Verwaltungsrecht

Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen bestandskräftiger Ruhensregelung nach Abschmelzen einer Kapitalabfindung

Aktenzeichen  W 1 K 16.978

Datum:
28.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 123046
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 55 Abs. 1 S. 8, S. 9, § 56, § 69c Abs. 5 S. 2
SVG § 55b
VwVfG § 48 Abs. 1, § 51 Abs. 1
RL 2006/54/EG Art. 9 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein rechtswidriger aber bestandskräftiger Ruhensbescheid ist wegen Reduzierung des Ermessens auf Null wiederaufzugreifen, wenn eine dem Beamten gewährte Kapitalabfindung aus einer Tätigkeit bei einer zwischenstaatliche Einrichtung durch (teilweises) Ruhen der Versorgungsbezüge vollständig aufgezehrt wurde. Denn die weitere Aufrechterhaltung des Ruhensbescheides würde ab diesem Zeitpunkt zu einer gegen Treu und Glauben verstoßenden rechtswidrigen Kürzung der Versorgung führen, die gegen die Alimentationspflicht des Dienstherrn verstößt. (Rn. 23 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2014 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 29. Dezember 2013 auf Änderung der Regelung des Ruhens seiner Versorgungsbezüge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2014, mit dem das Wiederaufgreifen der Ruhensregelung der Versorgungsbezüge des Klägers sowie deren Änderung abgelehnt wurden, ist rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch auf Änderung der Ruhensregelung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ergibt sich dabei nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Nach dieser Norm hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder die Änderung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine in diesem Sinn relevante Gesetzesänderung liegt nicht vor, weil § 56 BeamtVG seit dem Zeitpunkt der ersten – bestandskräftigen – Ruhensregelung mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2014 nicht in einer für den Kläger günstigen Art und Weise geändert wurde. Eine Änderung der Rechtslage ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2008 – 2 C 30.06 -, vom 27. Januar 2011 – 2 C 25.09 – und vom 5. September 2013 – 2 C 47.11 -, in denen das Bundesverwaltungsgericht dem § 56 BeamtVG sowie der Parallelvorschrift des § 55b SVG durch Auslegung einen teilweise neuen Inhalt zugemessen hat und Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetzesfassung benannt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar (vgl. grundlegend BVerwG, B.v. 25.5.1981 – 8 B 89. und 90.80; B.v. 16.2.1993 – 9 B 241.92 – jeweils juris).
II.
Jedoch hat der Kläger nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 VwVfG einen Anspruch auf Änderung des Ruhensbescheides vom 3. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2005 dahingehend, dass der Ruhensbescheid ab dem Zeitpunkt, zu dem der vom Kläger erhaltene Abfindungskapitalbetrag durch das Ruhen der Versorgungsbezüge vollständig aufgezehrt ist (hier für den Zeitraum nach dem 1. April 2011), zurückzunehmen ist. Nach den o.g. Bestimmungen kann die Behörde einen Verwaltungsakt, der im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, aufheben; ein Anspruch auf Aufhebung besteht hierbei nur dann, wenn das der Behörde bei der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich zustehende Ermessen dergestalt reduziert ist, dass alleine die Aufhebung des Verwaltungsakts ermessensgerecht ist (Ermessensreduzierung auf Null).
1. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Ruhensbescheid vom 3. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2005 ist rechtswidrig, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Der Bescheid beruht auf § 56 BeamtVG in der Fassung, die am 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist i.V.m. § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG und damit auf einer Fassung, die das Bundesverwaltungsgericht in verschiedenen Entscheidungen bereits für rechts- und verfassungswidrig erachtet hat (vgl. BVerwG, U.v. 27. März 2008 – 2 C 30.06, U.v. 27.1.2011 – 2 C 25.09, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – jeweils juris). Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ruhensbescheides kommt es indes nicht auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des § 56 BeamtVG an. Denn der Bescheid vom 3. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2005 ist schon aufgrund der Anwendung einfachen Gesetzesrechts rechtswidrig. Die Beklagte konzediert darüber hinaus selbst die Rechtswidrigkeit der Ruhensbescheide, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses einer Rechtsgrundlage entbehrten. Das Gericht verweist insoweit auf die Darstellung im Widerspruchsbescheid vom 7. März 2014 (§ 117 Abs. 5 VwGO). Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
Die Rechtswidrigkeit der vorliegenden Ruhensregelung ergibt sich daraus, dass die im Ausgangsruhensbescheid angestellte Vergleichsberechnung nicht rechtlich korrekt durchgeführt wurde. Denn im Ergebnis hätte die Beklagte nicht – wie tatsächlich erfolgt – die Fassung des BeamtVG 1992, sondern die Fassung des Jahres 1994 als nach der Übergangsregelung des § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG für die Ruhensberechnung maßgebliche Gesetzesfassung der Ruhensregelung zugrunde legen müssen. Das vollständige Aufzehren der Kapitalabfindung muss – auch in zeitlicher Hinsicht – die prinzipiell maßgebliche Grenze für die Gesamtheit der in dem betreffenden Versorgungsfall anfallenden Ruhensbeträge nach § 56 BeamtVG bilden. Das folgt bei Beamten, für die – und sei es auch nur im Rahmen einer Vergleichsrechnung nach dem Günstigkeitsprinzip – das BeamtVG 1994 Anwendung findet, unmittelbar aus dem Gesetz, und zwar aus § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG mit der dortigen Verweisung auf den Absatz 1 der Norm. Im Satz 3 des Absatzes 1 ist geregelt, dass der Ruhensbetrag die von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss in den Fällen der Anrechnung einer Kapitalabfindung auf das Ruhegehalt der Ruhensbescheid den Zeitpunkt festlegen (und somit auch angeben), zu dem die Laufzeit des Ruhens eines Teils der Versorgungsbezüge eines Beamten endet. Diese Festlegung hat regelmäßig auf den Zeitpunkt zu erfolgen, zu dem der Beamte die sich aus der Sterbetafel ergebende statistische Lebenserwartung erreicht. Ein anderer Zeitpunkt kann sich ausnahmsweise dann ergeben, wenn etwa infolge eines gesetzlich vorgegebenen Mindestruhensbetrages der in Rede stehende Kapitalbetrag schon vor dem vorgenannten Zeitpunkt vollständig abgegolten sein wird (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 -juris, Rn. 18 und 22; OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 37; U.v. 20.1.2016 – 1 A 2021/13 – juris, Rn. 34). Die zeitliche Begrenzung von Ruhensregelungen entspricht deren Zweck, in Gestalt eines Auszahlungshindernisses (allein) zu verhindern, dass im Ruhestand befindliche Beamte aus öffentlichen Kassen insgesamt mehr erhalten als die Versorgung, die sie verdient haben. Ruhensregelungen dürfen deswegen nicht dazu führen, dass ein Teilbetrag der festgesetzten Versorgung einbehalten wird, obwohl die so herbeigeführte Versorgungslücke nicht durch eine anderweitige Versorgungsleistung aus einer öffentlichen Kasse ausgeglichen wird. Ein Ruhen ohne eine vollständige Kompensation stellt sich nämlich als eine Kürzung der festgesetzten Versorgung dar, die nicht vom Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation gedeckt wird bzw. bei Beamten ohne Rechtfertigung in deren Grundrecht aus Art. 33 Abs. 5, 14 Abs. 1 GG eingreift. Demgegenüber enthielt das BeamtVG 1992 (und davor) an der betreffenden Stelle lediglich eine Verweisung auf den § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Wesentlich diesem Umstand hat das Bundesverwaltungsgericht entnommen, dass eine Auslegung des damaligen einfachen Gesetzesrechts – auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung – nicht auch zur Geltung der in Abs. 1 Satz 3 enthaltenen Kappungsgrenze auch in der Fallgruppe der Anrechnung einer Kapitalabfindung auf das Ruhegehalt führen könne, vielmehr das damalige Gesetz in diesem Punkt verfassungswidrig sei (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 2 C 25.09 – juris, Rn. 10 ff). Daraus ergibt sich, dass – Fragen der Verfassungskonformität des einfachen Gesetzesrechts angesichts der noch fehlenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgeklammert – Betroffene erst ab der Fassung 1994 des § 56 BeamtVG davon „profitieren“ können, dass schon im Rahmen der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts die (Summe aller) Ruhensbeträge die anderweitig gewährte Versorgung insgesamt nicht übersteigen darf. Soweit darauf aufbauend in dem Ruhensbescheid ein begrenzender Endzeitpunkt festzulegen ist, wirkt sich das bei wertender Betrachtung für den Betroffenen positiv, nämlich im Sinne einer Absicherung seiner Rechtsstellung, aus. Somit hätte die Beklagte im Rahmen ihrer Vergleichsberechnung nach § 56 BeamtVG 1994 die Laufzeit der Ruhensbeträge von vornherein im Wege der Bestimmung eines Endzeitpunktes begrenzen müssen. Das hätte sich für den Kläger im Verhältnis zu § 56 BeamtVG 1992 günstig ausgewirkt. Infolgedessen hätte die Fassung 1994 dem Ruhensbescheid einschließlich der dortigen Berechnung des Ruhensbetrags als hier im Sinne des § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG maßgeblich zugrunde gelegt werden müssen. Das hätte – mit Blick auf die Mindestruhensbetragsregelung – zwar nicht zu einem abgesenkten Monatsbetrag des Ruhens, wohl aber zu einer Begrenzung des Gesamtruhensbetrages durch die Bestimmung eines Endzeitpunktes geführt. Weil dies nicht geschehen ist, erweist sich der Ruhensbescheid vom 3. Januar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2005 als rechtswidrig.
Darüber hinaus hätte es für die im Rahmen der Vergleichsberechnung in den Ruhensbescheiden vorgenommenen Dynamisierung des erhaltenen Kapitalbetrages aus den zwischenstaatlichen Einrichtungen einer ausdrücklichen Regelung im Beamtenversorgungsgesetz bedurft, da das Versorgungsrecht einer strikten Gesetzesbindung unterliegt, § 3 BeamtVG. Vorschriften, die die gesetzlich vorgesehene Versorgung des Beamten begrenzen oder reduzieren, sind grundsätzlich einer ausdehnenden Anwendung ebenso wenig zugänglich wie die Besoldung oder Versorgung erhöhende Bestimmungen. § 56 Abs. 3 BeamtVG 1994 enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der von einer überstaatlichen Einrichtung gezahlte Abfindungsbetrag bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beamten aus dem aktiven Dienstverhältnis zu verzinsen ist, erst recht nicht mit welchem Zinssatz (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30/06 – juris Rn. 25 ff.). Die nunmehr mit Wirkung ab dem 28. März 2008 eingeführte Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG, die hinsichtlich der Dynamisierung und Verrentung § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG für entsprechend anwendbar erklärt, geht jedoch für diejenigen Ruhestandsbeamten ins Leere, die, wie der Kläger, bei ihrem Inkrafttreten am 28. März 2008 bereits Versorgungsleistungen erhielten. Nach dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut des Satzes 8 des § 55 Abs. 1 BeamtVG ist die Dynamisierung der Kapitalbeträge für den Zeitraum zwischen dem Entstehen des Anspruchs auf die Kapitalbeträge und der Gewährung von Versorgungsbezügen vorzunehmen. Damit liegt der Endzeitpunkt der Dynamisierung bei denjenigen Ruhestandsbeamten, die am 28. März 2008 bereits im Ruhestand waren, vor dem Inkrafttreten der Regelung. Erfasst werden daher nur Kapitalbeträge von Beamten, die nach dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47/11 – juris Rn. 12, 21).
Auf das Vorliegen etwaiger weiterer Rechtsfehler kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger für den Zeitraum ab der vollständigen Aufzehrung der vom Kläger erhaltenen Kapitalabfindung durch das (teilweise) Ruhen der Versorgungsbezüge (hier für den Zeitraum nach dem 1. April 2011) einen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Ruhensbescheide, weil das der Beklagten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zustehende Ermessen für diesen Zeitraum auf Null reduziert ist.
a) Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen (im Ausgangspunkt) gleichberechtigt nebeneinander. Dementsprechend gibt es auch keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben (vgl. BVerfG, U.v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 – juris, Rn. 80, B.v. 27.2.2007 – 1 BvR 1982/01 – juris, Rn. 33; BVerwG, U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 – juris, Rn. 14). Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ ist. Ob dies angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab (vgl. etwa BVerwG, U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 – juris, Rn. 11, m.w.N.). Unbeschadet der insoweit – zumindest als etwaiges Korrektiv – stets gebotenen Betrachtung des Einzelfalles haben sich in der Rechtsprechung bestimmte Fallgruppen herausgebildet, in denen die geforderte Unerträglichkeit einer Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes im Allgemeinen zu bejahen sein wird. Hierunter fällt etwa, dass die Aufrechterhaltung als Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheint, dass der Verwaltungsakt schon im Erlasszeitpunkt offensichtlich rechtswidrig war oder dass das einschlägige Fachrecht dem Rücknahmeermessen eine bestimmte Richtung vorgibt (vgl. OVG Hamburg, U.v. 28.2.2013 – 1 Bf 10/12 – juris, Rn. 37, m.w.N.). Ferner kommt eine Ermessensreduzierung in Anwendung des Gleichheitssatzes in Betracht, wenn die Behörde in vergleichbaren Fällen den rechtswidrigen Verwaltungsakt zurückgenommen hat. Schließlich ist für die Abwägung der oben genannten widerstreitenden Rechtsgüter auch von Bedeutung, ob es um eine Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit, insbesondere schon vom Erlasszeitpunkt an, oder aber (nur) um eine solche mit Wirkung von einem späteren Zeitpunkt an bzw. für die Zukunft geht (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.10.2011 – 4 S 1790/10 -, juris, Rn. 31 ff. bzw. 41 ff.)
Eine zeitliche Zäsur besonderer Art greift nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Fallgruppe derjenigen bestandskräftigen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, deren Rechtswidrigkeit darauf beruht, dass sie auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes ergangen sind, wobei die Frage eines Verfassungsverstoßes im Zeitpunkt ihres Erlasses noch nicht abschließend geklärt war. Insoweit gilt, dass es unter Orientierung an der gesetzlichen Wertung des § 79 Abs. 2 BVerfGG für die Determinierung des Rücknahmeermessens maßgeblich auf den Zeitpunkt des Nichtigkeitsausspruchs durch das Bundesverfassungsgericht ankommt. Während die Verwaltung für die vor diesem Zeitpunkt liegende Zeit die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts mit Dauerwirkung ermessensfehlerfrei ablehnen kann, wenn nicht sogar ablehnen muss (Rückabwicklungsverbot), setzt sich für die Zeit danach der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit im Konfliktfall gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit durch, ist also der bestandskräftige Verwaltungsakt im Regelfall ab diesem Zeitpunkt an die sich aus der Nichtigerklärung ergebende Rechtslage anzupassen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2012 – 2 C 59.11 – juris, Rn. 20 ff., U.v. 26.9.2012 – 2 C 48.11 – juris, Rn. 24 ff., U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 -, a.a.O. = juris, Rn. 15, B.v. 8.5.2013 – 2 B 5.13 – juris, Rn. 10 f.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen darf die Beklagte zur Überzeugung der erkennenden Kammer bei der Ausübung des Rücknahmeermessens dem Grundsatz der Rechtssicherheit nach dem vollständigen Abschmelzen der erhaltenen Kapitalabfindung durch das verfügte Ruhen der Versorgungsbezüge, welches hier am 1. April 2011 eingetreten ist, keinen Vorrang mehr gegenüber dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit einräumen. Die Beklagte ist daher verpflichtet, über die Regelung des Ruhens der Versorgungsbezüge des Klägers neu zu entscheiden. Hierbei hat sie aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null ihr Ermessen dahingehend auszuüben, dass die getroffene Ruhensregelung für den Zeitraum nach dem 1. April 2011 vollumfänglich zurückzunehmen ist (vgl. OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 85 ff.; U.v. 20.1.2016 – 1 A 2021/13- juris, Rn. 79 ff.; für den Zeitraum zuvor vgl. unten 3.).
Zunächst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Falle des Klägers zu dessen Nachteil anders gehandelt hätte als in vergleichbaren sonstigen Fällen, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null infolge eines Gleichheitsverstoßes nicht in Betracht kommt. Vielmehr existiert – wie von der Beklagten im Verfahren vorgetragen – eine entsprechende Weisungslage des Bundesministeriums der Verteidigung, wonach Anträge auf Rücknahme von Rubensbescheiden mit dem Hinweis darauf, dass Erwägungen der Rechtssicherheit der Vorrang einzuräumen sei, zurückzuweisen seien.
Des Weiteren kann nicht festgestellt werden, dass der angegriffene Ruhensbescheid bereits zum Erlasszeitpunkt offensichtlich rechtswidrig war, denn die von der Beklagten durchgeführte Berechnung entsprach einer langjährigen Praxis, die bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2008 unbeanstandet geblieben ist. Die Rechtsanwendungsfehler sind erst Jahre nach dem Erlass des hier angegriffenen Verwaltungsaktes in der Rechtsprechung klar hervorgetreten (vgl. OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 78; U.v. 20.01.16 – 1 A 2021/13 – juris, Rn. 73).
Darüber hinaus ist auch keine versorgungsrechtliche Vorschrift erkennbar, die das nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auszuübende Ermessen in Richtung einer Rücknahmeentscheidung vorzeichnen würde. Auch ist angesichts der dem Kläger noch verbliebenen Versorgungsbezüge weder objektiv erkennbar, dass dieser in eine schwerwiegende finanzielle Notlage geraten wäre (vgl. OVG NRW, B.v. 12.2.2013 – 1 B 1316/12 – juris), insbesondere nicht mehr in der Lage gewesen wäre, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, noch hat der Kläger diesbezüglich etwas vorgetragen.
Schließlich steht eine Entscheidung und damit mögliche Nichtigkeitsfeststellung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der hier inmitten stehenden Bestimmung des Beamtenversorgungsrechts sowie des parallelen Soldatenversorgungsrechts noch aus (vgl. die Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des OVG Rheinland-Pfalz vom 11.11.2011 – 10 A 10757/11.OVG – (n.v.) und des VG München vom 18.11.2014 – M 21 K 12.2042 – juris), so dass der Kläger aus diesem Gesichtspunkt gerade noch nichts für sich herleiten kann.
Allerdings verstößt nach Auffassung der erkennenden Kammer die weitere Aufrechterhaltung des Ruhensbescheides ab dem Zeitpunkt, zu dem der vom Kläger erhaltene Abfindungskapitalbetrag durch das Ruhen der Versorgungsbezüge vollständig aufgezehrt ist (hier für den Zeitraum nach dem 1. April 2011) gegen die guten Sitten und das Gebot von Treu und Glauben, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt eine in vollem Umfang rechtswidrige Kürzung seiner Versorgungsbezüge hinnehmen muss, womit die Beklagte gleichzeitig in eklatanter Weise gegen die nach Art. 33 Abs. 5 GG verbürgte Alimentationspflicht gegenüber dem Kläger verstößt. Vor diesem Hintergrund würde sich die Aufrechterhaltung der Ruhensregelung über diesen Zeitpunkt hinaus als schlechthin unerträglich erweisen.
Denn ist ein von einer zwischenstaatlichen Einrichtung erhaltener Kapitalbetrag durch das Ruhen von Versorgungsbezügen aufgezehrt, tritt dieser Aspekt in den Vordergrund der Ermessensausübung. Das hängt damit zusammen, dass es hier um Dauerverwaltungsakte mit einer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mitunter ganz erheblichen finanziellen Bedeutung für den betroffenen Versorgungsempfänger geht. Relevante Faktoren für diese Bedeutung sind zum einen die Höhe des monatlichen Ruhensbetrages (in Relation zum gezahlten Ruhegehalt), zum anderen aber auch die (Gesamt-)Dauer des Ruhenszeitraums. Denn die durch das Ruhen der Bezüge für den Betroffenen in den Rücknahmefällen rechtswidrig ausgelöste Belastung summiert sich in der Regel über eine Vielzahl von Jahren, wenn nicht häufig sogar Jahrzehnten. Gerade daraus kann sich im Ergebnis die objektive Unerträglichkeit und Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung eines solchermaßen belastenden rechtwidrigen Zustandes in Abwägung mit der Bestandskraft zugrunde liegender Bescheide ergeben. Denn es geht hier nicht um die Kürzung irgendwelcher Zahlungen. Inmitten steht vielmehr der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch der Beamten auf eine gesetzmäßige und ungeschmälerte Versorgung. Die Kammer bewertet in diesem Zusammenhang namentlich solche Eingriffe in den Versorgungsanspruch als schlechthin unerträglich, welche im Wesentlichen nur mit Blick auf die Bestandskraft des zugrunde liegenden Verwaltungsakts fortgesetzt werden, obwohl der tragende Grund und Zweck für ein Fortdauern der Ruhensregelung schon klar entfallen ist. Das meint die Fälle, in denen der seinerzeit an Versorgungsstatt empfangene Kapitalbetrag bereits vollständig abgeschmolzen ist, gleichwohl die Ruhensregelung aber noch weiter aufrechterhalten wird. Durch ein solches Vorgehen werden die Betroffenen typischerweise deutlich stärker belastet als bei einem etwa infolge unrichtiger Berechnung „nur“ zu hoch angesetzten monatlichen Ruhensbetrag in der Phase vor dem Erreichen des Zeitpunktes des vollständigen Aufzehrens des Kapitalbetrags. Denn in der Phase nach jenem Zeitpunkt erweisen sich alle weiterhin einbehaltenen Ruhensbeträge in ihrem vollen Umfang als unberechtigt. Dieser besonders gewichtige Umstand rechtfertigt es, an ihn bereits regelmäßig – und nicht nur bei im Einzelfall besonders hohen Monatsbeträgen – eine zeitliche Zäsur für ein auf Null reduziertes Rücknahmeermessen zu knüpfen. Das bedeutet, dass der Dienstherr dann, wenn dieser Zeitpunkt erreicht ist, die Rücknahme des Ruhensbescheides in aller Regel nicht mehr ermessensfehlerfrei wird ablehnen können (vgl. OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 86; U.v. 20.01.16 – 1 A 2021/13 – juris, Rn. 80). Eine Begrenzung auf eine Rücknahme mit Wirkung erst dem Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers erfolgt dabei nicht (vgl. OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 88 f.).
Vorliegend hat der Kläger aus seiner Tätigkeit bei drei verschiedenen NATO-Organisationen insgesamt einen Kapitalabfindungsbetrag i.H.v. 111.677,86 EUR erhalten. Auf der Grundlage des Bescheides vom 3. Januar 2005 wurde dieser Betrag bis zum 1. April 2011 vollständig zum Ruhen gebracht und infolgedessen von den Versorgungsbezügen des Klägers einbehalten, wie die Beklagte und der Kläger übereinstimmend erklärt haben. Bei dieser Sachlage erscheint es schlechthin unerträglich und als ein Verstoß gegen die guten Sitten, wenn die Beklagte allein mit Blick auf die Bestandskraft des Ruhensbescheides trotz des vollständigen Abschmelzens der erhaltenen Kapitalabfindung durch das teilweise Ruhen der Versorgungsbezüge weiterhin jeden Monat einen Betrag in Höhe von 1.414,11 EUR und damit einen ganz erheblichen Teil der Gesamtversorgungsbezüge des Klägers (aktuell 37,18%) einbehält und auf diese Weise den in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerten Anspruch des Klägers auf amtsangemessene Alimentation in dieser Höhe sehenden Auges unerfüllt lässt, obwohl der Sinn der Ruhensregelung des § 56 BeamtVG bereits vollumfänglich erreicht wurde, indem der Gesamtbetrag der erhaltenen Kapitalabfindung zum Ruhen gebracht wurde und damit eine Doppelalimentation des Klägers aus öffentlichen Kassen ausgeschlossen ist. Bis einschließlich März 2017 wurden nunmehr bereits weitere rund 100.000 EUR von den dem Kläger zustehenden Versorgungsbezügen zum Ruhen gebracht und einbehalten, mithin alsbald ein Betrag in Höhe des Doppelten der seinerzeit erhaltenen Kapitalabfindung.
Soweit andere Verwaltungsgerichte in dieser Frage anderer Auffassung als die erkennende Kammer sind (vgl. etwa VG Koblenz, U.v. 28.1.2015 – 2 K 304/14.KO; U.v. 3.2.2016 – 2 K 872/15.KO), so teilt die Kammer deren Rechtsansicht nicht.
c) Der Bestimmung des Zeitpunkts des vollständigen Aufzehrens der erhaltenen Kapitalabfindung durch das Ruhen eines Teils der Versorgungsbezüge ist der oben genannte Betrag i.H.v. 111.677,86 EUR zu Grunde zu legen. Eine Erhöhung dieses Betrages durch eine Dynamisierung im Sinne des § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG kommt – wie bereits ausgeführt – vorliegend nicht in Betracht, da der gesetzliche Endzeitpunkt der Dynamisierung bei denjenigen Ruhestandsbeamten, die sich am 28. März 2008 bereits im Ruhestand befanden, vor dem Inkrafttreten der Regelung lag. Erfasst werden daher nur Kapitalbeträge von Beamten, die nach dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47/11 – juris Rn. 12, 21).
Des Weiteren kommt hier auch keine Erhöhung durch eine Verrentung des am 28. März 2008 noch nicht infolge Ruhens aufgezehrten Betrages der Kapitalabfindung ab diesem Zeitpunkt gemäß § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG in Betracht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47/11 – juris Rn. 15 ff.). Dies ergibt sich daraus, dass die im Rahmen der Verrentung heranzuziehende Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 Bewertungsgesetz aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedliche Kapitalwerte zu Grunde legt und die darauf fußende Berechnungsmethode und ihre Folgen einen Verstoß gegen die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen darstellt. Um dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts Rechnung zu tragen, darf diese Berechnungsmethode vorliegend nicht angewendet werden. Der Kläger kann sich auf die Richtlinie 2006/54/EG auch unmittelbar berufen. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897) erlassen, hierbei aber keine Gleichstellung bei der vorliegenden Berechnungsmethode vorgenommen. Im Gegenteil hat er sie noch in der Neufassung des § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG ausdrücklich festgeschrieben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Einzelne vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regelungen einer Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie bis zum Ablauf einer Umsetzungsfrist und erst recht danach nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat (vgl. EuGH – Große Kammer – U.v. 22.11.2005 C 144/04 – juris). Vorliegend ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1h der Richtlinie 2006/54/EG das eindeutige und unmissverständliche Verbot an die Mitgliedstaaten, nach dem Geschlecht differenzierte Ruhestandsentgelte zu gewähren. Genau das Gegenteil sehen jedoch die nach Männern und Frauen differenzierenden Kapitalwerte in der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 Bewertungsgesetz zur Berechnung des Verrentungsbetrages nach § 56 Abs. 3 BeamtVG vor. Angesichts dieses eindeutigen Charakters des Diskriminierungsverbotes und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht für die erkennende Kammer auch kein Anlass, den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV zu ersuchen. Vielmehr kann das Gericht selbst den Verstoß und damit die Unanwendbarkeit der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 Bewertungsgesetz feststellen. Dieser Verstoß hat weiterhin zur Folge, dass die gesamte Berechnungsmethode nicht angewendet werden kann (vgl. zum Ganzen OVG Rh-Pf., U.v. 15.4.2011 – 10 A 11144/10 – juris Rn. 54 ff.; im Nachgang BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47/11 – juris 23, 29 ff. – dort nicht entscheidungserheblich, jedoch mit Zweifeln an der Vereinbarkeit der Regelung mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Entgeltgleichheit (Art. 157 AEUV)). Dies entspricht im Übrigen offensichtlich auch der Rechtsauffassung der Beklagten, wie sich aus deren Schriftsätzen vom 14. November 2016 und 20. Februar 2017 ergibt.
3. Was den Zeitraum vor der vollständigen Aufzehrung des Kapitalabfindungsbetrages angeht, so ist keine der oben genannten Fallgruppen einschlägig, die zu einer Ermessensreduzierung auf Null und damit zu einer Verpflichtung zur Rücknahme der Ruhensregelung betreffend die klägerischen Versorgungsbezüge führen würde (vgl. OVG NRW, U.v. 7.12.2016 – 1 A 707/15 – juris, Rn. 102; U.v. 20.1.2016 – 1 A 2021/13 – juris). Es sind im vorliegenden Einzelfall auch keine darüber hinausgehenden Gesichtspunkte, wie z.B. besondere individuelle Härtegründe, vorgetragen oder ersichtlich, die hier ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden.
Auch jenseits der Frage einer Ermessensreduzierung auf Null hat die Beklagte ihr Ermessen – zumindest im Widerspruchsbescheid vom 7. März 2014 – für den hier in Rede stehenden Zeitraum ordnungsgemäß ausgeübt, indem sie den Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem der Rechtssicherheit abgewogen hat. Die Beklagte hat vorliegend der Rechtssicherheit als wesentlichem Element der Rechtsstaatlichkeit den Vorrang eingeräumt; sie hat hierbei in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Nichtausschöpfung des Rechtsweges durch den Kläger sowie auf fiskalische Interessen durch Belastungen für die öffentlichen Haushalte hingewiesen (vgl. insoweit Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage, § 48 Rn. 78). Darüber hinaus hat sie das Vorliegen besonderer Umstände, die zu einer Ermessensreduzierung führen könnten, geprüft und rechtsfehlerfrei verneint, wobei im Zeitraum vor der vollständigen Aufzehrung der Kapitalabfindung durch das angeordnete teilweise Ruhen der Versorgungsbezüge dieser Aspekt keiner gesonderten Erwähnung bedurfte. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO sind in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nach alledem nicht ersichtlich.
Angesichts des gestellten Klageantrages kam vorliegend eine Teilabweisung der Klage nicht in Betracht.
4. Nach alledem kommt es auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob Ziffer 2 der Anlage 1 zum Ruhensbescheid vom 3. Januar 2005, wonach der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung bzw. den verrenteten Betrag nicht übersteigen dürfe, so auszulegen ist, dass sich nach dem vollständigen Abschmelzen der Kapitalabfindung infolge Ruhens von Versorgungsbezügen der zugrunde liegende Verwaltungsakt entsprechend § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt hat und für einen darüber hinausreichenden Einbehalt von Versorgungsbezügen demgemäß keine Rechtsgrundlage mehr existiert, nicht mehr an.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.

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