Verwaltungsrecht

Überprüfbarkeit der erstinstanzlichen Feststellung des Sachverhalts

Aktenzeichen  13a ZB 15.1384

Datum:
10.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107810
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 2, § 117 Abs. 5, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5
FlurbG § 41
VO (EG) Nr. 796/2004 Art. 67 Abs. 1
VO (EG) Nr. 1122/2009 Art. 47 Abs. 1 – 4, Art. 70 Abs. 1, Art. 72 Abs. 1
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 24 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Mit der Rüge der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können auch Zweifel an den tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts gerügt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Verwaltungsgericht hat entsprechend § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Das Gericht muss alles und darf nur das, was Gegenstand der Verhandlung war, berücksichtigen, wozu neben den vorgelegten Akten und Schriftsätzen insbesondere auch die informatorische Anhörung von Personen gehört.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Die richterliche Überzeugung kann mit allen im Wege des Freibeweises zulässigen Beweismitteln gebildet werden, wobei das Gericht lediglich an die Logik und Naturgesetze gebunden ist und gedankliche Brüche und Widersprüche zu vermeiden hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 14.878 2015-04-30 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 33.649,31 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. April 2015 ist abzulehnen, weil die von der Klägerin geltend gemachten Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.
An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese lägen vor, wenn das Zulassungsvorbringen einen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage stellen würde, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäbe (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642).
Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe auf Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu Unrecht Vorsatz bei der Wertung des Verstoßes mit der Entfernung der Hecke angenommen, was zu einer Kürzung von 20% sowohl der Betriebsprämie als auch der Ausgleichszulage geführt habe. Vorsatz könne nur vorliegen, wenn der Betroffene volle Kenntnis von den dem Verstoß zugrundeliegenden Tatsachen habe, wovon sich das Verwaltungsgericht im Wege der Amtsaufklärungspflicht zu überzeugen habe. Vorsatz sei in erster Linie die subjektive Einstellung des Betroffenen gegenüber seiner Tat. Hierzu habe der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, worauf das Verwaltungsgericht in keiner Weise eingegangen sei. Vielmehr verweise es pauschal auf die Aussagen des Behördenvertreters und angebliche Unterlagen, auf die mit keiner Silbe detailliert verwiesen werde. Die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung würden nicht gewertet, sondern die zuvor angenommene Auffassung der Kammer wiedergegeben. Negiert werde, dass der Behördenvertreter und der Geschäftsführer der Klägerin jeweils als Parteivertreter unterschiedlich zum Sachverhalt Stellung bezogen hätten. Bei Vorliegen widersprüchlicher Aussagen bedürfe es einer umfassenden Wertung, weshalb Glaubwürdigkeit zugesprochen bzw. verneint werde. Daran mangle es offensichtlich, weshalb das Urteil rechtsfehlerhaft sei.
Das Verwaltungsgericht hat zum Ergebnis der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Vorsatzes der Klägerin ausgeführt: „Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Klägerin – entgegen deren Vorbringen – bekannt war, dass die Hecke nicht gerodet werden darf.“ (UA S. 13). Nach den glaubhaften Angaben des Mitarbeiters des Landratsamts habe es im Vorfeld der Beseitigung dieser Hecke bereits erfolglose Vorstöße von Seiten der Klägerin, die Erlaubnis zur Beseitigung der Hecke zu erlangen, gegeben. Hierzu seien mit der Klageerwiderung auch schriftliche Unterlagen vorgelegt worden. Bei dieser Sachlage habe keinerlei Veranlassung für die Kontrollbehörde bestanden, den Prozentsatz von 20% wegen eines vorsätzlichen Verstoßes zu vermindern.
Mit der Rüge der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können zwar grundsätzlich auch Zweifel an den tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts gerügt werden, da es im Gesetzestext des § 124 Abs. 2 VwGO keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass diese ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des verfahrensfehlerfreien Zustandekommens nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO relevant sein sollten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 18 m.w.N.). Im Ergebnis greifen die geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht aber nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat entsprechend § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entschieden. Das Gericht muss alles und darf nur das, was Gegenstand der Verhandlung war berücksichtigen, wozu neben den vorgelegten Akten und Schriftsätzen insbesondere auch die informatorische Anhörung von Personen gehört (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 108 Rn. 1). Dabei kann die richterliche Überzeugung mit allen im Wege des Freibeweises zulässigen Beweismitteln gebildet werden, wobei das Gericht lediglich an die Logik und Naturgesetze gebunden ist und gedankliche Brüche und Widersprüche zu vermeiden hat (Schmidt in Eyermann, a.a.O. § 108 Rn. 3). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht aufgrund der informatorischen Anhörung eines Mitarbeiters des Landratsamts und den in den Akten befindlichen Schriftstücken die Kenntnis der Klägerin vom Verbot der Beseitigung der Hecke angenommen und dabei ausdrücklich auch auf deren gegenteiliges Vorbringen hingewiesen, was in der Sache nicht zu beanstanden ist. Hinsichtlich der Schriftstücke ist etwa auf den von der Klägerin selbst im erstinstanzlichen Verfahren als Anlage K 7 vorgelegten E-Mailwechsel zwischen einem Mitarbeiter des Landratsamts und dem Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft vom 25. Juli 2013 hinzuweisen, in dem eine Besprechung im Landratsamt am 18. Juni 2010 thematisiert wurde. Des Weiteren befindet sich in der vorgelegten Behördenakte der Widerspruchsbehörde ein ausgedruckter E-Mailwechsel zwischen Mitarbeitern des Landratsamts vom 25./26. Juli 2013 (Bl. 83/84), in dem unter anderem ausgeführt wird, der Geschäftsführer der Klägerin habe mündlich bei der unteren Naturschutzbehörde und über die Teilnehmergemeinschaft des Flurbereinigungsverfahrens beantragt, dass die fragliche Hecke beseitigt werde. Des Weiteren befindet sich in der Behördenakte der Widerspruchsbehörde eine Stellungnahme des Landratsamts an das Amt für Ländliche Entwicklung vom 9. Mai 2011 (Bl. 77 – 79) zur Änderung des Plans nach § 41 FlurbG (Nachtrag 6), in der der Hecken- und Feldrainentfernung auf Flurstück 1253 nicht zugestimmt wurde, da die geschützte und in der Biotopkartierung erfasste Hecke parallel zur Bewirtschaftungsrichtung stehe und somit kein Bewirtschaftungshindernis darstelle. Im Kontrollbericht der Vor-Ort-Kontrolle durch das Landratsamt vom 23. Juli 2013 (Bl. 76, Stand 12.8.2013) findet sich unter „Bemerkungen“ der Hinweis, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Beseitigung der Hecke beim Landratsamt und über die Teilnehmergemeinschaft beantragt habe. Bei einem Termin im Landratsamt am 18. Juni 2010 sei ihm mitgeteilt worden, dass eine Heckenrodung auch über das Flurbereinigungsverfahren nicht genehmigungsfähig sei. Mit Stellungnahme vom 9. Mai 2011 sei im Rahmen des Nachtrags 6 zur Flurbereinigungsplanfeststellung erneut zum Ausdruck gebracht worden, dass die Hecke zu erhalten sei und keine Rodung genehmigt werden könne. Der Nachtrag sei von der Teilnehmergemeinschaft so beschlossen worden und dies dem Geschäftsführer der Klägerin vom Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft mitgeteilt worden.
Im Übrigen führt die Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrags lediglich aus, ihr Geschäftsführer habe in der mündlichen Verhandlung zum Vorsatz im Sinne der subjektiven Einstellung des Betroffenen zur Tat vorgetragen. Was der Geschäftsführer vorgetragen hat bzw. haben soll, wird inhaltlich nicht näher dargelegt. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung werden lediglich Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin, aber kein Vortrag ihres Geschäftsführers wiedergegeben. Schriftsätzlich war in der Klagebegründung vom 30. September 2014 zur Entfernung der Hecke vorgetragen worden, die Klägerin sei der Auffassung, dass es sich hierbei nicht um ein Landschaftselement gehandelt habe, das dem Schutzregime unterfalle. Die Rodung sei daher unproblematisch möglich gewesen. Zudem handle es sich nicht um eine Hecke. Bereits bei Aufnahme der Landschaftselemente sei unklar gewesen, ob es sich um ein geschütztes Landschaftselement handle. Die damalige Mitarbeiterin der unteren Naturschutzbehörde habe dies nach der Erinnerung des Geschäftsführers der Klägerin im Ergebnis verneint, da die nunmehr beseitigte Baumreihe von Zwetschgenbäumen lediglich eine Breite von zwei Metern aufgewiesen habe, was offensichtlich nicht genügt habe. Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass in der mündlichen Verhandlung ihr schriftsätzlicher Vortrag von ihrem Geschäftsführer inhaltlich wiederholt wurde, vermag dies gleichwohl keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen, da auch bei Zugrundelegung dieses Vortrags von einem vorsätzlichen Verstoß gegen Cross-Compliance-Bestimmungen auszugehen ist.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt Vorsatz voraus, „dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschrift über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder – ohne dass er ein solches Ziel verfolgt – die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt“ (EuGH, U.v. 27.2.2014 – C-396/12 – AUR 2014, 147 Rn. 37 zu Art. 67 Abs. 1 VO [EG] Nr. 796/2004 als Vorgängerbestimmung des Art. 72 Abs. 1 VO [EG] Nr. 1122/2009; vgl. auch BVerwG, U.v. 1.10.2014 – 3 C 31.13 – RdL 2015, 137 Rn. 20 f. sowie NdsOVG, U.v. 31.3.2016 – 10 LB 32/14 – RdL 2016, 260). Damit ist ein sogenannter bedingter Vorsatz oder dolus eventualis auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene für das Vorliegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen weitergehende Verpflichtungen nach Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 ausreichend.
Nach dem Vortrag der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers sei bei der Aufnahme der Landschaftselemente unklar gewesen, ob es sich um ein geschütztes Landschaftselement handle. In der geschilderten Situation wäre die Klägerin aber gehalten gewesen, vor einer Beseitigung des Bewuchses eine endgültige Klärung über dessen Schutzstatus herbeizuführen, zumal der Bewuchs offenbar trotz der vermeintlichen Bedenken der von Klageseite angeführten Mitarbeiterin der unteren Naturschutzbehörde als geschütztes Landschaftselement in die amtliche Biotopkartierung aufgenommen wurde. In dieser Situation muss der Betroffene zumindest damit rechnen, dass es sich bei dem Bewuchs um ein geschütztes Landschaftselement handelt bzw. dies für möglich erachten. Eine Beseitigung ohne eine vorherige Klärung nahm damit billigend den Cross-Compliance-Verstoß in Kauf und erfüllt den Tatbestand des bedingten Vorsatzes, der nach der vorstehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für einen vorsätzlichen Verstoß ausreichend ist.
Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auseinandergesetzt, kann nicht zur Zulassung der Berufung führen, da nach dem klägerischen Vortrag völlig offen bleibt, was konkret der Geschäftsführer vorgetragen haben soll. Auch war die von der Klägerin vermisste umfassende Wertung der unterschiedlichen Stellungnahmen zum Sachverhalt nicht geboten, da es sich – unterstellt man zugunsten der Klägerin eine Wiederholung ihres schriftsätzlichen Vorbringens – nicht um einander widersprechende Aussagen zu ein und derselben Tatsache handelte. Daher war eine umfassende Wertung zur Glaubwürdigkeit des jeweiligen Vorbringens nicht notwendig. Zudem ist das Vorbringen des Geschäftsführers der Klägerin zu den vermeintlichen Bedenken bei der Erfassung der Hecke ohne weiteres auch mit dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagtenseite vereinbar. Strittig bzw. widersprüchlich sind letztendlich die aus dem Vorbringen zu ziehenden Schlussfolgerungen, die aber nicht von einer Glaubwürdigkeitsprüfung abhängen.
Auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Kriterien für eine Einstufung als leichter, mittlerer oder schwerer Verstoß nach Art. 24 Abs. 3 VO (EG) Nr. 73/2009 i.V. mit Art. 72 VO (EG) Nr. 1122/2009 seien sowohl von behördlicher Seite als auch durch das Verwaltungsgericht nicht korrekt angewandt worden, vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Die Klägerin bemängelt, eine Prüfung, weshalb das Aussprechen einer Verwarnung oder ein Abweichen vom Regelsatz nach unten nicht in Betracht komme, finde nur unzureichend statt. Insoweit liege ein Ermessensausfall vor (VG Augsburg, U.v. 13.5.2014 – Au 3 K 14.35), der selbst durch entsprechendes Vorbringen im Prozess nach § 114 Satz 2 VwGO nicht habe korrigiert werden können. Dies gelte auch für die sanktionierten fahrlässigen Verstöße. Ein Abweichen nach unten bis zu 1% oder der Ausspruch einer Verwarnung müssten von Anfang an von Amts wegen geprüft werden.
Insoweit wurde im Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2014 zur Rodung der Hecke ausgeführt, dass die Bewertung nach den Kriterien Ausmaß, Schwere und Dauer des Verstoßes erfolge und der Regelsatz der Kürzung bei Vorsatz grundsätzlich nicht weniger als 20% betrage. Gründe für ein Abweichen vom Regelkürzungssatz nach unten seien nicht ersichtlich. Zum gleichzeitig sanktionierten Grünlandumbruch wurde neben dem Regelsatz der Kürzung um 3% auf im Wege der Bund-Länder-Abstimmung beschlossene Bewertungsmatrixen verwiesen. Im Hinblick auf die Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit wurde der Grünlandumbruch als mittlerer Verstoß mit einer Kürzung von 3% eingestuft. Aufgrund der Zerstörung des FFH-Lebensraumtyps und der erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Natura 2000-Gebiets komme eine Kürzung auf 1% nicht in Betracht, Gründe für eine Abweichung nach oben seien nicht ersichtlich. Auf diese Ausführungen hat das Verwaltungsgericht zulässigerweise nach § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen. Die von der Klägerin gerügten Ermessensfehler oder gar ein Ermessensausfall sind insoweit nicht erkennbar.
Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Hinblick auf die Definition von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Die Klägerin macht insoweit geltend, die Frage der Annahme eines Vorsatzes sei bisher ungeklärt, es gebe keinerlei Rechtsprechung, welche Kriterien hierfür im Falle eines Cross-Compliance-Verstoßes anzulegen seien. Gleiches gelte für die Kriterien, die zu einer Einstufung als häufiger oder seltener, schwerer oder leichter, kurzer oder dauerhafter Verstoß führten.
Nach der bereits genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt Vorsatz voraus, „dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschrift über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder – ohne dass er ein solches Ziel verfolgt – die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt“ (EuGH, U.v. 27.2.2014 – C-396/12 – AUR 2014, 147 Rn. 37 zu Art. 67 Abs. 1 VO [EG] Nr. 796/2004 als Vorgängerbestimmung des Art. 72 Abs. 1 VO [EG] Nr. 1122/2009). Damit ist geklärt, dass der bedingte Vorsatz ausreicht, um vorsätzliches Verhalten annehmen zu können (EuGH, U.v. 27.2.2014 – C-396/12 – a.a.O.). Insoweit sind – wie im Strafrecht oder im Deliktsrecht – das Wissen und Wollen der zu einem Cross-Compliance-Verstoß führenden Tatbestandsverwirklichung Voraussetzungen für das Vorliegen eines vorsätzlichen Verstoßes. Damit trifft bereits das geltend gemachte Fehlen von Rechtsprechung nicht zu.
Auch hinsichtlich der weiteren Kriterien (häufig, selten etc.) kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, da für den Regelfall – wie vorliegend – keine weitergehende Einstufung des Verstoßes erforderlich ist. Im Übrigen enthält Art. 47 Abs. 1 bis 4 VO (EG) 11222/2009, der gemäß Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009 auch bei Feststellungen in Bezug auf die anderweitigen Verpflichtungen anwendbar ist, entsprechende Begriffsbestimmungen für „wiederholter“ Verstoß, „Ausmaß“, „Schwere“ und „Dauer“, so dass der von der Klägerin geltend gemachte Klärungsbedarf nicht besteht. Zudem handelt es sich um Kriterien, um den CC-Verstoß im jeweiligen Einzelfall bewerten zu können, so dass eine grundsätzliche Klärung nicht in Betracht kommen dürfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

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