Aktenzeichen W 8 S 20.31230
Leitsatz
Eine ernsthafte Gefahr aufgrund des Bergkarabach Konflikts droht den Antragstellern jedenfalls dann nicht, wenn sie die unmittelbare Konfliktregion meiden und sich an ihrem ursprünglichen Heimatort in der Region Armawir niederlassen. Die Kampfhandlungen erstrecken sich nach den vorliegenden Erkenntnissen insbesondere auf die Region Bergkarabach und das Grenzgebiet zu Aserbaidschan. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind armenische Staatsangehörige, armenischer Volkszugehörigkeit und armenisch-orthodoxen Glaubens. Sie reisten am 19. Dezember 2019 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland und stellten am 14. Januar 2020 Asylanträge.
Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für … gaben die Antragsteller im Wesentlichen an: Sie seien aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland gekommen, um sich behandeln zu lassen. Sonstige Gründe gebe es nicht. Vor ihrer Ausreise seien sie einfache Bauern gewesen und hätten in der Provinz Armawir gelebt. Dort hätten sie zusammen mit ihrem 21-Jährigen Sohn gelebt, der in der Landwirtschaft geholfen habe. Eine verheiratete Tochter lebe ebenfalls in Armawir. Ansonsten gebe es noch weitere Verwandte in Armenien und Russland.
Aufgrund litauischer Schengenvisa lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates für die Bearbeitung der Asylanträge der Antragteller nach der Dublin III-VO vor. Ein Dublin-Verfahren wurde eingeleitet und die Asylanträge der Antragsteller zunächst mit Bescheid vom 4. März 2020 als unzulässig abgelehnt. Eine Überstellung nach Litauen fand nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist statt.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2020 – den Antragstellern ausgehändigt am 2. November 2020 – hob das Bundesamt für … den Bescheid vom 4. März 2020 auf (Nr. 1 des Bescheides). Die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2), Asylanerkennung (Nr. 3) und Gewährung subsidiären Schutzes (Nr. 4) wurden als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 5) und die Abschiebung nach Armenien oder einen anderen Staat, in den die Antragsteller einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 6). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Am 5. November 2020 erhoben die Antragsteller im Verfahren W 8 K 20.31229 Klage und beantragten im vorliegenden Verfahren:
Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Armenien wird die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet.
Die Begründung erfolge in einem gesonderten Schriftsatz.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Armenien in Nr. 6 des Bescheides des Bundesamtes für … vom 23. Oktober 2020 ist zulässig, aber unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid, macht sich diese aus eigener Überzeugung zu Eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen im Bescheid decken sich mit der bestehenden Erkenntnislage, insbesondere mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 27. April 2020, Stand: Februar 2020; siehe auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien, 2.10.2020).
Das Vorbringen der Antragsteller rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die angesprochene persönliche Situation ist offensichtlich nicht asyl-, flüchtlings- oder sonst schutzrelevant, wie die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt hat.
Im Einzelnen:
1. Das Vorbringen der Antragsteller führt offensichtlich nicht zur Bejahung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), Asylanerkennung (Art. 16a GG) oder Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG).
Nach eigenem Sachvortrag war alleiniger Ausreisegrund die persönliche gesundheitliche Situation, insbesondere des Antragstellers zu 1). Dies stellt offensichtlich kein asyl-, flüchtlings- oder sonst schutzrelevantes Vorbringen dar (§ 30 Abs. 1 AsylG).
Auch die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach begründet nach Ansicht des Gerichts im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) für die Antragsteller offensichtlich nicht die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Die Kampfhandlungen erstrecken sich nach den vorliegenden Erkenntnissen insbesondere auf die Region Bergkarabach und das Grenzgebiet zu Aserbaidschan (vgl. Auswärtiges Amt, Reisewarnung Armenien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/armeniensicher-heit/201872; Stand: 9.11.2020). Ein landesweiter innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt in Armenien im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG liegt derzeit nicht vor und erstreckt sich insbesondere nicht auf die Region in der die Antragsteller vor ihrer Ausreise ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt hatten (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AsylG, 13. Aufl. 2020, § 4 Rn. 16). Eine ernsthafte Gefahr aufgrund des Bergkarabach Konflikts droht den Antragstellern jedenfalls dann nicht, wenn sie die unmittelbare Konfliktregion meiden und sich an ihrem ursprünglichen Heimatort in der Region Armawir niederlassen.
Im Hinblick auf die weltweite COVID-19-Pandemie fehlen dem Gericht im Übrigen bereits jegliche Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zugeordnet werden kann.
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ergeben sich insbesondere auch nicht im Hinblick auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armenien.
Das Gericht verweist auch insofern zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auszuführen:
a.) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist nicht gegeben. Insbesondere hat das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Oktober 2020 die derzeitige humanitäre Situation in Armenien ausführlich gewürdigt und ist auf etwaige Hilfsmöglichkeiten eingegangen. Darauf wird im Einzelnen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die humanitären Verhältnisse in Armenien stellen sich nicht generell als derartig defizitär dar, als dass aufgrund dessen unterschiedslos für alle Personen bzw. den Personenkreis, dem die Antragsteller angehören, von einer Verletzung von Art. 3 EMRK auszugehen ist. Insbesondere geht das Gericht im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt davon aus, dass die Antragsteller nach der Rückkehr in der Lage sein werden, sich eine Lebensgrundlage zumindest am Rande des Existenzminimums gegebenenfalls unter Inanspruchnahme des armenischen Sozialsystems sowie familiärer Unterstützung zu sichern. Die Antragsteller sind bei ihrer Rückkehr nicht auf sich allein gestellt bzw. nicht allein und ohne Unterstützung, vielmehr können sie auf ihr familiäres Netz zurückgreifen. Die Antragsteller haben zwei volljährige Kinder sowie diverse andere Verwandte in Armenien und Russland. Darüber hinaus sind die Antragsteller gehalten im Bedarfsfalle die Möglichkeiten des armenischen Sozialsystems auszuschöpfen (vgl. im Einzelnen: vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 2.10.2020, S. 40 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Armenien, Stand: Februar 2020, vom 27.4.2020, S. 18 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für … vom 21.12.2017).
Im Übrigen ist auf die möglichen Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Armenien nach dem REAG/GARP-Programm hinzuweisen. Damit ist die Finanzierung eines einfachen Lebensunterhalts in den ersten Monaten nach der Rückkehr nach Armenien grundsätzlich möglich. Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es den Antragstellern möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Armenien freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass den Antragstellern bei einer Rückkehr nach Armenien keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht.
Dies gilt auch für den Fall, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Armenien aufgrund der Auswirkungen der weltweiten COVID-19-Pandemie („Corona-Krise“) verschlechtern sollten.
Schlechte humanitäre Verhältnisse können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe zwingend sind (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Dass etwaige negative wirtschaftliche Auswirkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zu einer derart gravierenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Armenien führen werden, ist – auch vor dem Hintergrund der in Armenien ergriffenen Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen (vgl. WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Coronavirus: Situation in Armenien, Aktuelle Lage und Info-Update, Stand: 5.11.2020) und dem grundsätzlich vorhandenen Sozialsystem in Armenien – für das Gericht im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht ersichtlich.
b.) Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund ihrer persönlichen gesundheitlichen Situation.
Auch diesbezüglich ist zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid zu verweisen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Erkrankungen rechtfertigen zudem grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wie der Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich klargestellt hat. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG). Neben diesen materiellen Kriterien hat der Gesetzgeber zudem in § 60a Abs. 2c AufenthG prozedurale Vorgaben für ärztliche Atteste zur hinreichenden Substantiierung des betreffenden Vorbringens aufgestellt (vgl. Kluth, ZAR 2016, 121; Thym, NVwZ 2016, 409 jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Ausländer bzw. die Ausländerin muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
Die Antragsteller machen unter Vorlage diverser ärztlicher Atteste aus Armenien und Deutschland insbesondere geltend; für den Antragsteller zu 1): Zustand nach Aorta descendens-Ersatz bei Aortendissektion Typ B am 10. März 2020, Beinparese links bei spinaler Ischämie Th 6/7, Blasenparese, koronare Herzkrankheit Zustand nach PTCA (Perkutane transluminale Koronarangioplastie), arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes Mellitus Typ 2. Für die Antragstellerin zu 2): Zustand nach Herz-OP mit Korrektur der Vorhofscheidenwand 2012 bei angeborenem Herzdefekt, arterielle Hypertonie.
Zudem wurde beim Antragsteller zu 1) ausweislich des Attestes des Gesundheitszentrums B. W. vom 7. Mai 2020 am 15. April 2020 das SARS-CoV-2 Virus („Coronavirus“) festgestellt (Bl. 344 f. der Behördenakte).
Die Behandlung von Erkrankungen ist in Armenien grundsätzlich gewährleistet. Sie erfolgt auf primärer Ebene auch kostenlos, wenngleich die Verfügbarkeit von Medikamenten problematisch sein kann (vgl. zur medizinischen Versorgung Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Armenien vom 27. April 2020, Stand: Februar 2020, S. 19 ff.; ebenso BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien Gesamtaktualisierung vom 2.10.2020; ebenso MedCOI Country Fact Sheet Armenien, 22.2.2018).
Den Attesten sind keine Erkrankungen zu entnehmen, die nicht – wie bisher auch – in Armenien behandelt werden könnten. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zu 1) einer besonderen Behandlung und Nachsorge bedürfte, welche ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann. Die Operation der Aortendissektion des Antragstellers zu 1) erfolgte bereits am 10. März 2020. Die aktuellsten Atteste datieren auf den 26. Juni 2020. Diesen lässt sich kein akuter Behandlungsbedarf abgesehen etwaiger Nachsorgeuntersuchungen entnehmen. Es ist für das Gericht aufgrund der Erkenntnislage nicht ersichtlich, weshalb diese nicht auch in Armenien erfolgen können. Das Bundesamt hat in seinem Bescheid schon ausführlich die Situation der medizinischen Versorgung in Armenien gewürdigt, worauf im Einzelnen Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dass das Niveau der medizinischen Versorgung in Armenien unter Umständen hinter dem in Deutschland zurückbleibt, führt bereits von Gesetzes wegen nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
Dafür, dass sich im Falle einer Rückkehr der Antragsteller nach Armenien eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung unmittelbar wesentlich verschlechtern würde, gibt es nach obigen Ausführungen und aufgrund der vorgelegten Atteste unter Berücksichtigung der einschlägigen Erkenntnismittel keine Anhaltspunkte.
Das Gericht geht zudem davon aus, dass die Antragsteller, gegebenenfalls mit Unterstützung ihrer Verwandten oder unter Inanspruchnahme des armenischen Sozialsystems, in der Lage sein werden, etwa erforderliche Behandlungen zu finanzieren.
Die Frage, ob insbesondere der Antragsteller zu 1) aufgrund seiner Erkrankungen und seines allgemeinen Gesundheitszustandes reisefähig ist, stellt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis dar, welches gegebenenfalls gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen ist.
Auch die weltweite COVID-19-Pandemie führt nicht zu einem Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für die Antragsteller und damit zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Fehlt – wie hier – ein solcher Erlass kommt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allenfalls ausnahmsweise in verfassungskonformer Auslegung in Betracht, wenn es zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke, d.h. zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage erforderlich ist (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – BVerwGE 147, 8). Allgemeine Gefahren können aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbotes grundsätzlich nicht rechtfertigen. Die Antragsteller haben aber keinen Anspruch wegen einer extremen Gefahrenlage. Eine verfassungswidrige Schutzlücke liegt nur dann vor, wenn der Schutzsuchende bei einer Rückkehr in das Aufnahmeland mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Eine Abschiebung müsste dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schweren Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N., vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 27.3.2020 – W 8 S 20.30378).
Eine solche konkrete außergewöhnliche Gefahrenlage für die Antragsteller ist vorliegend im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt im Hinblick auf die Verbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) auch vor dem Hintergrund des erforderlich hohen Wahrscheinlichkeitsgrades für das Gericht nicht erkennbar, selbst wenn die Infektionszahlen auch in Armenien wieder ansteigen.
Im Übrigen genügt nicht die allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die COVID-19-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen. Erforderlich ist, durch die Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstige Erkenntnisquellen, zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und auch welche Schutzmaßnahmen der Staat mit welcher Effektivität getroffen hat (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). An einem entsprechenden substantiierten Vorbringen der Antragsteller fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unabhängig des fehlenden konkreten Vortrags dahingehend und fehlender ärztlicher Atteste, die dies bescheinigen, liegt es nahe, dass der Antragsteller zu 1) aufgrund seiner Erkrankungen durchaus der Personengruppe angehören dürfte, für die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung („Risikogruppe“) nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts besteht (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/ N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html; abgerufen am 9.11.2020). Jedoch war der Antragsteller zu 1) nachweislich bereits im April 2020 mit dem SARS-CoV-2-Erreger infiziert. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Neuinfektion des Antragstellers zu 1) nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts als unwahrscheinlich (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; Punkt 17; abgerufen am 9.11.2020), weshalb eine konkrete außergewöhnliche Gefahrenlage für den Antragsteller zu 1) bereits vor diesem Hintergrund nicht gegeben ist.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergeben sich zuletzt auch nicht aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Abschiebungsandrohung sowie der Ausreisefrist an sich.
Die Abschiebungsandrohung und Ausreisefrist von einer Woche ab Ablehnung des Beschlusses im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO begegnet auch im Hinblick auf die europarechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (vgl. hierzu EuGH, U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – juris; Rechtssache „Gnandi“) keinen rechtlichen Bedenken.
Mit der Möglichkeit der Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stand den Antragstellern ein wirksamer Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung zur Verfügung, da bei rechtzeitiger Antragstellung eine Abschiebung der Antragsteller vor der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG nicht zulässig ist.
Dem Umstand, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise nach Art. 7 der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, nicht zu laufen beginnen darf, solange der Betroffene ein Bleiberecht – wie hier während des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz – hat (EuGH, a.a.O.), wird durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsandrohung einschließlich des Laufs der Ausreisefrist bis zur Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausreichend Rechnung getragen (so auch BVerwG, Ue.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19; 1 C 19.19; 1 C 20.19; 1 C 21.19; 1 C 22.19 – juris für die hiesige Konstellation insbesondere 1 C 19.19 Rn. 55 ff.; so auch VG Ansbach, B.v. 11.2.2020 – AN 16 S 20.30165 – juris Rn. 30).
4. Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).