Verwaltungsrecht

Subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt – Keine ernsthafte Gefahr im Herkunftsland Afghanistan

Aktenzeichen  W 5 K 17.30927

Datum:
14.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6553
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3a, § 4 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Obwohl die Sicherheitslage in Gesamtafghanistan und auch in der Provinz Herat weiterhin angespannt bleibt, sich seit Abzug der internationalen Truppen 2014/2015 grundsätzlich auch verschlechtert hat und die Aufständischen größere Bewegungsfreiheit haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der den innestaatlichen Konflikt kennzeichnete Grad willkürlicher Gewalt die kritische Gefahrendichte für Zivilpersonen erreicht (vgl. auch BayVGH BeckRS 2018, 37516).(Rn. 23 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausgehend von den Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Hauptstadt Kabul als voraussichtlichen End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung können humanitäre Gründe nur bei ganz außergewöhnlichen Fällen nach § 60 Abs. 5 AuenthG iVm Art. 3 EMRK einer Abschiebung zwingend entgegenstehen (vgl. dazu auch BVerwG BeckRS 2013, 49252 insb. Leitsatz 3; VGH BW BeckRS 2018, 27989). (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der EMRK auch für einen im Iran geborenen alleinstehenden, männlichen, arbeitsfähigen, afghanischen Staatsangehörigen dar. (Rn. 41 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes und keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan. Der Bescheid des Bundesamts für Migration Flüchtlinge vom 15. Februar 2017 ist insoweit (Ziffern 3 bis 6) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
1.1.
Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Er hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.
1.2.
Der Kläger hat auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden durch Folter oder durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C – 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25).
Aufgrund des Vortrags des Klägers in der persönlichen Anhörung durch das Bundesamt sowie in seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung steht für das Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ausgesetzt wäre. Das Vorbringen des Klägers zu seinen Fluchtgründen ist nicht geeignet, eine in seinem Heimatland bestehende, relevante Verfolgungs- oder Bedrohungslage aufzuzeigen.
Die diesbezüglichen Schilderungen des Klägers sind vage und oberflächlich geblieben und vermochten in wesentlichen Teilen nicht den Eindruck eines realen Geschehensablaufs zu vermitteln. Die Darstellung des Klägers, er sei Zeuge eines Anschlags auf eine Person namens … R* … gewesen, hält das Gericht – jedenfalls so wie geschildert – für unglaubhaft. Abgesehen davon, dass die Geschehnisse von einer Vielzahl zusammentreffender Zufälligkeiten geprägt sind, hat sich der Kläger in erheblicher Weise widersprochen. Während er vor dem Bundesamt angegeben hatte, dass einer der beiden Attentäter eine „Maske verloren“ habe, führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass ihm beim Wegfahren ein „Schal verrutscht“ sei. Vor dem Bundesamt sprach der Kläger davon, dass die „Leute von A* …“ seinen Bruder zuhause aufgesucht hätten, während er in der mündlichen Verhandlung angab, dass der Mann namens A* … selbst mit einer weiteren Person bei seinem Bruder zuhause aufgetaucht sei. Unglaubhaft ist auch die Einlassung des Klägers vor dem Bundesamt, wonach der Mann namens A* … seinen Bruder angerufen und mitgeteilt habe, dass sie seine Nummer herausgefunden hätten und es deshalb auch ein Leichtes sei ihn und seine Frau zu finden. Diese Äußerung ist bereits deshalb kaum nachzuvollziehen, weil dem Mann namens A* … bzw. seinen Leuten der Wohnort vom Bruder des Klägers ohnehin bekannt war. Abgesehen davon hat der Kläger zum Inhalt des Anrufs in der mündlichen Verhandlung komplett andere Angaben gemacht, nämlich dahingehend, dass der Mann namens A* … gedroht habe, den Kläger und seinen Bruder umzubringen, wenn sie bei der Polizei seinen Namen nennen würden. Der Kläger machte auf das Gericht insgesamt einen unglaubwürdigen Eindruck, da seine Einlassungen einstudiert und teilweise aus asyltaktischen Gründen nachgeschoben wirkten. Vor dem Hintergrund all dessen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger in seinem Heimatland keiner relevanten Verfolgungs- oder Bedrohungslage unterlegen war.
1.3.
Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach einer internen Schutzmöglichkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG offenbleiben.
1.4.
Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Herat.
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Dabei kann offenbleiben, ob in Afghanistan ein bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegt, weil jedenfalls die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt i.S.d. vg. Vorschrift nicht gegeben sind.
Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt aber außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen (EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – Elgafaji -, NVwZ 2009, 705 Rn. 43 und v. 30.1.2014 – C-285/12 – Diakité -, NVwZ 2014, 573 Rn. 30). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 17. November 2011 (10 C 13.10, Rn. 22 und 10 C 11.10, Rn. 20; beide juris), bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres, ein Risiko von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris) geht weiterhin davon aus, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen.
Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch wenn man bei Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel (insbesondere Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31.5.2018; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage – Update, 12.9.2018; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.8.2018; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan: Security Information, Update von Mai 2018; ECOI, Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul vom 23.5.2018) zugrunde legt, dass die Sicherheitslage in Gesamtafghanistan und auch in der Provinz Herat weiterhin angespannt bleibt und sich seit Abzug der internationalen Truppen 2014/2015 grundsätzlich auch verschlechtert hat und die Aufständischen größere Bewegungsfreiheit haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnete Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in diesen Regionen einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
In der Provinz Herat (geschätzte Einwohnerzahl: 1.967.180, vgl. BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 101) wurden im Jahre 2018 259 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2018 Afghanistan, Februar 2019, S. 68). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag somit für beide Provinzen im Jahr 2018 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris).
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der Abhandlung von Frau Friederike Stahlmann (Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei, so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau Stahlmann alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau Stahlmann eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht.
Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind nicht erkennbar. Die Gefahr für den Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts vielmehr mit Blick auf die vorliegenden Erkenntnismittel und die Zahl der gezielten Anschläge noch nicht in einer Weise verdichtet, dass er – auch unter Berücksichtigung seiner Volks- oder Religionszugehörigkeit – eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG befürchten müsste.
2.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2.1.
Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht.
In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37).
Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan führt im Fall des Klägers ebenfalls nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Zwar können bei entsprechenden Rahmenbedingungen auch schlechte humanitäre Verhältnisse eine entsprechende Gefahrenlage begründen. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; ausführlich: VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris m.w.N.).
Gegenwärtig stellt sich die allgemeine Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul im Wesentlichen wie folgt dar:
Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6%). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25% auf 39% gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung – insbesondere Rückkehrer – weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen – ein Drittel der afghanischen Bevölkerung – humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).
Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken – etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen – oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).
Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2,1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44% Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).
Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55% (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7% (2007/08) bzw. 38,3% (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54% der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons – IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4% der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55% der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).
Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87% der IDPs und 84% der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 – 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität – insbesondere in den größeren Städten – aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile – Update, 12.9.2018, S. 20-22).
Ausgehend von den Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Hauptstadt Kabul als voraussichtlichen End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung (ausführlich: VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris) gelangte das Gericht nicht zu der Überzeugung, dass im Falle des Klägers nach den dargelegten Maßstäben ein ganz außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegenstehen.
Die obergerichtliche Rechtsprechung schätzt weiterhin die Lage in Afghanistan nicht derart ein, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris; BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a ZB 17.31960; B.v. 29.11.2017 – 13a ZB 17.31251 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167).
Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch diejenige des Bundesverwaltungsgerichts (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 und 11449/07 – NVwZ 2012, 681 und BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167) machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, wenn die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont (BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3; vgl. auch BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Eine solche besondere Ausnahmekonstellation ist vorliegend nicht gegeben. Aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan (vgl. vorstehende Ausführungen) lässt sich zwar entnehmen, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zulassen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die keine Berufsausbildung haben und über keinen aufnahmefähigen Familienverband verfügen (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 391 ff.). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris m.w.N.; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Hiervon ist auch im Hinblick auf die individuellen Lebensumstände des Klägers auszugehen. Bei ihm handelt es sich um einen 19-jährigen, arbeitsfähigen Mann. Insbesondere dürfte dem Kläger eine Vielzahl von Tagelöhnertätigkeiten möglich sein. So hat er im Iran zwei bis drei Jahre privaten Schulunterricht gehabt und ist in Afghanistan ein weiteres Jahr in eine Koranschule gegangen. Im Iran hat er ca. ein bis zwei Jahre lang als Schneider gearbeitet und in Afghanistan hat er seinem Bruder, der Taxifahrer war, bei seiner Tätigkeit geholfen. In Deutschland hat er zwei Jahre lang die Berufsintegrationsklasse besucht und den Mittelschulabschluss erworben. Seit September 2018 bestreitet er einen Ausbildungsgang zum Kinderpfleger. Er spricht neben Dari und Farsi etwas Türkisch und Deutsch. Damit verfügt der Kläger über einen Bildungsstand und über eine berufliche Qualifikation, mit denen er gegenüber den vielen Analphabeten und gering Qualifizierten in seinem Heimatland klar im Vorteil und auch in der Lage ist, ein erheblich breiteres Spektrum an Tätigkeiten auszuüben, was seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig erhöht. Mit seinen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger ausweislich der (erst kurz vor der mündlichen Verhandlung) vorgelegten (fach-)ärztlichen Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dr. … Dr. … vom 20. April 2017 unter einer mittelgradig depressiven Episode litt bzw. der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung bestand. Die ärztliche Bescheinigung ist weder aktuell noch – mangels hinreichender Substantiierung der aufgestellten Diagnostik – inhaltlich geeignet, ein entsprechendes Krankheitsbild beim Kläger aufzuzeigen (vgl. auch nachstehende Ausführungen unter 2.2.). Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, dass er zuletzt vor ca. vier bis fünf Monaten in fachärztlicher Behandlung gewesen sei und aktuell keine Medikamente mehr einnehme. Er hat auf den Einzelrichter im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch keinen ernsthaft belasteten Eindruck gemacht. Wenngleich ein weiterer Arztbesuch noch im März 2019 von ihm geplant ist, kann nach aktueller Sachlage nicht von einem relevanten Krankheitsbild ausgegangen werden. Es fehlen somit ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustands die Möglichkeit zur Erwirtschaftung seines Existenzminimums in Afghanistan verlieren könnte. Er ist – wofür auch sein Ausbildungsweg zum Kinderpfleger spricht – in vollem Umfang erwerbsfähig. Schließlich kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. Nach allem ist davon auszugehen, dass sich hinsichtlich des Klägers kein ganz außergewöhnlicher Fall ergibt, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würden und somit humanitäre Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ wären.
2.2.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann aus individuellen Gründen – etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit – der Fall sein, kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Von einer solchen Unzumutbarkeit ist auszugehen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – NVwZ 2013, 1489; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; vgl. zudem BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 13).
Eine solche, extreme Gefahrenlage kann vorliegend nicht angenommen werden. Zum einen besteht – wie sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bereits ergibt – keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere bestehen in seiner Person keine hier zu berücksichtigenden Besonderheiten gesundheitlicher Art. Zum anderen droht dem Kläger auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus (BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris). Vorliegend vermögen die – fraglos schlechten – Lebensverhältnisse nach den vorstehenden Ausführungen keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann mit den von ihm erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, vermag das Gericht danach nicht festzustellen.
Zugunsten des Klägers greift auch kein Abschiebungsverbot wegen seines Gesundheitszustandes ein. Die vorgelegte (fach-)ärztliche Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dr. …Dr. … vom 20. April 2017 vermag eine entsprechende Gefahr nicht aufzuzeigen.
Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (zur Anwendung des § 60a Abs. 2c AufenthG im Rahmen des zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2019 – 13a ZB 17.31174; B.v. 13.12.2018 – 13a ZB 18.33056 – juris; OVG Hamburg, B.v. 23.9.2016 – 1 Bs 100/16; VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris; VG Augsburg, B.v. 6.6.2016 – Au 6 S 16.30662 – juris). Der Ausländer muss danach eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können daher nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. hierzu: Hailbronner, AuslR, Stand: März 2017, § 60 AufenthG Rn. 90; OVG NW B.v. 6.9.2004 – 18 B 2661/03 – NVwZ-RR 2005, 359). Kopfschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder Beeinträchtigungen der allgemeinen Befindlichkeit als Folge depressiver Schübe reichen daher im Allgemeinen nicht mehr aus, um ein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass eine hinreichend schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden kann (BT-Drs. 18/7538, S. 18).
Nach diesen Grundsätzen wurde durch das vorgelegte Attest eine relevante Erkrankung des Klägers schon nicht glaubhaft gemacht, da es den o.g. Anforderungen nicht entspricht. Abgesehen davon, dass es bereits nicht den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers wiedergibt, lässt sich ihm die Methode der Tatsachenerhebung nicht entnehmen. Insbesondere ist hieraus nicht ersichtlich, wie die Erstellerinnen des Attests die der Diagnose zugrundeliegenden Tatsachen ermittelt haben, etwa ob sie sich hierfür eines Sprachmittlers bedient oder unmittelbar mit dem Kläger kommuniziert haben. Darüber hinaus ist völlig unklar, welche Tatsachen dem Attest zugrunde gelegt wurden und ob diese den Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung entsprechen. Die im Attest enthaltenen Aussagen, dass von einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes auszugehen ist, sollten die psychotherapeutischen Behandlung und die beraterischen Interventionen der Lebensumwelt ausgesetzt werden, und dass im konkreten Fall unter anderem von einer bedeutsamen Zunahme panikartiger Ängste, gravierenden Schlafstörungen, einer Zunahme körperlicher Beschwerden, der Gefahr von unkontrolliertem Substanzmissbrauch und letztlich einer suizidalen Handlung des Klägers auszugehen sei, sind somit in keiner Weise näher begründet oder unterlegt worden.
Im Ergebnis kann bei dieser Sachlage anhand der bisher vorgelegten Unterlagen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger eine lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
3.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Nr. 5 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
4.
Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheides) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
5.
Aus den genannten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben.

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