Aktenzeichen M 4 K 16.33014
Leitsatz
1 Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, wenn der zuerkannte subsidiäre Schutzstatus nach $ 4 AsylG nicht zuvor von dem Betroffenen angegriffen wurde. (redaktioneller Leitsatz)
2 Keine asylrelevante Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG eines irakischen Staatsangehörigen, der seine Flucht aus dem Irak maßgeblich auf den Verdacht stützt, dass Waffen verschoben wurden und Geld unterschlagen wurde und er deshalb berufliche Nachteile erlitten habe sowie bedroht worden sei. Schutz vor Bedrohungen von dritter Seite ist insoweit bei der irakischen Polizei zu suchen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
1. Die Flüchtlingseigenschaft kann schon nicht zusätzlich zu dem bestehenden subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt werden. Der subsidiäre Schutzstatus setzt, wie bereits sein Name besagt, voraus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht vorliegen (siehe die Definition in Art. 2 Buchstabe f der im AsylG umgesetzten EU-Qualifikationsrichtlinie). Der Bevollmächtigte hat jedoch den in Ziffer 1 des Bescheides zuerkannten subsidiären Schutzstatus nicht angegriffen.
2. Im Übrigen sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG wegen fehlender politischer Verfolgung nicht gegeben.
a. Der Vortrag des Klägers zu 1, zu seinen Vorfluchtgründen reicht nicht für eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG. Er führt zu keiner begründeten Furcht vor Verfolgung in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerwG, B. v. 10.07.1989 – 2 BvR 502/86 u. a. – BVerwGE 80, 315).
Teilweise geht der Internationale Flüchtlingsschutz im Ergebnis der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylG auch selbstgeschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Schließlich umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Schutz vor Verfolgung wegen der Religion im Ergebnis der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1b der Richtlinie 2011/95/EU auch die Religionsausübung im öffentlichen Bereich sowie sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen, die sich auf eine religiöse Betätigung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.
Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und es subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (vgl. BVerwG, U. v. 01.03.2012 – 10 C 7/11 – juris). An dessen Stelle gilt nunmehr nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Hierdurch wird den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen (vgl. EuGH, U. v. 02.03.2010 – Rs. V 175/08 u. a., Abdulla). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich verfolgungsbegründende bzw. schadensstiftende Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Dessen ungeachtet ist es Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU. Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung u. a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondre zu behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.
Beruft sich der Ausländer indes zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, so gilt die das Maß der Darlegungsanforderungen bestimmende Beweiserleichterung nicht, bestehenden Beweisschwierigkeiten außerhalb des Herkunftsstaates fortbestehen. Der Flüchtling hat vielmehr die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgungen i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Nachfluchtgründe in einem Verhalten des Ausländers bestehen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1a AsylG. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.
Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Das Gericht verweist insoweit auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist gegenüber dem Kläger zu 1 nicht festzustellen. Der Kläger hat sowohl gegenüber dem Bundesamt als auch dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2016 seine Flucht maßgeblich auf den Verdacht gestützt, dass Waffen verschoben und Geld unterschlagen wurde und er deshalb berufliche Nachteile erlitten habe und bedroht worden sei. Damit knüpft das Vorbringen des Klägers bereits an keines der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale einer asylrelevanten Verfolgung an. Bei dieser Sachlage ist der Kläger darauf zu verweisen, Schutz vor Bedrohungen von dritter Seite durch Inanspruchnahme der irakischen Polizei zu suchen. Die kurdische Regionalregierung ermittelt auch bereits in dieser Sache (vgl. der vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte Zeitungsbericht; S. 24 d. Gerichtsakte). Dasselbe gilt für die Kläger zu 2 und 3.
b. Ein beachtlicher Nachfluchtgrund nach § 28 Abs. 1a AsylG ist nicht dargetan oder ersichtlich.
Als unterlegene Partei haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.