Aktenzeichen AN 17 K 18.50263
Leitsatz
1 Gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, ist die Anfechtungsklage die alleinige statthafte Klageart. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Rahmen des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens und dem Konzept der normativen Vergewisserung obliegt es den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte entspricht, widerlegt wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 In Ungarn läuft ein Asylbewerber Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass systemische Mängel im ungarischen Asylverfahren und den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und damit abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Februar 2018 ist – mit Ausnahme der Ziffer 3 des Bescheidstenors – rechtmäßig. Er verletzt den Kläger insgesamt nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 5 VwGO), so dass die Klage, auch hinsichtlich der Ziffer 3 des Bescheids, erfolglos bleibt.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage grundsätzlich die statthafte Klageart gegen den angefochtenen Bescheid. Auch die Verpflichtungsklage gerichtet auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Ungarn ist daneben zulässig.
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die alleinige statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht (vgl. BVerwG U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; BayVGH U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel.
Diese Überlegungen stehen indes nicht der Zulässigkeit der Verpflichtungsklagen hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG entgegen, da insoweit durch das Bundesamt bereits eine Sachprüfung stattgefunden hat. Die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG stellt einen eigenständigen Streitgegenstand dar, über deren Vorliegen das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG neben der Unzulässigkeitsentscheidung zu befinden hat. Dementsprechend kann dieser Streitgegenstand durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden (vgl. BVerwG U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris, Rn. 20).
Die Klage ist auch fristgerecht erhoben. Die in der Rechtsmittelbehrung benannte Frist von zwei Wochen nach § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG ist eingehalten. Es kann damit dahin stehen, ob diese unrichtig ist, weil die Wochenfrist nach § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG gilt, und ob die Unrichtigkeit gegebenenfalls zum Lauf der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO führt.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Bundesamt hat den Antrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dem Kläger wurde in Ungarn am 16. Oktober 2017 subsidiärer Schutz gewährt. Auch die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Ungarn nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere steht die allgemeine Lage in Ungarn einer Rückführung von dort anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten nicht entgegen.
a) Nach der umfassenden Ermittlung und Auswertung der verfügbaren und beigezogenen Erkenntnisquellen stellt sich die Lage in Ungarn für international Schutzberechtigte im Falle einer Rückkehr aktuell wie folgt dar:
In Ungarn anerkannte Schutzberechtigte (anerkannte Flüchtlinge ebenso wie subsidiär Schutzberechtigte) erhalten nach ihrer Anerkennung einen ungarischen Identitätsausweis mit einer Gültigkeit von drei Jahren. Nach Ablauf der drei Jahre findet von Amts wegen eine Regelüberprüfung statt, ob die Gründe für die Anerkennung weiterbestehen oder andere Gründe für eine Rücknahme der Zuerkennungsentscheidung existieren (Asylum Information Database – aida -, Country Report: Hungary, S. 97 und 99). Bei einer Rückführung, die über den Flughafen Budapest erfolgt und von der ungarischen Polizei koordiniert wird, können Personen, die internationalen Schutz genießen, den Flughafen frei verlassen (Auswärtige Amt, Anfragebeantwortung an das VG Braunschweig vom 25.4.2018) und sich in Ungarn auch im Weiteren frei bewegen (aida, S. 105). Reisedokumente für den Grenzübertritt in andere Staaten werden international Schutzberechtigten erteilt, wobei die Ausstellung aber auf bürokratische Hindernisse im Zusammenhang mit der Vorlage hierfür notwendiger Dokumente stoßen kann (im Einzelnen aida, S. 106).
Zurückgeführte Schutzberechtigte sind ab ihrer Ankunft in Ungarn auf sich selbst gestellt. Sie erhalten keine spezielle staatliche Betreuung oder Unterstützung mehr (Liaisonbeamter Ungarn des Bundesamts zur Anfrage an das Auswärtiges Amt vom 2.8.2018), sie erhalten jedoch die gleichen sozialen Leistungen wie sie ungarischen Staatsangehörigen gewährt werden (Auswärtiges Amt an das VG Braunschweig vom 25.4.2018 und an das VG Trier vom 29.5.2018, aida, S. 109). Aufgrund von Sprachschwierigkeiten und bürokratischer Hürden sind international Schutzberechtigte oftmals Problemen ausgesetzt (aida, S. 107, 109). Die im Jahr 2013 eingeführte Möglichkeit einer Integrationsvereinbarung besteht infolge von Gesetzesänderungen im April und Juni 2016 – anders als das Bundesamt dies in seinem Bescheid zugrunde legt – nicht mehr (aida, S. 106/107). Auch spezielle Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse werden anerkannt Schutzberechtigten staatlicherseits nicht mehr angeboten.
Eine kostenlose staatliche Unterbringung von Schutzberechtigten ist nur noch innerhalb der ersten 30 Tage nach der Anerkennungsentscheidung möglich (aida, S. 107). Für die Vermittlung von Wohnungen an Obdachlose sind die Kommunalverwaltungen zuständig. Für die Vermittlung von Sozialwohnungen ist jedoch teilweise ein längerer Aufenthalt im entsprechenden Kommunalbezirk Voraussetzung (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018), sodass Rückkehrer auf Schwierigkeiten stoßen.
Das ungarische Sozialsystem gewährt grundsätzlich Versicherungsschutz für Krankheit, Mutterschutz, Alter, Invalidität, Berufskrankheiten und -unfälle, Hinterbliebene, Kindererziehung und Arbeitslosigkeit. Der Bezug von Sozialhilfe setzt jedoch voraus, dass zuvor eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mindestens ein Jahr lang ausgeübt worden ist. Die Sozialhilfe beträgt mit umgerechnet 83,00 EUR dabei ca. 30% des Existenzminimums, das bei 288,00 EUR liegt (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018). Kinder erhalten Hilfe in Form von Kindergeld, Eingliederungshilfen in der Schule und dort bei Bedarf kostenlose Schulverpflegung und Schulmaterialien (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018, aida, S. 107). Die Schulen sind zur adäquaten Unterstützung der Kinder tatsächlich jedoch kaum in der Lage (aida, S. 108).
Sozialhilfeberechtigte und Arbeitssuchende sind gesetzlich krankenversichert. Bei Bedürftigkeit besteht ein kostenloser Krankenversicherungsschutz auch für andere Personengruppen (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018). Nach den ungarischen Gesetzen hat jeder Patient in dringenden Fällen darüber hinaus das Recht auf eine lebensrettende Versorgung und auf Vorbeugung gegen schwere oder bleibende gesundheitliche Schäden, wobei eine Notfallversorgung auch ohne Feststellung der Identität erfolgt (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018). Die speziellen Regelungen für Asylbewerber enden nunmehr sechs Monate nach der Zuerkennung eines Schutzstatus (aida, S. 109).
Der Arbeitsmarkt steht Schutzberechtigten, bis auf einige Berufe, die ungarischen Staatsangehörigen vorbehalten sind, offen (aida, S. 107). Die Arbeitslosenzahlen in Ungarn sinken. Im
2. Quartal 2017 waren 50.000 unbesetzte Stellen registriert (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018). Hauptschwierigkeit beim Finden einer Arbeitsstelle sind für Schutzberechtigte die fehlenden Sprachkenntnisse.
Nichtregierungsorganisationen, insbesondere kirchliche Träger unterstützen anerkannt Schutzberechtigte jedoch in zahlreichen Bereichen. Hervorzuheben sind insbesondere die Organisationen Menedek (https://menedek/hu) und Kalunba (http://kalunba.org), die bei der Vermittlung von Unterkünften und der sozialen Integration unterstützen und auch selbst Angebote machen. Sie bieten insbesondere Hilfen direkt bei der Ankunft aus dem Ausland an, vermitteln Sprachkurse und andere Bildungsangebote wie Job-Trainings, bieten diese zum Teil selbst an und kümmern sich vordringlich um Kinder und vulnerable Personen (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018, aida, S. 108). Mit den Organisationen kann dabei bereits vor der Rücküberstellung vom Ausland aus Kontakt aufgenommen werden. Rückkehrer können bis zu einem Jahr, auch kurzfristig, in von diesen Organisationen angemieteten Wohnungen untergebracht werden. Entsprechende Vermittlungen waren in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich (Auswärtiges Amt vom 25.4.2018). Wie sich aktuellen Auftritten im Internet entnehmen lässt, sind beide Organisationen weiter im Bereich der Unterstützung von anerkannten Migranten tätig. Sie werden zwar nicht mehr mit staatlichen Mitteln aus Ungarn und seit 2019 auch nicht durch das European Asylum, Migration and Integration Fund-Programm (AMIF-Programm) mitfinanziert, existieren aber unverändert fort, sind weiter tätig und finanzieren sich nach deren Darlegungen aus privaten Geldern. Jedenfalls soweit Nichtregierungsorganisationen anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte unterstützen, sind sie auch nicht von der ungarischen Gesetzgebung von Juni 2018 betroffen, die die Unterstützung von Flucht und Migration mit – insbesondere strafrechtlichen – Konsequenzen belegt. Menedek und Kalunba sind ersichtlich weiter in diesem Bereich tätig, anders als etwa die Organisation bzw. Gruppierung Migszol (http://www.mig-szol.com), die es sich vorwiegend zur Aufgabe gemacht hatte, Asylbewerber politisch zu unterstützen. Wie sich dem Internetauftritt entnehmen lässt, hat Migszol angesichts der politischen und rechtlichen Lage in Ungarn seine Aktivitäten im ersten Halbjahr 2018 eingestellt.
Nach dem nach der obergerichtlichen Rechtsprechung anzuwendenden Rechtsmaßstab steht nach der Ansicht der Kammer bei diesen tatsächlichen Verhältnissen der Rückführung von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten nach Ungarn grundsätzlich kein rechtliches Hindernis entgegen. International Schutzberechtigte sind nach Überzeugung der Kammer dort keiner Lage ausgesetzt, die für sie einen Verstoß gegen die Rechte aus Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK – bzw. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – GrCh – bedeuten würde.
Dahinter stehen kann dabei, ob eine derartige Situation gegebenenfalls zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtsbescheides führen würde (Ziffer 1 des Bescheides vom 19.2.2018) oder nur als Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG einzustufen wäre, das jedenfalls zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung und Verpflichtung der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen würde. Diese Rechtsfrage ist vom Europäischen Gerichtshof auf die entsprechenden Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2019 (verbundene Rechtssachen C-297/17, C-318/17, C-319/17 und 438/17 – juris) nicht eindeutig beantwortet worden und hat deshalb zur Aufrechterhaltung dieser Vorlagefrage durch das Bundesverwaltungsgericht geführt (BVerwG, B.v. 17.4.2019 – 1 C 2/17 – juris).
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts ist nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417, EuGH, U.v. 19.3.2019, a.a.O.) zunächst zu vermuten und davon auszugehen, dass die Behandlung von Asylbewerbern und anerkannten Schutzberechtigten in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der EMRK und der GrCh entspricht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderlegbar. Für den Anwendungsbereich der Dublin III-VO erkennt die überwiegende Rechtsprechung (vgl. insbesondere BayVGH, U.v. 23.3.2017, 13a B 17.50003 und U.v. 23.1.2018, 20 B 16.50073 – jeweils juris) systemische Mängel im ungarischen Asylsystem an, die dazu führen, dass eine Rückführung von Asylbewerbern nach Ungarn nicht möglich ist und eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG i.V.m. der Dublin III-VO gestützte Unzulässigkeitsentscheidung aufzuheben wäre. Die Gründe liegen nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wie auch der anderen Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte insbesondere in den Verfahrensmängel des ungarischen Asylsystems mit extrem kurzen Rechtsmittelfristen, schwierigem Zugang der Asylbewerber zur Rechtsberatung, den geringen Voraussetzungen und die teilweise übermäßige Länge von Asylhaft sowie den äußerst schwierigen und prekären Lebensbedingungen in ungarischen Asylcamps und aufgrund eines Verstoßes gegen das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK (wegen der Einstufung von Serbien als sicheren Drittstaat).
Für die Rechtslage bei anerkannten Schutzberechtigten weist der EuGH in seinen jüngsten Urteilen vom 19. März 2019 (C-163/17 – juris Rn. 93 ff, verbundene Streitsachen C-297/17, C-318/17, C-319/17, 438/17 – juris) – erneut – darauf hin, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens dann nicht mehr greift, wenn international Schutzberechtigte in einem Land unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind und führt konkretisierend aus, dass ein solches Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung erst ab einer besonders hohen Schwelle der Erheblichkeit erreicht ist, nämlich erst dann, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden des Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass sich eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihr nicht erlaubt, die elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden und dies ihre physische und psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, die mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Hingegen genügen eine – auch große – Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse noch nicht. Die ernsthafte Gefahr einer derartigen Verelendung muss das erkennende Gericht auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben treffen (EuGH, C-163/17 – juris Rn. 98). Die Annahme, dass international Schutzberechtigten aufgrund fehlender familiärer Solidarität in einem Land von Armut und schwierigen Verhältnissen im Allgemeinen stärker betroffen sind als Inländer, obwohl sie dort rechtlich die gleichen sozialen Rechte haben, ist noch keine ausreichende Grundlage zur Annahme einer Situation extremer materieller Not (EuGH, C-163/17 – juris Rn. 94).
Diese Anforderungen zugrunde gelegt ist der oben geschilderten Lage in Ungarn keine ernsthaft und konkret drohende Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. 4 ChGr für den Kläger zu entnehmen. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben in Ungarn die gleichen sozialen Ansprüche und Rechte wie ungarische Staatsangehörige. Als junger gesunder Mann ist der Kläger arbeitsfähig und hat angesichts des ungarischen Arbeitsmarktes realistische Aussichten, eine Arbeitsstelle zu finden und sich so auf Dauer selbst versorgen zu können. Grundsätzlich kann er auch auf das ungarische Sozialsystem zurückgreifen, das prinzipiell ein menschwürdiges Dasein sichert. Durch das Sozialsystem ist ab der Anerkennung bzw. Rückkehr eine gesundheitliche Basis-Absicherung gewährleistet und eine Versorgung mit Wohnraum möglich. Auf allgemeine Sozialhilfeleistung wird der Kläger zunächst voraussichtlich nicht zurückgreifen können. Insoweit geht es ihm jedoch nicht anders als ungarischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllen und insofern wohl ebenfalls auf Hilfsorganisationen angewiesen sind. Die Norm des Art. 3 EMRK verpflichtet auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Staat nicht dazu, jede Person innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs mit Obdach zu versorgen und sie finanziell zu unterstützen, um ihr einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B.v. 2.4.2013 – 27725.10, U.v. 21.1.2011, 30696). Auch gewährt die Vorschrift Ausländern keinen Anspruch auf Verbleib in einem bestimmten Mitgliedstaat, um in diesem von den hier geltenden Unterstützungen und Leistungen (weiter) zu profitieren (EGMR, B.v. 2.4.2013, a.a.O.). Die Prognose einer quasi ausweglosen Situation besteht für Kläger gerade nicht. Es ist vielmehr zu erwarten, dass er aus eigenen Kräften und gegebenenfalls mit Hilfe der in Ungarn tätigen Hilfsorganisationen einer ernsthaften und lebensbedrohenden Armut entgeht.
Auch das Fehlen von staatlichen Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte führt weder für sich genommen, noch in Zusammenschau mit den besonderen Umständen für international Schutzberechtigte zum Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. 4 ChGr. Eine generell unzumutbare Situation kann trotz erschwerender Aspekte wie fehlender Sprachkenntnisse, Fehlen eines unterstützenden Familienverbandes und der in Ungarn Flüchtlingen gegenüber wohl eher wenig aufnahmebereiten Gesellschaft sowie der politischen Verlautbarungen der Regierung nicht festgestellt werden. Aus den oben genannten und den weiter zum Verfahren beigezogenen Erkenntnismitteln lässt sich ein Schluss auf Verarmung und Verelendung nicht generell, auch nicht für den Kläger ziehen. Der Kläger hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch keine eigenen Erfahrungen gemacht, die diesen Schluss zuließen. Die gegebenenfalls prekären Umstände und Erfahrungen während des Asylverfahrens im Flüchtlingscamp sind hierfür nicht aussagekräftig. Der Kläger hat es nach seiner Anerkennung nicht wirklich versucht, in Ungarn Fuß zu fassen, sondern ist zeitnah nach seiner Anerkennung nach Deutschland ausgereist, was seiner Zielsetzung von Anfang entsprach.
Bei einer jetzigen Rückkehr in extrem prekäre Verhältnisse zu kommen muss der Kläger jedenfalls aufgrund der effektiven Arbeit der Hilfsorganisationen, insbesondere von Menedek und Kalunba, nicht ernsthaft befürchten. Es kann davon ausgegangen werden, dass er bei entsprechender Kontaktaufnahme, die auch bereits vor der Ausreise von Deutschland aus möglich ist, dort Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und dem Erlernen der ungarischen Sprache erhält, erforderlichenfalls Hilfestellungen bei diversen Antragstellungen auf Sozialleistungen der ungarischen Behörden und eine finanzielle Unterstützung zur Überbrückung bis zu einer Arbeitsaufnahme. Angesichts der relativ geringen Anzahl von anerkannt Schutzberechtigten in Ungarn ist auch hinreichend gesichert, dass dem Kläger von den Hilfsorganisationen, wenn er sich hierum bemüht, tatsächlich Unterstützung zu Teil wird. Der Kläger wird durch die Integrationshilfe von Seiten der Nichtregierungsorganisationen in die Lage versetzt, seinen Lebensunterhalt in Ungarn auf Dauer selbst zu bestreiten und das Leben dort in sprachlicher und organisatorischer Hinsicht zu meistern, so dass ihm prognostisch auch auf Dauer eine Verelendung nicht droht.
Ein Abschiebeverbot bzw. ein der Unzulässigkeitsentscheidung entgegenstehender Grund wird vom Gericht somit nicht erkannt.
b) Die im Rahmen der Abschiebungsandrohung gesetzte Ausreisefristsetzung von 30 Tagen nach Bestandskraft des Bescheids entspricht zwar nicht der Regelung der §§ 36 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG, wonach eine Frist von einer Woche ab Bescheidszustellung zu setzen gewesen wäre; sie ist damit objektiv rechtswidrig (BVerwG, U.v. 15.1.2019, 1 C 15/18 – juris). Jedoch liegt hierin keine Rechtsverletzung für den Kläger, sondern eine reine Begünstigung (BVerwG, U.v. 25.4.2019, 1 C 51/18 – juris) und führt die Rechtswidrigkeit deshalb nicht zur Aufhebung der Regelung. Eine Rechtsverletzung liegt auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 37 AsylG nicht vor, zu dessen Anwendung es durch die rechtswidrig verlängerte Frist nicht kommen kann. Ein Bescheid des Bundesamtes nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wird nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgibt. Ein solcher Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde vom Kläger jedoch nicht gestellt. Er wäre nach Ansicht der Kammer auch erfolglos gewesen, weil er schon als unzulässig abgelehnt worden wäre (VG Ansbach, B.v. 8.5.2018, AN 17 S 18.50410 – juris Rn. 17 ff). Entsprechend der inhaltlichen Entscheidung mit diesem Urteil wäre ein Eilantrag jedenfalls als unbegründet abzulehnen gewesen. Dem Kläger ist die Wirkung des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG somit nicht entgangen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwischenzeitlich auch geklärt, dass eine Wirksamkeit nach § 37 AsylG nicht zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags im nationalen Verfahren zwingt, sondern das Bundesamt nur verpflichtet, das Verfahren in dem Stadium fortzuführen, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat, also auch eine erneute Unzulässigkeitsentscheidung möglich bleibt (BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 51/18 – juris Rn. 12 ff). Einen dauerhaften Rechtsvorteil kann ein Asylantragsteller somit allein aus der Verletzung der Verfahrensvorschrift nicht ziehen.
3. Die Kostenentscheidung der auch im Übrigen erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.