Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und kein subsidiärer Schutz

Aktenzeichen  M 32 K 17.44340

Datum:
18.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55930
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Es ist zu Lasten des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich, dass ihm bei seiner Rückkehr nach Pakistan eine individuelle Verfolgung oder Gruppenverfolgung droht. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Darüber hinaus droht dem Kläger bei Rückkehr nach Pakistan kein ernsthafter Schaden.  (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagtenseite ordnungsgemäß geladen worden war (die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 auf die Einhaltung der Ladungsfrist und die förmliche Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet) und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Nach § 88 VwGO ist das Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass der Kläger mit einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt. Ein Antrag auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG wäre mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Kläger sich hierauf nicht zuvor gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegenüber dem Bundesamt berufen hat und daher insoweit keine Veranlassung für eine Klage besteht. Die Absätze 3, 4 und 6 des § 60 AufenthG beinhalten keine eigenen Abschiebungsverbote, auf die sich der Kläger berufen könnte, sondern regeln vielmehr, welche Umstände einer Abschiebung nicht entgegenstehen oder befassen sich mit einer hier nicht streitgegenständlichen Auslieferung. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger mit den durch seinen Prozessbevollmächtigten gestellten Anträge die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt und dabei lediglich veraltete Vorschriften zitiert wurden, in denen zuvor das Klagebegehren gesetzlich geregelt war.
Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Insbesondere ist die Klage fristgerecht erhoben worden. Eine ordnungsgemäße Zustellung unter der im Zustellungsschreiben sowie in der PZU genannten Adresse ist tatsächlich nicht erfolgt. Eine Zustellung unter dieser Adresse kann auch nicht fingiert werden, da die verwendete Adresse nicht mehr aktuell war und dies der Beklagten bekannt gewesen ist. Eine Bekanntgabe des Bescheids erfolgte damit nicht vor Ende April 2017 im Rahmen einer Vorsprache des Klägers bei der Beklagten, wobei der Bescheid jedoch keine Rechtsbehelfsbelehrung:enthielt, so dass gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Jahresfrist gilt.
Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch unter Einbeziehung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Ebenso wenig liegen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG). Die Klage war daher sowohl in Bezug auf den Hauptantrag, als auch in Bezug auf die Hilfsanträge abzuweisen.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzt wie folgt:
1. Ein Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz besteht nicht. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will
und kein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegt.“
Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren regeln die §§ 3a bis 3d AsylG.
Für die Beurteilung dieser Frage gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37). Der Vorverfolgte wird dabei privilegiert durch die – durch stichhaltige Gründe widerlegbare – Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung oder Schädigung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan individuelle Verfolgung oder Gruppenverfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG droht.
a. In Bezug auf die geltend gemachte Verfolgung durch seinen Onkel auf Grund der Landstreitigkeiten fehlt es schon an einem gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG flüchtlingsrechtlich relevanten Anknüpfungsmerkmal. Die beschriebenen Bedrohungen erfolgten nicht „wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“, sondern aus rein persönlichen Motiven. Abgesehen davon gehen die vom Kläger behaupteten Bedrohungen nicht von einem Verfolgungsakteur i.S.v. § 3c AsylG aus. Sie gehen weder vom Staat, noch von Parteien oder Organisationen aus, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staates beherrschen (§ 3c Nr. 1 und 2 AsylG). Zwar kann eine relevante individuelle oder Gruppenverfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren, wie seinem Onkel, ausgehen, sofern die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 4 Abs. 3 Satz 1, § 3c Nr. 3 AsylG). Die Furcht des Klägers vor seinem Onkel begründet dies jedoch nicht. Sollte der Kläger tatsächlich von diesem weiter bedroht werden, so muss er sich darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch. Es ist nicht ersichtlich, dass eine im Einzelfall möglicherweise fehlende Schutzbereitschaft des Staates Ausdruck einer grundsätzlichen Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit des pakistanischen Staates gegenüber Bedrohungslagen, wie sie der Kläger geschildert hat, wäre. Kein Staat ist in der Lage, lückenlosen Schutz vor kriminellen Übergriffen Dritter zu bieten. Dies wird – unter Hinweis auf bestehende Defizite – auch durch die vorliegenden Erkenntnismittel bestätigt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, 2018, S. 9f.).
b. Auch eine Verfolgung durch den Vorbeter der Moschee seines Dorfes bzw. durch seine Anhänger oder andere Mullahs auf Grund der Glaubenszugehörigkeit seiner Mutter und seines Bruders zu den Ahmadis sowie der anfangs vorgetragenen befürchteten Verheiratung mit einer Ahmadi rechtfertigt die Flüchtlingszuerkennung nicht. Zwar könnte er sich, obwohl er nach seinem Vortrag selber kein Ahmadi ist, gem. § 3b Abs. 2 AsylG auf den Verfolgungsgrund der Religion berufen, weil ihm dieses Merkmal seitens der Mullahs zugeschrieben worden sein soll. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, zu einer Heirat werde er, seit seine Mutter von seiner Homosexualität erfahren hätte, nicht mehr gezwungen. Jedoch beruft es sich weiter auf eine Bedrohung durch die Mullahs auf Grund seiner familiären Beziehung zu seiner Mutter, die er unterstützen müsse und an deren Seite er stehe.
Der Kläger ist jedoch weder bereits aufgrund der ihm zugeschriebenen Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft einer Gruppenverfolgung ausgesetzt, noch droht ihm bei einer Rückkehr nach Pakistan aufgrund besonderer gefahrerhöhender Umstände eine Individualverfolgung.
Der Kläger ist nicht bereits allgemein wegen der ihm zugeschriebenen Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft verfolgt.
Das Gericht geht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und unter Würdigung der aktuellen Erkenntnisse davon aus, dass Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan nicht allein wegen ihres Glaubens und der Praktizierung ihres Glaubens in ihren Moscheen einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind (vgl. VG München, U.v. 21.2.2019 – M 23 K 17.45403; VG München, U.v. 21.1.2019 – M 10 K 17.30585; VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570; VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 57 ff.; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 41; SächsOVG, U.v. 18.9.2014 – A 1 A 348/13 – juris Rn. 43). Dies muss erst recht für den Kläger gelten, der persönlich gar kein Angehöriger des Ahmadiyya-Glaubens ist, sondern dem diese Eigenschaft nur durch seine Verfolger zugeschrieben wird. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Bedingungen zulasten Angehöriger der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft wesentlich verschlechtert haben, sind nicht vorgetragen und sind auch den aktuellen Erkenntnismitteln, die Gegenstand des Verfahrens sind, nicht zu entnehmen. Der Kläger hat auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich unter Berücksichtigung insbesondere der erforderlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gegenteilige Würdigung ergeben könnte. Das Gericht sieht auch anlässlich der jüngeren Entwicklungen keinen Anlass, zu einer gegenteiligen Bewertung zu kommen. Weder ergibt sich eine solche aus den Erkenntnissen einzelner jüngerer Ereignisse noch aus der Gesamtschau jener.
Der Kläger hat auch keine individuelle Vorverfolgung dargelegt. Die von ihm geschilderten Vorfälle in Pakistan (Anfeindungen seitens sunnitischer Mullahs und anderer Dorfbewohner, Besuch durch Anhänger des Vorbeters verbunden mit Drohungen, die Familie aus dem Dorf zu vertreiben) sind nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte und damit eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG darstellen würden. Es fehlt insoweit an der zur Annahme eines Verfolgungstatbestands erforderlichen Intensität. Insbesondere ist hier relevant, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung aussagte, dass seine Familie weiterhin im besagten Dorf wohnhaft sei.
Auch eine Individualverfolgung des Klägers infolge besonderer gefahrerhöhender Umstände ist für das Gericht nicht erkennbar geworden. Insbesondere gehört der Kläger – selber kein Ahmadi, sondern nur Familienangehöriger von Ahmadis – nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 VwGO) somit nicht zum Kreis der Ahmadis, für die die Praktizierung ihres Glaubens gerade in der Öffentlichkeit und das öffentliche Werben für ihren Glauben ein unverzichtbares Element ihrer religiösen Identität ist und die deshalb in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt sind (vgl. zum Ganzen VGH BW, U.v. 12.6.2013 – A 11 S 757/13 – juris Rn. 116; VG Augsburg, U.v. 18.1.2019 – Au 3 K 16.31570 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.).
c. Schließlich kann die vom Kläger – als wichtigster – Verfolgungsgrund genannte Homosexualität keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen.
Zwar bilden homosexuell veranlagte Menschen in Pakistan eine soziale Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Denn es ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln unzweifelhaft, dass homosexuelle Personen in Pakistan als „andersartig“ betrachtet werden (Auswärtiges Amt, Bericht über die abschiebe- und asylrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, 2018, S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Pakistan: Situation von Homosexuellen, Stand: 11.6.2015, S. 6). Das Merkmal der sexuellen Orientierung kann zudem als verbindendes Element einer Gruppe im Sinne der genannten Vorschrift gelten (EuGH, U.v. 7.11.2013 – Rs. C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 49; VGH BW, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1872/12 – juris Rn. 34 ff.).
Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich homosexuell ist. So hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu seiner sexuellen Orientierung und seiner Beziehung mit seinem Verlobten hinreichende Angaben machen können. Auch hat er in überzeugender Weise die geplante Heirat unter Vorlage der Liste der dafür erforderlichen, vom Standesamt Pasing genannten Unterlagen glaubhaft gemacht.
Jedoch wird der Kläger wegen seiner sexuellen Orientierung in Pakistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Opfer von Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG werden.
Ihm droht keine staatliche Verfolgung im Sinne von § 3c Nr. 1 AsylG, und zwar weder in Form einer Gruppen- noch einer Individualverfolgung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach denen homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, allein nicht als Verfolgungsmaßnahme qualifiziert werden. Dagegen kann eine Freiheitsstrafe, wie sie § 377 Pakistanisches Strafgesetzbuch (PCC) androht, für sich alleine eine Verfolgungshandlung sein. Allerdings gilt dies nur für den Fall, dass sie auch tatsächlich verhängt wird (EuGH, U.v. 7.11.2013 – Rs. C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 55 f., 79). Denn nur dann ist sie eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung und damit Verfolgungshandlung.
Nach Auswertung der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel stellt sich die strafrechtliche Situation für homosexuelle Männer in Pakistan wie folgt dar: Homosexualität ist gemäß § 377 PCC als „gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr“ verboten. Für eine Verurteilung ist jedoch der Nachweis des Geschlechtsakts zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt in der Regel zwei bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen lebenslange Freiheitsstrafe (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 15). Dabei sind dem Auswärtigen Amt keine Strafverfahren gegen männliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Ebene unterhalten, bekannt. Laut der Analyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Pakistan: Situation von Homosexuellen, Stand: 11.6.2016, S. 2) sind seit der vorigen Auskunft (Stand Juni 2012) wenig neue Verhaftungen und Verurteilungen aufgrund von § 377 PCC bekannt geworden. Bezüglich der beiden noch in der Auskunft vom Juni 2012 erwähnten Personen, die 2011 in Multan angeklagt worden seien, seien die Klagen fallen gelassen worden. Auch andere Verfahren seien außergerichtlich geregelt worden. Amnesty International hat ebenfalls keine Fälle der Anwendung von § 377 PCC dokumentiert (Amnesty International an VG Wiesbaden zur Situation von Homosexuellen und Transgender, 2.10.2012, S. 1). Nach der EASO Herkunftsländerinformationen, Pakistan, Länderüberblick (Stand: August 2015, S. 113) kommt § 377 PCC selten zum Einsatz. Berichte über verhängte Freiheitsstrafen finden sich nicht.
Damit kommt nach Einschätzung des Gerichts die von § 377 PCC angedrohte Freiheitsstrafe in der Praxis in Pakistan in einem Fall wie dem vorliegenden nicht beachtlich wahrscheinlich zur Anwendung. Es lässt sich den zitierten Quellen gerade nicht entnehmen, dass es regelmäßig zu strafrechtlichen Verurteilungen allein aufgrund von Homosexualität kommt. Auch wenn in Einzelfällen Verhaftungen dokumentiert wurden, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von ernsthaftem Schaden bedroht ist. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur Gesamtzahl an homosexuellen Personen in Pakistan bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 200 Millionen Menschen zu gering (VGH BW, U.v. 26.10.16 – A 9 S 908/13 – juris Rn. 42 ff. zu Gambia). Es sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, dass der Kläger abweichend von der allgemeinen Situation für Homosexuelle bei seiner Rückkehr einer besonderen Gefahr von Strafverfolgung ausgesetzt wäre.
Anders könnte dies zu beurteilen sein für Fälle, in denen homosexuelle Personen in Pakistan ihre Neigung besonders offensichtlich und exponiert – auch und gerade in der Öffentlichkeit und für jeden erkennbar und bemerkbar und damit in besonderem Maße anstößig im Sinne der pakistanischen Gesellschaftsordnung ausleben. Für diese ist möglicherweise die Gefahr, angeklagt und verurteilt zu werden, erhöht. Dabei ist davon auszugehen, dass je mehr ein Schutzsuchender mit seiner sexuellen Orientierung in die Öffentlichkeit tritt, und je wichtiger dieses Verhalten für seine Identität ist, desto mehr dies die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung erhöht (VGH BW, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1872/12 – juris Rn. 55). Es darf nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 7.11.2013 – Rs. C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 65 ff.) von einem Asylbewerber zwar nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität im Heimatland geheim hält oder sich beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung zurückhält, um eine Verfolgung zu vermeiden. Jedoch ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der Kläger seine Homosexualität in Pakistan auch ausleben kann, ohne Opfer von asylrelevanter staatlicher Verfolgung zu werden. So hat der Kläger nach eigenen Angaben in Pakistan eine 4-5 Jahre lange Beziehung zu einem Mann gehabt. Auch das Sub e.V. berichtet, dass in Pakistan zwar eine Schwulen-Szene, wie es diese in Deutschland gebe, nicht existiere, jedoch bekannte Cruising-Orte gebe, an denen sich Männer kennenlernen könnten. Dort habe der Kläger auch immer wieder Männer kennengelernt. Zwar lebt der Kläger seine Sexualität derzeit wohl teilweise öffentlich aus, jedoch hat er sie in der Vergangenheit in Pakistan nur im Geheimen gelebt und würde sie im Fall einer Rückkehr nach Einschätzung des Gerichts auch wieder außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung tun. Im Rahmen der ausführlichen informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung antwortete der Kläger auf wiederholtes Nachfragen des Gerichts, ob es ihm wichtig sei, in der Öffentlichkeit seine Sexualität und seinen Beziehungsstatus zeigen zu können, dass ihm dies nicht so wichtig sei. Insbesondere sei ihm wichtig, dass sein Partner es wisse. Auch auf die Frage, ob es für ihn ein emotionales Problem darstellen würde, wenn er seine sexuelle Orientierung ab jetzt im Geheimen ausleben müsste und nicht nach außen tragen könnte, antwortete er, nein das wäre für ihn kein Problem. Ihm sei egal, ob es viele Leute wissen oder wenige. Auch auf seinem Facebook-Profil hat er weder Fotos seines Partners, noch gibt er zu erkennen, dass er mit ihm in einer Beziehung ist. Daher kommt das Gericht zu der Einschätzung, dass ein nach-außen-Tragen seiner sexuellen Orientierung, also ein offensives Ausleben auch gerade in der Öffentlichkeit für den Kläger gerade kein wesentlicher Bereich seiner Identität ist. Daher ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr seine Sexualität nicht öffentlich machen würde und dies nicht primär deshalb, um einer Verfolgung zu entgehen, sondern, weil es ihm nach eigenen Angaben egal bzw. nicht so wichtig ist. Unter Berücksichtigung der Auskunftslage geht das Gericht daher davon aus, dass in solchen Fällen allein in der Strafandrohung des § 377 PCC nicht beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG liegt (a.A. VG Augsburg, U.v. 31.10.2014 – Au 3 K 14.30222 – juris Rn. 59 ff., allerdings noch unter Zugrundelegung der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Juni 2012).
Dem Kläger droht auch keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure. Eine Vorverfolgung hat er nicht geltend gemacht. Das Gericht weist darauf hin, dass nicht jede von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende Diskriminierung oder Ausgrenzung eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG darstellt. Erkenntnisse, dass die einem Homosexuellen von nichtstaatlichen Akteuren drohenden Menschenrechtsverletzungen beachtlich wahrscheinlich den Schweregrad einer Verfolgung im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG erreichen, liegen nicht vor. Soweit er allgemein eine Bedrohung seitens islamischer Organisationen oder einzelner Personen fürchtet, müsste er darüber hinaus auf internen Schutz zurückgreifen.
d. Unter Zugrundelegung des gesamten Vorbringens stünde dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan auch eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.
Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 19) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land leben; selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.254 km², über 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014). Gemäß der Auskunft von Accord vom 5. Februar 2015 führt der Ermittlungsbericht des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Islamabad vom Juli 2013 aus, dass selbst eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban fliehe, durchaus in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab Zuflucht finden könne. Hinsichtlich der Sicherheit würden in Pakistan – schon aufgrund der Größe des Landes – interne Fluchtalternativen bestehen (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative: VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 50 ff; VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 46 m.w.N.; U.v. 12.6.15 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21ff. m.w.N.).
Diese Möglichkeit internen Schutzes steht hier auch dem Kläger als Homosexuellem, dem es kein innerliches Bedürfnis ist, seine Sexualität nach außen zu tragen, und der mit Ahmadis verwandt ist und dem die Zugehörigkeit zum Ahmadiyya-Glauben zugeschrieben wird, zur Verfügung; individuelle Ausschlussgründe ergeben sich insoweit weder aus Gründen der Sicherheit noch aus wirtschaftlichen Zwängen.
Homosexualität ist in Pakistan zwar nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 19). Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 20) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität unbehelligt leben. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger homosexuell veranlagt ist. Denn es ist auch insoweit eine konkrete Verfolgungsprognose unter Gesamtwürdigung des Einzelfalls, der Person des Klägers, seinem gesellschaftlichen Leben und einer individuellen Gefahrenprognose vorzunehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass je mehr ein Schutzsuchender mit seiner sexuellen Orientierung in die Öffentlichkeit tritt, und je wichtiger gerade dieses Verhalten für seine Identität ist, desto mehr dies die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung erhöht (VGH BW, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1872/12 – juris Rn. 55). Nach Auskunftslage können homosexuelle Menschen in Großstädten wie Lahore, Karachi und Islamabad relativ unbehelligt leben. Zwar könne man sich in Pakistan nicht offen dazu bekennen, homosexuell zu sein, diese Großstädte seien aber liberaler und aufgeschlossener (EASO Herkunftsländerinformationen, Pakistan, Länderüberblick, 2015, S. 114). Unter Berücksichtigung des oben Gesagten – dass nach Einschätzung des Gerichts ein nach-außen-Tragen der sexuellen Orientierung, also ein offensives Ausleben auch gerade in der Öffentlichkeit für den Kläger gerade kein wesentlicher Bereich seiner Identität ist und daher davon auszugehen ist, dass er bei einer Rückkehr seine Sexualität nicht öffentlich machen würde – die Gefahr, dass er auf Grund seiner sexuellen Orientierung einen ernstlichen Schaden erleidet, vor diesem Hintergrund in einer der genannten Metropolen für das Gericht nicht beachtlich wahrscheinlich ist.
Es ist zu erwarten, dass der Kläger auch in Bezug auf die Verbindung zu Ahmadis in den Großstädten hinreichend geschützt ist, zumal der Kläger nicht exponiert oder landesweit bekannt. Es sind unter Zugrundelegung der vorgenannten Erkenntnismittel hier auch keine durchgreifenden Hindernisse für eine Person in der Lage des Klägers ersichtlich, im Falle von unmittelbaren Anfeindungen und Übergriffen im persönlichen Umfeld seinen Wohnort zu wechseln, um ein verfolgungsfreies Leben führen zu können.
Auch kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a.E. AsylG). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Großstädten Pakistans bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Mit Blick auf die Zumutbarkeit innerstaatlicher Schutzalternativen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem Betroffenen nur dann vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn er am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Im Falle fehlender Existenzgrundlage ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben; dies gilt auch dann, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Für die Frage, ob der Betroffene vor Verfolgung sicher ist und eine ausreichende Lebensgrundlage besteht, kommt es danach allein auf die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet und die persönlichen Umstände des Betroffenen an (BVerwG, U.v. vom 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 32). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum in aller Regel dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24/06 – juris Rn. 11).
Zwar ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Situation in Pakistan schwierig, aber dennoch relativ stabil ist. Insbesondere in den Städten, die hier als verfolgungsfreier Landesteil zur Verfügung stehen, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Home Office, Pakistan: Background Information, including actors of protection and internal relocation (Independent Advisory on Country Information (IAGCI) – Home Office, Inländische Fluchtalternative), Juni 2017, S. 35 f.; EASO Herkunftsländerinformationen, Pakistan, Länderüberblick, 2015, S. 43). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener, arbeitsfähiger Mann mittleren Alters, mit einer 12-jährigen Schulbildung und Berufserfahrung als Privatlehrer, im Servicebereich eines Hotels und in der Gastronomie in einer pakistanischen Großstadt bzw. in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen kann. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Kläger, möglicherweise nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, gewissen Übergangszeiten und mit Hilfe durch sein familiäres Netzwerk seinen Lebensunterhalt eigenständig sicherstellen kann.
2. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach einer der Alternativen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG sind nicht gegeben.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei neben der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei muss die Art der Behandlung oder Bestrafung eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
Gemessen daran hat der Kläger nach dem oben Ausgeführten auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat erlitt er keinen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG; weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG drohen würde, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es droht ihm auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG (zu den Begriffen vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff.) durch einen Verfolgungsakteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) liegen nicht vor, da in Pakistan gegenwärtig kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt. Zum anderen weisen die dem Kläger in Pakistan drohenden allgemeinen Gefahren keine derart hohe Dichte bzw. keinen derart hohen Grad auf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist (zu den rechtlichen Maßstäben einschl. des lokalen Anknüpfungspunktes vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15,17,18; BayVGH, B.v. 9.1.2015 – 13a ZB 14.30449 – juris Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ist bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von über 200 Millionen Menschen in Pakistan das Risiko, als Zivilperson Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering (vgl. VG München, B.v. 29.1.2019 – M 32 K 16.35462 – noch nicht veröffentlicht; U.v. 21.1.2019 – M 32 K 16.35510 – noch nicht veröffentlicht; so auch bereits VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31121 – juris Rn. 58).
Im Übrigen steht dem Kläger – wie oben ausgeführt – die Möglichkeit internen Schutzes offen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).
3. Die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
a) Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – juris Rn. 8ff.) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen. Insbesondere sind zu nennen das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK) und das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK). Für die Frage, wie die Gefahr beschaffen sein muss, mit der die Rechtsgutverletzung droht, ist auf den asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zurückzugreifen.
Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis liegt nicht vor. In den Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) und eines nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 AsylG regelmäßig – so auch hier – die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 36).
b) Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer „konkreten“ Gefahr im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit der Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem muss eine auf den Einzelfall bezogene, individuell bestimmte und erhebliche, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretende Gefährdungssituation vorliegen und es muss sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst also nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden indes allein bei Entscheidungen über eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinn unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG kann ein Ausländer daher in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre oder sonst eine individuelle existenzielle Gefahr für ihn besteht. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 zu gewähren. Die Abschiebung muss somit ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert würde und sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren würden.
Hiervon ausgehend vermag das Gericht keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei seiner Rückkehr in sein Heimatland zu erkennen. Die von ihm zu Beginn des Asylverfahrens erwähnte Tuberkulose wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits in Deutschland behandelt und die Diabetes bedarf keiner ärztlichen Behandlung, da der Kläger wegen dieser in Deutschland noch nicht bei Arzt gewesen ist. Aktuelle Atteste wurden im Gerichtsverfahren nicht vorgelegt.
Der Kläger ist ein offenbar gesunder und arbeitsfähiger Mann mittleren Alters mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können.
4. Gegen die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG erfolgte ermessensgerecht. Die Länge der Frist liegt exakt in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens und begegnet keinen Bedenken. Besondere Anhaltspunkte für ein Abweichen liegen nicht vor. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts verwiesen.

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