammenhang mit einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge berufen ist.
Die damit geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer wird in unionsrechtskonformer Auslegung aber regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG gesehen werden können (BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Spezifische Ermessensfehler, auf deren Überprüfung das Gericht an dieser Stelle gemäß § 114 Satz 1 VwGO beschränkt ist, sind insoweit nicht zu ersehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.