Aktenzeichen 1 O 623/17
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Passau zur Entscheidung des Rechtsstreits sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1, GVG sowie örtlich nach §§ 12, 13 ZPO zuständig.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
1. Dabei kann es vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin zu 2) im Hinblick auf die als Anlage K 13 vorgelegte Abtretungsvereinbarung zur gerichtlichen Geltendmachung überhaupt aktivlegitimiert ist.
Ebenso wenig kommt es für die vorliegende Entscheidung darauf an, ob das Gericht an die Feststellungen des Vorprozesses im Sinne der Präjudizilität gebunden ist oder ob die Voraussetzungen von § 313 BGB gegeben sind.
2. Denn ein den Klägern nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB u.U. zustehendes Rücktrittsrecht war jedenfalls bei Ausübung verfristet.
2.1. Auf das klägerseits mit Schreiben vom 23.12.2016 ausgeübte Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB findet in analoger Anwendung des § 218 BGB die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB Anwendung.
Mit Beschluss vom 3.12.2014 (Az. XII ZB 181/13, NJW 2015, 1014) hat der BGH im Falle einer Grundstücksschenkung durch Schwiegereltern für den Fall des Scheiterns der Ehe entschieden, dass sich die Verjährung der gemäß § 313 Abs. 1 BGB erfolgenden Vertragsanpassung einer Grundstücksschenkung nach § 196 BGB richtet (dort, Tz. 35 m.w.N.). Dabei war die Vertragsanpassung auf dingliche Rückgewähr des dem Schwiegerkind geschenkten Grundeigentums gerichtet. Der BGH führte aus, dass § 196 BGB nicht nur auf vertragliche, sondern auch gesetzliche Ansprüche und zwar sowohl wechselbezügliche wie etwa Rückabwicklungsansprüche aus einem nichtigen Grundstückskaufvertrag als auch solche, bei denen ein Gegenseitigkeitsverhältnis nicht bestehe, wie etwa Bereicherungsansprüche Anwendung finde. Es sei auch nicht von Bedeutung, dass aus § 313 Abs. 1 BGB lediglich ein Anspruch auf Vertragsanpassung folge und erst diese zu Rückgewähransprüchen führten. Der Gesetzeszweck des § 196 BGB bestehe darin, Ansprüche nicht der 3-jährigen Regelverjährung des § 195 BGB zu unterwerfen, wenn sie sich auf die Übertragung von Immobiliarrechten bezögen.
Anders als die Kläger meinen, ist die ratio des Beschlusses des BGH nicht nur auf den Fall einer Schwiegerelternschenkung beschränkt, sondern gilt allgemein, wenn der Anpassungsanspruch auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet ist; in diesem Fall ist unabhängig vom Rechtsgrund § 196 BGB anwendbar (MüKo/Finkenauer, BGB, 7. Aufl. 2016, BGB § 313, Rn. 109). Warum im Falle einer rückabzuwickelnden Gründstücksübertragung nach § 313 Abs. 1 BGB eine andere Verjährungsfrist Anwendung finden sollte, als bei Rückabwicklung einer Grundstücksübertragung aufgrund ausgeübten Rücktritts nach § 313 Abs. 3 BGB würde sich schlechterdings auch nicht erschließen. Eine unterschiedliche Behandlung von Anpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 BGB und Rücktrittsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB wäre aus Sicht des Gerichts nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf die in für den Rücktritt § 218 BGB getroffene Wertung wäre es weder konsequent noch sinnvoll dem Anpassungsanspruch der Regelverjährung bzw. § 196 BGB zu unterwerfen, den Rücktritt aber gleichsam unverjährbar auszugestalten – wie es die Kläger vortragen – und nur mittels des Rechtsinstitutes der Verwirkung zu begrenzen. Konsequenterweise gelten daher für die Ausübung beider in § 313 Abs. 3 BGB enthaltenen Gestaltungsrechte im Wege der analogen Anwendung des § 218 Abs. 1 die Fristen der §§ 195 ff. BGB (vgl. auch MüKo/Finkenauer, BGB, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 111; BeckOK/Unberath, 44. Ed. 1.3.2011, BGB § 313 Rn. 95), mithin auch § 196 BGB. Hierfür spricht letztlich auch der Beschluss des BGH vom 3.12.2014.
Wollte man den Klägern in ihrer Argumentation folgen und § 196 BGB im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung bringen, wäre konsequenterweise die 3-jährige Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB zur Anwendung zu bringen.
2.2. Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB begann im vorliegenden Fall ab 13.11.2005 zu laufen und endete somit mit Ablauf des 12.11.2015.
Für Ansprüche, die nach § 196 BGB verjähren, beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich taggenau mit der Entstehung des Anspruchs und nicht erst mit dem Schluss des Jahres, wie in § 199 Abs. 1 BGB vorgesehen.
Bereits das OLG München hat in seinem Urteil vom 2.12.2010 zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Kläger letztlich nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB, sondern auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 2 BGB stützen. Für Ansprüche, die sich auf § 313 Abs. 2 BGB stützen, beginnt die Verjährung damit mit dem Zutagetreten der Fehlvorstellungen (MüKo/Finkenauer, BGB, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 109).
Im vorliegenden Fall ist auf den 12.11.2005 für das Zutagetreten der Fehlvorstellungen bei den Klägern abzustellen. Der Kläger zu 1) hatte im Vorprozess vor der dritten Zivilkammer des Landgerichts Passau vortragen lassen, er habe anlässlich eines am 12.11.2005 erschienenen Artikels in der PNP (dort Anlage K3) erfahren, dass die Beklagte auf den gekauften Grundstücken Lehmabbau beabsichtige, um ihren Rohstoffbedarf langfristig zu sichern (Blatt 8 der Akte 3 O 968/08). Der jetzige Vortrag des Klägers, er habe anlässlich eines Artikels vom 12.10.2016 (Anlage K8) erfahren, dass die Aufnahme des Rohstoffabbaues nunmehr zeitnah bevorstehe, weswegen als maßgeblicher Zeitpunkt dieses Datum heranzuziehen sei, verfängt nicht.
Maßgeblich ist nach § 313 Abs. 2 BGB das Zutagetreten der Fehlvorstellungen. Dass sich die Kläger den Klägern die Tatsache gewahr waren, dass hinsichtlich des Lehmabbaus unterschiedliche Vorstellungen bei den Parteien bestehen, zeigt sich schon unwiderleglich an dem am 4.8.2008 erhobenen Klage des Klägers auf Vertragsanpassung.
2.3. Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde auch nicht gehemmt.
2.3.1. Eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgrund des Vorprozesses ist nicht eingetreten.
Der Umfang der Hemmung wird durch den Streitgegenstand einer Klage bestimmt (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 204 Rn. 13). Es gilt der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff, der durch Antrag und Lebenssachverhalt bestimmt wird.
Im Verfahren 3 O 968/08 bzw. 8 U 3618/10 hatte der Kläger Leistungsklage auf Zahlung weiterer 2.165.000 €, hilfsweise Feststellungsklage erhoben. Vorliegend begehren die Kläger Herausgabe, Rückauflassung und Bewilligung der Eigentumsumschreibung Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 506.200 €.
Bereits aus den unterschiedlichen Anträgen erfolgt daher die fehlende Streitgegenstandsidentität, weswegen durch den Vorprozess keine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB für das vorliegende Verfahren eintreten konnte. Auf die Frage der Parteienidentität zwischen Vorprozess und hiesigem Verfahren kam es daher von vornherein nicht entscheidend an.
2.3.2. Auch aus § 213 BGB folgt vorliegend ebenfalls keine Hemmung.
Das von den Klägern geltend gemachte Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB kann schon nicht wahlweise neben oder an Stelle des Anpassungsanspruches nach § 313 Abs. 1, 2 BGB geltend gemacht werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung muss es sich aber für eine Anwendbarkkeit von § 213 BGB um einen anderen Anspruch gegen den gleichen Schuldner handeln, der auf das gleiche wirtschaftliche Interesse gerichtet sein muss. Weiter muss das Gesetz dem Gläubiger von vornherein mehrere Ansprüche zur Wahl stellen oder ihm ermöglichen in Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Interesses von einem zum anderen Anspruch überzugehen (BT-Drucksache 14/6040, S. 122). Ein solcher Fall wahlweiser Ausübung liegt im Verhältnis zwischen Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1, 2 BGB und Rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB allerdings schon nicht vor. Anders als die Kläger meinen, handelt es sich hierbei nämlich nicht um einen Fall elektiver Konkurrenz. Denn ein Rücktritt nach § 313 Abs. 3 S. 1 BGB kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn eine Anpassung des Vertrages (nach Abs. 1, Abs. 2) nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist (Palandt/Grüneberg, a.a.O., Rn. 42).
Zudem fehlt es auch an der wirtschaftlichen Identität der hiesigen und im Vorprozess geltend gemachten Ansprüche. Während der Kläger im Vorprozess Zahlung von weiteren 2.175.000 € forderte, werden vorliegend Rückabwicklungsansprüche auf Rückübertragung von Grundstücken geltend gemacht. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist es erforderlich, dass die Ansprüche auf das gleiche wirtschaftliche Interesse gerichtet sind (BT-Drucksache 14/6040, S. 122). Wirtschaftlich betrachtet sind diese Positionen auf unterschiedliche Interessen – Zahlung einerseits, Eigentumsverschaffung andererseits – gerichtet, so dass es auch insoweit an den Voraussetzungen von § 213 BGB fehlt.
2.3.3. Da die Verjährungsfrist bereits zum 12.11.2015 abgelaufen war, spielten auch die zumindest ab Mitte Januar 2017 unstreitig erfolgten Verhandlungen der Parteien keine Rolle mehr im Hinblick auf eine mögliche Verjährungshemmung nach § 203 BGB.
III.
Die Sache war auch nicht gemäß § 348 Abs. 3 ZPO der Kammer vorzulegen.
Vorab festzuhalten ist, dass den Kläger vorliegend schon kein „Recht auf Vorlage“ zusteht. Ein den Einzelrichter bindende übereinstimmender Antrag der Parteien nach § 348 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ZPO war nicht gegeben. Der Antrag einer einzelnen Partei, die Sache vorzulegen, ist für den Einzelrichter lediglich eine Anregung, die Vorlagefrage zu prüfen. Da auf ein Unterlassen der Vorlage ein Rechtsmittel nicht gestützt werden kann, braucht der Antrag auch nicht förmlich beschieden zu werden (MüKo/Stackmann, ZPO, 5. Aufl. 2016, Rn. 20).
Im Übrigen lagen die Vorlagevoraussetzungen des § 348 Abs. 3 nicht vor, da die Sache weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufwies oder grundsätzliche Bedeutung hatte.
Ein Rechtsstreit weist grundsätzlich dann besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art nach § 348 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf, wenn die Schwierigkeiten des Rechtsstreits erheblich über dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad der landgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten liegen.
An diesen Maßstäben gemessen lag beim vorliegenden Verfahren kein Sachverhalt vor, der über den Schwierigkeitsgrad der üblicherweise beim Landgericht Passau verhandelten Fälle liegen würde. Auf eine bevorstehende komplexe und schwierige Beweisaufnahme kam es im Hinblick auf die Verjährung von vornherein nicht an. Sie wäre im Übrigen auch weder umfangreich noch komplex ausgefallen, da sie sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Besprechung der Parteien am 22.3.2005 gerichtet hätte. Die Höhe des in Streit stehenden Betrages alleine ist ebenfalls keine Rechtfertigung für eine Vorlage an die Kammer.
Dies gilt auch für die Bewertung in rechtlicher Hinsicht. Die vorliegende Entscheidung betrifft insbesondere Verjährungsfragen im Zusammenhang mit § 313 BGB. Zur Anwendbarkeit von § 196 BGB existiert höchstgerichtliche Rechtsprechung sowie darauf fußend Stellungnahmen in Literatur (vgl. Oben). Juristisches „Neuland“ wird durch die vorliegende Entscheidung ebenso wenig betreten, wie sie eine über den hiesigen Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die getroffene Entscheidung bewegt sich hinsichtlich Methodik und Vorgehen im Rahmen des Üblichen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
V.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.