Verwaltungsrecht

Prüfung eines Abschiebungsverbots

Aktenzeichen  20 B 17.31659

Datum:
17.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18507
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hat unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme im Zielstaat der Abschiebung zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt. (Rn. 36)
2. Von Mogadischu aus sind die größeren Städte Süd-/Zentralsomalias (hier: Beled Weyne) auf dem Landweg erreichbar. Al Shabaab verhindert den zivilen Verkehr nicht. (Rn. 38 und 39)

Verfahrensgang

M 11 K 17.38333 2017-09-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, § 60 Abs. 7 AufenthG). Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots wurde im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils zwar versehentlich nicht erwähnt, wurde aber ausweislich der verwaltungsgerichtlichen Akte im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig gestellt. Mit der Zulassung der Berufung ist er im Berufungsverfahren mit angewachsen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Das Land hat zwar den Zustand eines „failed state“ überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die al Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 12 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).
a) Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG in Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe durch den somalischen Staat (Kluth in Beck-OK AuslR, § 4 AsylG, Rn. 9) droht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine ihm drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die al Shabaab bei einer Rückkehr nach Somalia nicht glaubhaft gemacht hat. So ist es, wie das Bundesamt im Bescheid ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab dem Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen, z.B. welche Informationen er weitergegeben habe und an wen. Hierzu gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut an, dass seine Bewacher keine Informationen von ihm haben wollten. Sie hätten ihm nur gesagt, dass er ein Verräter sei und dass er hier sterben werde. Hinzu kommt noch, dass der Kläger keinerlei nachvollziehbare Erklärung dafür angeben konnte, warum er von der al Shabaab des Verrats bezichtigt worden sei. Auch auf die mehrmalige Nachfrage des Senats gab er lediglich an, dass es Leute gebe, die für die al Shabaab arbeiteten und diese hätten ihn beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten. Warum ausgerechnet er beschuldigt worden sei, dafür hatte er keinerlei Erklärung. Daneben war dies für ihn offenbar auch nicht wichtig, da er auf Nachfrage durch den Senat angab, während seiner zweitägigen Gefangenschaft nicht versucht zu haben, herauszufinden, was ihm vorgeworfen werde. Dies mag vielleicht bei einer Gefangenschaft von mehreren Stunden aufgrund des anfänglichen Schocks nachvollziehbar sei. Bei einer mehrtägigen Gefangenschaft und mehrmaligen Schlagens durch die Bewacher mit Eisenstangen und Stöcken, wie vom Kläger angegeben, leuchtet es aber nicht mehr ein, dass der Gefangene keinen Versuch unternimmt, zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird, um seine Bewacher dann von der Unrichtigkeit dieser Vorwürfe zu überzeugen oder hierfür zumindest einen Versuch zu unternehmen. Dagegen, dass der Kläger das vorgetragene Geschehen selbst erlebt hat, spricht auch, dass er nach seinen Angaben dreimal täglich mit Gewehrkolben oder Stöcken geschlagen worden sei, aber bereits einen Tag nach seiner Befreiung wieder soweit genesen sei, dass er das Land habe verlassen können. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger erkannt haben will, womit er geschlagen worden sei, obwohl er auch auf Nachfrage dabei blieb, dass er während der gesamten Gefangenschaft die Augen verbunden gehabt habe. Diese Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers verdeutlichen anschaulich, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht um tatsächlich Erlebtes, sondern um Erfundenes handelt. Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen, deren Erwägungen der Senat teilt.
Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund dessen, dass er nach einer langjährigen Abwesenheit wieder in sein Heimatdorf, das in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet Somalias liegt, zurückkehrt. Zwar geht der Senat davon aus, dass das Heimatdorf des Klägers Harcadey bzw. Har Ade (nach der Schreibweise des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt. Der Kläger gab nämlich, befragt nach der Lage seines Heimatortes in der mündlichen Verhandlung an, dass es von Beled Weyne aus in Richtung Äthiopien, also nördlich, liege. Der Fluss Shabelle liege ca. einen Kilometer entfernt. Auf der Somaliakarte der Internetseite Liveuamap (https://Somalia.liveuamap.com/) lässt sich nördlich von Beled Weyne ein Ort namens „Haar Caddey“, westlich des Shabelle gelegen, ausmachen, bei dem es sich nach der Überzeugung des Senats um den Heimatort des Klägers handeln dürfte. Nach dem Bericht der EASO zur Sicherheitssituation in Somalia vom Dezember 2017 sind die westlichen Teile der Provinz Hiraan al Shabaab-Gebiet, und zwar der Bereich westlich der Hauptdurchgangsstraße ebenso wie der Bereich zwischen Maxaas und Adan Yabaal. Im Norden erstreckt sich das Gebiet der al Shabaab bis zur Straße zwischen Beled Weyne und Dhuusamarreeb (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98; ebenso der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Factfinding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, August 2017, S. 79). Auf diese Straße und die Gebiete nördlich davon hat die al Shabaab jedoch keinen Zugriff (FFM-Bericht, August 2017, S. 79). Auch wenn diese Angaben vergleichsweise ungenau sind, decken sie sich mit den insoweit glaubwürdigen Angaben des Klägers zu den Herrschaftsverhältnissen in seinem Heimatort, weshalb der Senat zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass sein Herkunftsort im Gebiet der al Shabaab liegt. Dies führt für sich genommen jedoch nicht zu einer Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Denn die Tatsache, dass man sich in einem westlichen Land aufgehalten hat ist für sich selbst bei einer Begegnung mit der al Shabaab unproblematisch. Dagegen wird westliches Verhalten und Kleidung von der al Shabaab durchaus sanktioniert (Land Info, Report v. 4.4.2016, „Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia”, S. 10; Danish Refugee Council/Danish Immigration Service, “South and Central Somalia: Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups”, März 2017, S. 24). Daher wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seinen Heimatort mit ziemlicher Sicherheit einer Befragung durch die al Shabaab ausgesetzt und einem gewissen Anpassungsdruck, sich an die von der al Shabaab festgelegten Regeln und Verhaltensvorschriften zu halten. Dies ist ihm jedoch möglich, zumal er bereits vor seiner Ausreise aus Somalia unter der Herrschaft der al Shabaab gelebt hat. Eine drohende unmenschliche Behandlung kann daraus aber nicht abgeleitet werden.
Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden (siehe unten). Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in der Provinz Hiraan kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und die langjährige Trockenheit gehören.
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist dies die Provinz Hiraan, da er sich dort vor seiner Ausreise aufgehalten hat.
In dieser Region Somalias herrscht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dieser Begriff ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 – NVwZ 2014, 573) zu der dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zugrundeliegenden Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L304, S. 19) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O., LS 1 u. Rn. 28). Dafür, dass ein derartiger Konflikt angenommen werden kann, kommt es weder auf einen bestimmten Organisationsgrad der beteiligten bewaffneten Streitkräfte noch auf eine bestimmte Dauer des Konflikts an. Insbesondere ist für die Annahme eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts auch keine besondere Intensität des Konflikts notwendig (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O. Rn. 32 u. 34), da die Intensität nur bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass er auch zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie führt.
Nach diesen Maßstäben liegt in der Heimatregion des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Nach dem bereits erwähnten EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Dezember 2017 (dort S. 98) sind die Hauptakteure im bewaffneten Konflikt in der Provinz Hiraan die Somalische Nationale Armee (SNA), die Streitkräfte der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM), die Äthiopischen Streitkräfte (ENDF) und die al Shabaab sowie eine unbekannte Zahl von Clanmilizen (ebenso BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand 12. Januar 2018, S. 36).
Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).
Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).
Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf in der Provinz Hiraan.
Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einen besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen in der Person des Klägers nicht vor. Diese ergeben sich zum einen nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass er bereits in der Vergangenheit in den Fokus der al Shabaab geraten sei, da dieser Vortrag, wie bereits oben dargestellt wurde, nach der Einschätzung des Senats nicht glaubwürdig ist.
Ein Gefahr erhöhender Umstand kann auch nicht auf der vom Kläger behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal abgeleitet werden. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass die in der Heimat des Klägers herrschende al Shabaab sich vom Clansystem distanziert und teilweise gezielt von diesem benachteiligte Gruppen unterstützt (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, 31. Mai 2017, S. 38; EASO Länderüberblick Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 97). Als Sheikhal werden in Somalia Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die traditionell einen gewissen religiösen Status innehaben. Sie führen ihre Abstammung auf einen gemeinsamen Vorfahren namens Sheikh Faqi Omar zurück, der durch Somalia reiste und Frauen in allen Gegenden heiratete (ACCORD, Clans in Somalia, Vortrag v. Dr. Joakim Gundel, Dezember 2009, S. 21). Traditionell haben ihre Mitglieder die Stellung eines Sheikhs oder Qadis (Richter), wobei heute viele in säkularen Berufen tätig sind. Ihre Einordnung ist nicht ganz klar: So werden je nach Quelle als eine Minderheit, als mit den Hawiye assoziiert, als Clan der Hawiye oder gar als eine eigenständige Clanfamilie bezeichnet (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 12). Vielen Mitgliedern des Clans ist es gelungen, insbesondere im Raum Mogadischu Einfluss auf das Bildungswesen zu bekommen. Manche Sheikhal-Gruppen sind so gut in die Hawiye-Clanfamilie integriert, dass sie Hawiye-Sitze im somalischen Parlament einnehmen (ACCORD, Clans in Somalia, S. 21). Die Stellung der Sheikhal in der somalischen Gesellschaft unterscheidet sich daher erheblich z.B. von der der allgemein gering geschätzten Handwerkerkasten wie den Tumal (vgl. zu dem Einzelfall eines gefahrerhöhenden Umstands aufgrund der Zugehörigkeit zum Clan der Tumal und der Tatsache, dass der dortige Kläger bereits in den Fokus der al Shabaab geraten war BayVGH, U.v. 07.04.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 28-30). Eine gesteigerte Gefahr, als Mitglied der Zivilbevölkerung Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen der al Shabaab und der Somalischen Armee/AMISOM bzw. zwischen verfeindeten Clans zu werden ist aufgrund der Zugehörigkeit zu dem Clan der Sheikhal in der Herkunftsregion des Klägers nicht erkennbar. Andere Gefahr erhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind sie ersichtlich.
Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisiert. Die dafür erforderliche Gefahrendichte ist in der Provinz Hiraan nicht gegeben. Die Provinz hat nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner (EASO, Security Situation Report, Dezember 2017, S. 89). Die verfügbaren Zahlen über die zivilen Opfer des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts unterscheiden sich im Einzelnen erheblich. So stellt die von ACCORD am 18. Juni 2018 vorgenommene Auswertung der für das Jahr 2017 in der Datenbank des Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) erfassten Vorfälle für die Provinz Hiraan 2017 insgesamt 225 Vorfälle mit insgesamt 364 Toten. Nicht erfasst werden dabei allerdings die Verletzten. Daneben differenziert ACLED auch nicht zwischen getöteten Zivilpersonen und getöteten Bewaffneten. Schließlich weist ACLED selbst darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Daten auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen basiert und die Daten daher das Ausmaß an Vorfällen untererfassen können. Es existiert also nach den ACLED-Zahlen eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer. Die Zusammenstellung vom 25. Juni 2018 für das erste Quartal 2018 gelangt demgegenüber bei 42 Vorfällen in der Provinz Hiraan zu sogar 222 Todesopfern. Inwiefern es sich dabei um Zivilpersonen und/oder Bewaffnete handelte, ist wiederum unklar. Demgegenüber kommen UNHCR und UNSOM in ihrer Aufstellung vom 10. Dezember 2017 „Protection of Civilians in Somalia 2016 – 2017“ für den aus den Provinzen Hiraan und Middle Shabelle neu gebildeten Bundestaat HirShabelle im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 14. Oktober 2017 auf (nur) 269 Tote und verletzte Zivilpersonen. Im Unterschied zu den Zahlen von ACLED erfassen die Zahlen von UNHCR/UNSOM also lediglich die im bewaffneten Konflikt getöteten oder verletzten Zivilpersonen (unter Nichtberücksichtigung bewaffneter Opfer). Rechnet man diese Zahl angesichts des ein Jahr überschreitenden Erfassungszeitraums auf ein Jahr um, verbleiben noch 150 getötete und verletzte Zivilpersonen. Umgerechnet auf die Bevölkerung des Bundesstaats HirShabelle (520.685 Einwohner in Hiraan, 516.035 Einwohner in Middle Shabelle laut EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98 u. 100), so ergibt sich ein Verletzungs- bzw. Tötungsrisiko im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt für Zivilpersonen von 1:6.911. Auch wenn man insoweit bedenkt, dass die von UNHCR/UNSOM bekanntgegebenen Zahlen aufgrund der Verhältnisse in Somalia, insbesondere der schlechten Auskunftslage hinsichtlich der unter der Herrschaft der al Shabaab stehenden Landstriche, eine erhebliche Dunkelziffer beinhalten dürften, ist das Risiko, im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt als Zivilperson getötet oder verletzt zu werden, jedenfalls noch weit entfernt von der relevanten Schwelle.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich hier nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681) für die Prüfung grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 7.3.2018 – Stand Januar 2018 – S. 21). Der EGMR hat jedoch darüber hinaus ausgeführt, dass die Prüfung hinsichtlich Mogadischus als Endpunkt der Abschiebung nicht ausreiche, da das Ausgangsgericht ausgeführt habe, dass die Möglichkeit bestehe, in ein sicheres Gebiet Somalias zu gehen (EGMR, U.v. 28.6.2011, a.a.O. Rn. 265). Daher sei zunächst zu prüfen, ob für den Betreffenden die Gefahr von Misshandlungen auf der Durchreise oder bei der Ansiedlung in einem anderen Teil Somalias bestehen würde (EGMR a.a.O., Rn. 267). Daher hat im Ergebnis die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt.
Der Kläger selbst stammt nicht aus Mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen dort hin. Soweit im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 ausgeführt wurde, dass er vorgetragen habe, in Mogadischu zahlreiche Geschwister sowie seinen Vater zu haben, handelt es sich wohl um ein Versehen, jedenfalls ist die Angabe falsch. Denn der Kläger hat in seiner Anhörung keine entsprechende Angabe gemacht und tatsächlich ausgeführt, dass sein Vater und der Großteil seiner Schwestern in bzw. in der Nähe seines Heimatortes lebten. Auch seine Ausreise ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht über Mogadischu erfolgt. Damit ergeben sich weder aus der Behördenakte noch aus den gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte für Verbindungen des Klägers nach Mogadischu.
Nach der Auskunftslage sind die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. Das Norwegische Landinfo führt in seinem “Report: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu” vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen (S. 10). Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen (S. 13). Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara-Markt ein (S. 13). Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus (S. 14). Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe (S. 17). Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führt in seiner Staatendokumentation Somalia (Stand: 12. Januar 2018, S. 118 ff.) aus, dass angenommen werden könne, dass es in Mogadischu mehr Arbeitsmöglichkeiten gebe als an anderen Orten. Die steigende Nachfrage nach Hilfsarbeitern habe dazu geführt, dass auch Leute von außerhalb nach Mogadischu kämen, so dass unqualifizierte Arbeitskräfte zahlreich verfügbar seien (S. 119). Bei der Vergabe von Jobs würden Clan und Verwandtschaft bevorzugt (S. 119). Der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Fact-Finding-Mission zur Sicherheitslage in Somalia vom August 2017 führt zur Versorgung von Rückkehrern aus, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Rückkehrer limitiert seien (S. 128). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration sei von Clanzugehörigkeit und den lokalen Beziehungen der jeweiligen Person abhängig (S. 113). Das Norwegische Landinfo gibt in einer Anfrage-Beantwortung vom 11. November 2016 (Somalia: The Settlements in Mogadishu, S. 3) an, dass der entscheidende Faktor für die Frage, ob jemand in einem „Settlement“ ende, sei, ob er die Mittel habe, außerhalb von ihnen eine Unterkunft zu finanzieren. In der Gesamtschau ist daher festzustellen, dass der Kläger vermutlich mangels Verbindungen und einer ihn aus der Masse der ungelernten Arbeitskräfte heraushebenden Ausbildung allenfalls als Tagelöhner würde arbeiten können. Eine Wohnsitznahme außerhalb eines „Settlements“ wird ihm mangels persönlicher Verbindungen und als Angehörigen eines Minderheitenclans wohl nicht möglich sein. Ob ihm in Mogadischu als Tagelöhner ein Überleben möglich wäre, ohne der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da ihm eine Wohnsitznahme in seiner Herkunftsregion möglich ist.
Diese ist für ihn von Mogadischu, dem voraussichtlichen Endpunkt einer etwaigen Abschiebung, aus erreichbar. Der EASO-Bericht zur Sicherheitssituation vom Dezember 2017 führt aus, dass die Straße zwischen Mogadischu und Beled Weyne zum Teil von der al Shabaab kontrolliert wird. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr von Checkpoints und von dort die Gefahr, in den Verdacht zu geraten, zur gegnerischen Partei zu gehören (S. 55). Allerdings hält der gleiche Bericht auch fest, dass der zivile Verkehr das Gebiet der al Shabaab passieren könne (S. 97). Das Norwegische Landinfo führt in seinem Bericht vom 4. April 2016 (Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia) aus, dass täglich von Mogadischu aus vollbeladene Busse verschiedene Ziele in Südsomalia ansteuern, was den Eindruck erwecke, dass die Leute trotz der Sicherheitsprobleme reisen (S. 5). Das Risiko bei den Reisen komme hauptsächlich von Bewaffneten an den Checkpoints der verschiedenen Parteien (S. 8). Die al Shabaab verhindere das Reisen von Zivilpersonen nicht. In manchen Fällen müssten die Fahrer Gebühren an die al Shabaab zahlen, um durch deren Gebiet fahren zu dürfen (S. 10). Im westlichen Ausland gewesen zu sein, sei für sich genommen kein Problem für die al Shabaab, zumal viele Mitglieder der al Shabaab selbst einen Hintergrund oder eine Familie in westlichen Ländern haben. Allerdings werde westliche Verhaltensweise und Kleidung (z.B. ein in die Hose gestecktes Hemd) durch die al Shabaab sanktioniert (S. 10). Das mit einer Reise verbundene Risiko könne im Einzelfall durch spezielle Maßnahmen reduziert werden (S. 12). Daneben ist auch eine Reise mit dem Flugzeug von Mogadischu nach Beled Weyne möglich, die rund eine Stunde dauere und 115 US-Dollar koste (S. 13). Nach dieser Auskunftslage bestehen keine Bedenken, dass es dem Kläger tatsächlich möglich ist, von Mogadischu aus Beled Weyne und weiter sein Heimatdorf Har Ade (oder Harcadey) zu erreichen (ebenso OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 68).
Dort droht ihm nicht die Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Versorgungslage. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, liegt sein Heimatort ca. einen Kilometer vom Flusstal des Shabelle entfernt. Die Gegend ist zwar von den starken Regenfällen der Gu-Regenzeit im Frühjahr 2018 stark betroffen (vgl. UN-OCHA, Flash Updates #3 – 6), nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist sein Dorf jedoch nicht überschwemmt worden. Auch wenn Teile der Ernte durch die Regenfälle vernichtet sein mögen, wird aufgrund der großen Regenfälle nun erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln mittelfristig verbessern wird. Die Bedingungen sind insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte gerechnet werden kann (BFA Staatendokumentation – Somaliland v. 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 3.5.2018, S. 5 ff. m.w.N.). Damit ist eine ausreichende Versorgung des Klägers in seinem Heimatort gewährleistet. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass die sonst in Beled Weyne lebende Schwester des Klägers mit ihrem Mann nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in ihrem Heimatort gezogen ist und auch Familien von der anderen Seite des Shabelle in den Heimatort des Klägers geflüchtet sind.
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die insoweit bestehende Sperrwirkung nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung überwunden werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Eine solche Schutzlücke besteht im Hinblick auf die in Somalia den Kläger erwartenden Lebensbedingungen aus den oben zu § 60 Abs. 5 AufenthG dargestellten Gründen nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger bei seiner Anhörung angesprochenen Tuberkulose. Diese wurde einerseits im gerichtlichen Verfahren vom Kläger nicht weiter geltend gemacht. Darüber hinaus wurde im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 überzeugend darauf eingegangen, weshalb sich der Senat die diesbezüglichen Ausführungen zu Eigen macht und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung absieht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 VwGO.

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