Aktenzeichen AN 17 K 17.51171
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 114
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über die Klagen verhandeln und entscheiden, weil die Parteien mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diesen Umstand hingewiesen worden waren (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerseite hatte dabei vor der mündlichen Verhandlung ihren Verzicht an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung dem Gericht schriftsätzlich mitgeteilt.
Die im Hauptantrag zulässig erhobenen Anfechtungsklagen gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 2017 sind unbegründet, denn der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Klagen waren daher abzuweisen.
1. a) Die Anfechtungsklage ist die allein statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids) und die Folgeentscheidungen. Die erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung führt in der Folge zur inhaltlichen Prüfung der Asylanträge durch die Beklagte, so dass es eines auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsantrags nicht zusätzlich bedurfte (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625 Ls.1, Rn. 15; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 20 ff.).
Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung ist nicht möglich; eine hierauf gerichtete Verpflichtungsklage wäre unstatthaft. Das Asylverfahren gliedert sich in zwei Prüfungsabschnitte, nämlich das Zuständig- bzw. Zulässigkeitsverfahren und gegebenenfalls in das eigentliche Asylverfahren. Diese Gliederung ist auch prozessual insoweit fortzuführen, als zunächst stets das Bundesamt eine Entscheidung über den entsprechenden Prüfungsabschnitt zu treffen hat und diese Entscheidung erst danach vom Verwaltungsgericht überprüft werden kann. Hebt das Verwaltungsgericht die Unzulässigkeitsentscheidung mit den hieraus folgenden Nebenentscheidungen auf, hat zunächst wieder das Bundesamt über den nächsten Prüfungsabschnitt, d.h. über das Asylbegehren (Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz) inhaltlich zu befinden und darf nicht übergangen werden. Dies dient gerade auch dem Schutz des Asylantragstellers, für den dieses Vorgehen eine „zweite Instanz“ gewährleistet. Dieses Vorgehen ist auch im Falle von Asylfolge- und Zweitantragsverfahren und Klageverfahren gegen Einstellungen durch das Bundesamt und im Falle von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG anerkannt und folgt für die Drittstaaten-Fälle auch aus dem Rechtsgedanken des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn.19, OVG Saarlouis, U.v. 25.10.2016 – 2 A 95/16 – juris Rn.23).
Bei dieser prozessualen Trennung bleibt es auch nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), nach der es den Mitgliedsstaaten verwehrt ist, von der Möglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-RL) Gebrauch zu machen, den Antrag auf internationalen Schutz also als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 3 EMRK (s. Art. 52 Abs. 3 GRCh) zu erfahren.
Zwar verpflichtet der Europäische Gerichtshof das nationale Gericht dazu, „auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen [im Drittstaat] vorliegen“ (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, – 541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 38; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 88), eine prozessuale oder verfahrensrechtliche Vorgabe hat der Europäische Gerichtshof damit aber nicht gemacht. Es ist vielmehr dem nationalen Rechtssystem überlassen, auf welchem prozessualen Weg bzw. auf welchem Verfahrensweg es zur Rechtsdurchsetzung für den Antragsteller kommt. Effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL ist für die Asylantragsteller auch gewährleistet im Falle einer reinen Anfechtung und wenn in einem ersten Schritt nur die Zuständigkeitsfrage gerichtlich überprüft wird.
Das erkennende Gericht geht auch nicht von einer inhaltlichen Bindung des Bundesamts an die Entscheidung der griechischen Behörden hinsichtlich des Flüchtlingsstatus und des subsidiären Schutzes und einem daraus folgenden zulässigen Verpflichtungsantrag – weil es einer inhaltlichen Prüfung durch das Bundesamt nicht mehr bedarf und damit ein „Durchentscheiden“ des Gerichts zulässig ist – aus. Es steht der Beklagten nach Ansicht des Gerichts frei, die Frage nach der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes bzw. des Asylstatus aufgrund der Vorkommnisse und Lage im Herkunftsland unabhängig von der getroffenen Bewertung durch die griechischen Behörden neu und selbst zu entscheiden (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa: VG Ansbach, U.v. 17.3.2020 – 17 K 18.50394, BeckRS 2020, 10433; U.v. 14.5.2020 – 17 K 17.51040, BeckRS 2020, 10432; U.v. 24.6.2020 – 17 K 19.50413, BeckRS 2020, 15420).
Eine solche Bindungswirkung lässt sich zunächst aus dem Unionsrecht nicht ableiten. NachArt. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV besteht zwar die Kompetenz der Europäischen Union zur Festlegung eines in der ganzen Union einheitlichen Asylstatus für Drittstaatsangehörige und eines einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige. Damit ist eine Vereinheitlichung des materiellen Asylrechts, also der rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und subsidiärem Schutz (Weiß in Streinz EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 78 AEUV Rn. 11) angestrebt. Die auf dieser Ermächtigung basierende Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikations-RL) enthält aber keine Vorgabe zu einer Anerkennung einer in einem Mitgliedstaat getroffenen Statusentscheidung auch in einem anderen Mitgliedstaat (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – NVwZ 2014, 1460 Rn. 29; Thym in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 68. EL Oktober 2019, Art. 78 AEUV Rn. 26 Rn. 7).
Für eine Bindungswirkung kann auch nicht der in der Rechtsprechung (EuGH, U.v. 31.12.2011 – N.S., C-411/10, C-433/10 – NVwZ 2012, 417) entwickelte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens herangezogen werden, denn dieser fordert nicht die Bindung an eine (positive) Asyl-Entscheidung in einem Drittstaat. Der eigentlich für die Dublin-Verfahren entwickelte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens bezieht sich lediglich darauf, dass im Hinblick auf die Zuständigkeitsfrage grundsätzlich darauf zu vertrauen ist, dass ein anderer europäischer Staat seine Asylentscheidungen nach rechtstaatlichen Gesichtspunkten unter Einhaltung von gemeinschaftlichen Verfahrensgrundsätzen und eines im Wesentlichen einheitlichen inhaltlichen Maßstabes trifft. Vorliegend geht es aber nicht mehr um die Zuständigkeitsfrage (diese ist als Vorfrage für das „Durchentscheiden“ bereits geklärt). Auch wird Griechenland hier nicht die Einhaltung des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens als Mindestanforderungen abgesprochen, sondern umgekehrt durch die Bundesrepublik Deutschland selbst untersucht, ob ebenfalls eine inhaltlich positive Entscheidung im Hinblick auf das Herkunftsland zu treffen ist (oder der Sachverhalt im Hinblick auf den jetzt maßgeblichen Zeitpunkt und nach den hier geltenden, nicht zwingend identischen Maßstäben, nicht zu einer positiven Entscheidung führt).
Auch das Bundesverwaltungsgericht geht in der vorliegenden Konstellation von der Möglichkeit inhaltlich divergierender Entscheidungen aus und nimmt damit keine Bindung Deutschlands an die asylrechtliche Prüfung des anderen Mitgliedsstaats an (BVerwG, Vorlagebeschluss EuGH v. 2.8.2017 – 1 C 37/16 – juris Rn. 25). Ebenso sieht es wohl der Hessische Verwaltungsgerichtshof (der als Vorinstanz in der gleichen Angelegenheit berufen war), der die Formulierung „im Falle einer positiven Entscheidung“ verwendet und demnach im Umkehrschluss auch von der Möglichkeit einer negativen Entscheidung ausgeht (HessVGH, U.v. 4.11.2016 – 3 A 1292/16.A – juris Rn. 40).
Eine Bindung an die griechische Entscheidung ergibt sich im Weiteren auch nicht aus Völkerrecht (so auch BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – NVwZ 2014, 1460, Leitsatz 2, Rn. 29), insbesondere nicht aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Die GFK legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – NVwZ 2014, 1460 Rn. 29).
Ginge man von einer inhaltlichen Bindung des zuständigen Staates an die Entscheidung des Drittstaates aus, wäre dies mit der Gefahr und Möglichkeit verbunden, dass rechtswidrige begünstigende Entscheidungen eines Drittstaates im Ergebnis (nämlich dann, wenn der Drittstaat mit der Aufnahme von Flüchtlingen rechtlich nicht belastet werden kann) ausschließlich zu Lasten des zuständigen Staates ergehen und würden damit Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet. Derart weitreichende Folgen sollten völkerrechtlich und europarechtlich nicht geschaffen werden.
Eine Bindungswirkung an die griechische Entscheidung in Hinblick auf Asyl- und Flüchtlingsstatus und den subsidiären Schutz ergibt sich für dieses Verfahren nach Ansicht des Gerichts schließlich auch nicht aus nationalem Recht. Im Urteil vom 17. Juni 2014 (10 C 7/13 – NVwZ 2014, 1460, Leitsatz 2, Rn. 29) hat das Bundesverwaltungsgericht zwar ausgeführt, dass eine Bindungswirkung an die ausländische Entscheidung aufgrund von § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeordnet ist, allerdings nur in Form eines (nationalen) Abschiebungsverbotes, wie § 60 Abs. 1 Satz 3 und § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG deutlich machen. Nach dem Urteil besteht gerade kein Anspruch auf eine erneute Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Feststellung subsidiären Schutzes (s. § 60 Abs. 2 AufenthG) nach Maßgabe der ausländischen Anerkennungsentscheidung und umgekehrt weder eine Verpflichtung noch eine Berechtigung des Bundesamts hierzu (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – NVwZ 2014, 1460 Rn. 29 f.).
Das erkennende Gericht hat auch Zweifel, ob sich für die vorliegende Konstellation – wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat – aus § 60 Abs. 1 AufenthG tatsächlich ein nationales Abschiebungshindernis ergibt. Aus dem Wortlaut folgt dies jedenfalls nicht zwingend, weil bei einer Zuerkennung internationalen Schutzes in einem Drittstaat gerade kein Status nach der GFK vorliegt und damit § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vom Wortlaut nicht (zwingend) greift. Letztlich kann dies für die Frage der richtigen Klageart aber dahinstehen, weil sich ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG allenfalls auf die Abschiebungsandrohung auswirken kann, das Bundesamt aber nicht zur ausdrücklichen (deklaratorischen) Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG verpflichtet werden kann.
Mangels Bindung des Bundesamts an die Anerkennungsentscheidung der griechischen Behörden bzw. mangels Auswirkung der Bindung im vorliegenden Verfahren ist in der vorliegenden Konstellation die Anfechtungsklage die ausreichende und damit allein statthafte Klageart. Ein „Durchentscheiden“ durch das Gericht kann nicht stattfinden. Die Klagen sind somit hinsichtlich der Anfechtungsanträge statthaft.
b) Die Klagen wurden fristgerecht erhoben und sind auch im Übrigen zulässig.
Gemäß §§ 74 Abs. 1 Halbs. 2, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG beträgt die Klagefrist eine Woche ab Zustellung der Entscheidung. Ein konkretes Zustelldatum lässt sich aus der Bundesamtsakte im vorliegenden Fall nicht entnehmen, sondern nur, dass der Bescheid aufgrund einer Umverteilung des Klägers auf eine andere Unterkunft zunächst nicht an ihn in der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf gegen Empfangsbestätigung zugestellt werden konnte. Daraufhin wurde der Bescheid mit (einfachem) Schreiben des Bundesamtes vom 6. September 2017 erneut in den Postlauf gegeben und hat den Kläger in der neuen Unterkunft jedenfalls erreicht. Ein Zustellnachweis ist der Bundesamtsakte nicht zu entnehmen. Die Klageerhebung erfolgte am 18. September 2017. Ob dies unter Beachtung der Zustellfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG noch innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist erfolgte, kann jedoch dahinstehen. Denn die Beklagte hat dem Kläger – aus ihrer Sicht folgerichtig aufgrund der konkreten Tenorierung der Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. des Bescheids, die ebenfalls rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.1.2019 – 1 C 15/18 – NVwZ 2019, 794) – eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung:erteilt, wonach die Klageerhebung binnen zwei Wochen zu erfolgen hatte. Demnach greift zu Gunsten des Klägers die Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach bei einer unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist. Diese Frist wahrt die Klageerhebung am 18. September 2018 ersichtlich, so dass es keiner vertiefenden Erörterung der Zustellfragen im vorliegenden Fall bedarf.
2. Die Anfechtungsklagen gegen den Bescheid vom 31. August 2017 sind jedoch unbegründet.
Die Kammer geht unter Zugrundelegung aktueller, in die mündliche Verhandlung eingeführter Erkenntnismittel zur Situation anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland von folgender Sach- und Rechtslage aus.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrens-RL) in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn die Schutzberechtigten sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befänden. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem einer neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat in Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist also weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (sog. Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
b) Die Kammer geht auf Basis der ihr zur Verfügung stehenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel von folgender Lage für in Griechenland anerkannte international Schutzberechtigte aus, die nach ihrer Anerkennung Griechenland verlassen haben und nun wieder zurückgeführt werden sollen:
Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannt Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden. Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Die staatlichen Integrationsmaßnahmen im Allgemeinen erscheinen defizitär. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen bzw. fehlt es an nennenswerten staatlichen Ressourcen zu einer Implementierung (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die „Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen“ sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.; BFA a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; UNHCR, Fact Sheet Greece, Februar 2020; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum, Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind und zudem nur für einen mehrmonatige Übergangszeitraum (BFA a.a.O., S. 26; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, a.a.O.).
Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020). Dieses steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. November 2019 in Kraft trat, wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft; sie sollen nunmehr unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Anerkennung die ESTIA-Unterkünfte verlassen, wobei es eine einmalige Übergangsfrist von zwei Monaten Anfang 2020 geben sollte (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Das Helios-2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht den anerkannten Flüchtlingen zugute, die nach Griechenland zurückkehren, sondern gilt für ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannte nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: derzeit keine Kenntnisse des AA hierüber; vgl. auch: https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA a.a.O., S. 30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit (Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 4). Eine Erhebung des Refugee Support Aegean (RSA) vom 16. Juli 2018 ergab beispielsweise, dass in der Stadt Athen zwei Herbergen für Obdachlose bestehen, die zusammen eine Kapazität von 212 Plätzen für Erwachsene aufweisen. Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt sechs Monate. Diese Herbergen werden im Zusammenwirken mit NGOs bzw. durch das Rote Kreuz betrieben. Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (für alles Vorstehende: Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder gleich in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad Adenauer Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu tritt regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannt Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte einschränkungslos gegeben, unterliegt allerdings im Übrigen denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.).
c) Unter Beachtung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannt Schutzberechtigte ergibt sich unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags im hier zu betrachtenden Einzelfall eine Klageabweisung. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt, denn dem Kläger droht im Falle einer Rückkehr nach Griechenland keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verelendung.
Die Kammer geht zunächst davon aus, dass der Kläger keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe zuzuordnen ist. Er hat weder in seinen Anhörungen vor dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren konkrete und valide Anhaltspunkte für das Bestehen eines Vulnerabilitätsmerkmals (z. B. besondere medizinische Bedürfnisse, Opferstellung aufgrund erlittener Folter und Gewalt im Herkunftsland o.ä.) in seiner Person vorgetragen bzw. belegt. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der Mitteilung der griechischen Behörden an das Bundesamt vom 23. August 2017. Soweit der Kläger bekundet hat, psychisch angeschlagen und in einer Psychiatrie in Griechenland gebracht worden zu sein, bleiben diese Aussagen letztlich vage und werden – trotz Ankündigung in der Klagebegründungsschrift – auch nicht durch (neuere) Atteste eines in Deutschland tätigen Arztes untermauert. Da der Kläger auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet hat, konnte das Gericht die Umstände seiner vorgetragenen Erkrankungen auch nicht durch persönliche Befragung des Klägers weiter aufklären. Dies betrifft auch den Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt eine Inhaftierung für die Dauer von etwa zwei Monaten in seinem Herkunftsland belegen konnte, weil allein aus dem Umstand dieser – zudem recht kurz erscheinenden – Inhaftierung, die noch zudem gut zwei Monate vor Verlassen seines Herkunftslandes beendet war, noch kein Schluss gezogen werden kann, der Kläger sei als Opfer von staatlicher Folter und Gewalt mit entsprechenden Folgen einem besonders verletzlichen Personenkreis zuzuordnen. Im Übrigen ist der Kläger alleinstehend und keinen weiteren Personen zum Unterhalt oder zur sonstigen Personensorge verpflichtet.
Unter weiterer Zugrundelegung eines strengen Maßstabes im Sinne der „Jawo“- und „Ibrahim“-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bei der Beurteilung, ob einem anerkannt Schutzberechtigten trotz zumutbarer, weitgehender Eigenbemühungen aufgrund seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse und der übrigen Rahmenbedingungen (z.B. familiäres oder landsmännisches Netzwerk) die reale Gefahr einer Verelendung droht, kommt das Gericht im Fall des Klägers zu der Überzeugung, dass eine solche Gefahr nicht besteht.
Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung der Kammer nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGr-Charta dar. Zwar haben international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der Zugang zu Sozialleistungen, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs für eine Übergangszeit nach Rückkehr nach Griechenland allerdings durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und der Hilfestellung von NGOs geprägt.
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19, BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A -, juris Rn. 23 – 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A -, juris Rn. 48 – 54). Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Gerichts zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannten Flüchtlings, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Der Kläger ist jung, arbeitswillig und wohl auch – fähig, zudem nach eigenem Bekunden gut ausgebildet, wenn er das Jurastudium in seinem Herkunftsland auch nicht abgeschlossen hat. Er hat in seinem Herkunftsland trotz des Studienabbruchs als Postangestellter gearbeitet. Er war vor seiner Ausreise aus Griechenland vor allem im Raum … aufhältig. Ihm sind die dortigen Strukturen und Vor-Ort-Verhältnisse bekannt. Er ist nach Überzeugung der Kammer grundsätzlich befähigt, eigenverantwortlich Sorge für seine Person auch in einer Übergangsphase zu tragen und sich zunächst an die im Raum Athen vorhandenen NGOs für eine erste Hilfe vor Ort zu wenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, ist gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) deutlich höher. Zudem hat der Kläger ausweislich seines Vortrages vor dem Bundesamt auch steten Kontakt zu seiner Familie, die noch im Herkunftsland des Klägers lebt. Es ist daher mangels entgegenstehenden Sachvortrags des Klägers davon auszugehen, dass ihm seine Familie zumindest finanziell unterstützen kann und wird. Dafür spricht trotz der vom Kläger vorgetragenen Größe seiner Familie schon der Umstand, dass er in seinem Herkunftsland auch an einer Universität studieren konnte, was im Regelfall einen gewissen finanziellen Spielraum bedingt, der dabei meist auch durch familiäre Unterstützung gesichert wird. Der Kläger hat darüber hinaus keine Angaben zu seinen finanziellen Möglichkeiten und insbesondere zu den Umständen der Finanzierung seiner Flucht und seiner Weiterreise nach Deutschland getätigt, außer, dass er in Griechenland nicht gearbeitet habe, sodass die Kammer auch deswegen von einem finanziellen Polster bzw. entsprechender Unterstützung des Klägers durch Dritte ausgeht. Die Kammer ist insbesondere davon überzeugt, dass der Kläger auch nach einer Rückkehr nach Griechenland auf entsprechende Unterstützung zurückgreifen und so u.U. die Sicherung vor allem von Obdach für eine Übergangszeit erzielen kann.
Dem Kläger kann auch nicht der Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz, er habe keine Aufenthaltserlaubnis in Griechenland in die Hand bekommen, zum Klageerfolg verhelfen. Zum einen steht aufgrund der Mitteilung der griechischen Behörden vom 23. August 2017 fest, dass ihm der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Zum anderen ergibt die Auskunftslage, dass ein zurückkehrender Schutzberechtigter am Flughafen von den griechischen Behörden empfangen und über die weiteren notwendigen behördlichen Schritte informiert wird und eine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis verlängern kann. Im Übrigen stellt sich der Vortrag des Klägers insoweit auch nicht als Prüfungspunkt der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dar, da es allein auf den tatsächlich gewährten rechtlichen Status des Klägers und den ihn in der Folge aufgrund der europarechtlichen Verordnungen zukommenden Rechte entscheidend ankommt. Daran bestehen aber keine Zweifel.
Im Ergebnis stellt sich somit die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1. als rechtlich zutreffend dar und hat die Klage gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 31. August 2017 keinen Erfolg.
3. Auch der als Hilfsantrag für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gestellte Antrag auf Aufhebung der Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides und Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Es stellen sich bezüglich eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK dieselben rechtlichen Fragen, die die Kammer bereits unter 2. zum Hauptantrag erörtert hat. Es wird deshalb auf die obigen Ausführungen verwiesen. Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht im Hinblick auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter in Griechenland für den Kläger daher nicht.
b) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG bezüglich Griechenlands liegt ebenfalls nicht vor.
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Rückführungsstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Punkt 2. der Entscheidungsgründe verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Der Kläger hat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne dieser Vorschrift nicht dargelegt. Soweit er angab, erkrankt zu sein, kann dieser Vortrag im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zwar beachtlich sein. Eine lebensbedrohliche oder sonst schwerwiegende Erkrankung nach der gesetzlichen Wertung ist aber nicht mit der erforderlichen Intensität dargelegt und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Ohnedies hat der Kläger bekundet, er sei wegen seiner psychischen Erkrankung auch in Griechenland in (stationärer) Behandlung gewesen, wobei er Details dazu nicht weiter mitteilt. Danach ist es schon aufgrund des klägerischen Vortrags ausgeschlossen, dass ihm der Rückführungszielstaat ggf. notwendige medizinische Hilfe verwehrt. Dass eine solche Hilfe durch den griechischen Staat anerkannten Flüchtlingen tatsächlich gewährt wird, ergibt sich dabei auch aus den Erkenntnismitteln des Gerichts.
c) Ebenso wenig ergibt sich ein Abschiebehindernis aufgrund des Infektionsgeschehens im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Eine die Rückkehr unzumutbar machende Situation hat der Kläger weder vorgetragen noch hat sich diese zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG, im erforderlichen Maß verdichtet, wie die Zahlen der Johns Hopkins Universität belegen (3.672 registrierte Infektionen, 193 registrierte Verstorbene im Zusammenhang mit einer Sars-CoV2-Infektion bei einer Gesamtbevölkerung Griechenlands von ca. 10,7 Mio. Einwohnern).
Somit muss auch der Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben und war die Klage abzuweisen.
4. Auch die Abschiebungsandrohung und die Festsetzung und Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes begegnet – im Ergebnis – keinen Bedenken.
Zwar erweist sich die getroffene Tenorierung und Abschiebungsandrohung von 30 Tagen ab Bekanntgabe bzw. Rechtskraft der Entscheidung anstatt einer Woche als objektiv rechtswidrig. Dies verletzt den Kläger aber nicht in seinen Rechten.
Hinsichtlich der festgesetzten Frist gemäß § 11 Abs. 1 und 2 Satz 3, Abs. 3 AufenthG sind Ermessensfehler der Beklagten (§ 114 VwGO) nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Die Klagen waren daher vollumfänglich mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.