Verwaltungsrecht

Unzulässiger Asylerstantrag wegen Gewährung subsidiären Schutzes in Italien

Aktenzeichen  Au 7 K 17.35638

Datum:
10.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6638
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 71, § 81
EMRK Art. 3
VwZG § 3, § 4, § 8
VwGO § 84, § 113 Abs. 1 S.1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
RL 2013/33/EG Art. 17, Art. 18, Art. 19
RL2013/32/EU Art. 33 Abs.2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Tatsache, dass bezüglich § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unionsrechtliche Zweifelsfragen aufgetreten sind, die das BVerwG zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens veranlasst haben, begründet keine “nachträgliche“ Änderung der Sach- oder Rechtslage bzw. “neue“ Beweismittel, wenn die Bestandskraft des Erstbescheids zeitlich erst danach eintrat, da einem Wiederaufgreifen insoweit § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen steht. (Rn. 49 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der überwiegenden Rechtsprechung laufen weder Asylbewerber noch anerkannte international Schutzberechtigte tatsächlich Gefahr, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. u.a. OVG NW BeckRS 2016, 51044). (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine in Italien im Einzelfall eventuell drohende Obdachlosigkeit ist nicht geeignet, generell eine mit den Grundsätzen des europäischen Asylrechts unvereinbare Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Italien anzunehmen und rechtfertigt daher auch nicht die Zuerkennung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klagepartei wurde gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Die Klage ist zum Teil bereits unzulässig, soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
Der Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes (Klageantrag 2.) sowie der hilfsweise gestellte Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Klageantrag 3.) erweisen sich als unzulässig (nachfolgend unter 1.).
Der als Klageantrag 1. gestellte Anfechtungsantrag hinsichtlich der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides sowie der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung des Bestehens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Antrag 4.) sind zulässig, aber unbegründet (nachfolgend unter 2., 3. und 4.)
1. Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen, ist die Klage bereits unzulässig.
Streitentscheidende Normen sind vorliegend § 29 Abs. 1 Nr. 5 und § 71 AsylG.
Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Diese, in Ziffer 1. des Bescheides getroffene Entscheidung bzw. Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, ist mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 16 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG jedenfalls seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I 2016, 1939 ff.) allein die Anfechtungsklage statthafte Klageart. (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 16 ff.). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheides, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will. Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das vom Kläger endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung eine Verpflichtung der Gerichte zum „Durchentscheiden“ angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.2.1998 – 9 C 28.97 – juris) hält das Bundesverwaltungsgericht an dieser Rechtsprechung seit der o.g. Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens nicht mehr fest. Insbesondere hat der Gesetzgeber mit der Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Der Prüfungsumfang des Bundesamtes beschränkt sich bei Anträgen, die das Bundesamt als Folgeanträge einstuft, auf die Frage, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung des Bestehens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Antrag 4.) ist zulässig.
Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist im Rahmen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG über das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu entscheiden. Für das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG ist in der Hauptsache weiterhin eine hilfsweise zu erhebende Verpflichtungsklage statthaft (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 20). Denn dabei handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, der von der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71 AsylG nicht umfasst wird. Nach der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG hat das Bundesamt in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. In Bezug auf § 60 Ab. 5 oder 7 Satz1 AufenthG hat sich das Bundesamt also anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 20).
3. Soweit die Klage als Anfechtungsklage zulässig ist, ist sie auch fristgerecht innerhalb einer Woche erhoben worden, § 71 Abs. 4 Halbs. 2, § 34a Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1 AsylG.
Der Bevollmächtigte, der den Kläger in seinem ersten Asylverfahren vertreten hat, ist auch für das vorliegende Asylfolgeverfahren bevollmächtigt und damit empfangsberechtigt. Dies hat der Bevollmächtigte durch die in diesem Klageverfahren (und Antragsverfahren) vorgelegte Vollmacht („Asyl / Aufenthalt“), die vom 27. Dezember 2016 datiert (also im Asylerstverfahren erteilt wurde), bestätigt. Das Bundesamt hat eine Kopie des Bescheids mit Zustellungswillen, wie sich aus dem Anschreiben vom 8. Dezember 2017 (Bl. 55 der Bundesamtsakte) ergibt, an den Bevollmächtigten mit einfachem Brief per Post übermittelt. Der Prozessbevollmächtigte hat die Kopie des Bescheids laut seinem Vortrag auch am 11. Dezember 2017 erhalten. Damit sind etwaige Zustellungsmängel (keine Zustellung per PZU oder mittels Einschreiben, § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG i.V.m. §§ 3, 4 VwZG) gemäß § 8 VwZG geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Dokument, wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass dem Bevollmächtigten eine – mit dem Original nach Inhalt und Fassung übereinstimmende – Kopie zugesandt wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1997 – 8 C 43.95 – BVerwGE 104, 301; VG Freiburg, U.v. 18.10.2017 – A 3 K 6272/17 – juris Rn. 6).
Ausgehend von der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids an den Bevollmächtigten des Klägers am 11. Dezember 2017 ist damit die am 18. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht Augsburg eingegangene Klage fristgemäß erhoben worden.
4. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.
a) Die in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides vom 6. Dezember 2017 getroffene Entscheidung, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den streitgegenständlichen Bescheid sowie auf den, den Beteiligten bekannten Beschluss vom 5. Februar 2018 (Az.: Au 7 S 17.35640) verwiesen (§ 77 Abs. 2 VwGO), in dem das Gericht (siehe Rn. 30 bis 36) wie folgt ausgeführt hat:
„Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist der Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrages nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
Vorliegend ist ein Fall eines Folgeantrages nach § 71 AsylG gegeben. Nach § 71 Abs. 1 AsylG liegt ein Folgeantrag u.a. dann vor, wenn der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt. Dies ist hier der Fall. Der erste Asylantrag des Antragstellers wurde unanfechtbar abgelehnt; der (Erst-) Bescheid vom 20. Januar 2017 ist mit der Einstellung des Klageverfahrens durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. August 2017 (Az.: Au 7 K 17.30518) bestandskräftig geworden.
Wiederaufgreifensgründe gem. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind nicht erkennbar.
Die dem (seit 2.8.2017 bestandskräftigen) Bescheid vom 20. Januar 2017 i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG „zugrunde liegende“ Sach- und Rechtslagelage war ausweislich der Begründung in diesem Bescheid diejenige, dass der Antragsteller aus Italien eingereist war und ihm dort der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden war; deshalb wurde sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Hieran hat sich nicht etwa dadurch etwas geändert, dass der Antragsteller im Mai 2017 Deutschland verlassen hat und im November 2017 wieder eingereist ist. Nach Aktenlage besteht der in Italien zuerkannte Status als subsidiär Schutzberechtigter weiterhin, die italienische Aufenthaltsgestattung (permesso di soggiorno) hat eine Gültigkeitsdauer bis zum 28. April 2019.
Zwar sind bezüglich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – insbesondere auch angesichts der Situation in Italien – unionsrechtliche Zweifelsfragen aufgetreten, die das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2017 (Az.: 1 C 26.16, juris) – also vor Eintritt der Bestandskraft des Erstbescheids am 2. August 2017 – zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens veranlasst haben.
Insoweit handelt es sich aber von vornherein nicht um eine „nachträgliche“ Änderung der Sach- oder Rechtslage bzw. um „neue“ Beweismittel. Einem Wiederaufgreifen steht § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen, denn § 51 Abs. 2 VwVfG meint das gesamte Verfahren bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 51 Rn. 131). Es wäre dem Antragsteller möglich gewesen, sein damaliges Klageverfahren – auch von Italien aus – weiterzuführen und ggf. Rechtsmittel gegen ein seine Klage abweisendes Urteil einzulegen, zumal er durch den Bevollmächtigten anwaltlich vertreten war.
Im Übrigen rechtfertigt jedoch das o.g. Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um einen Ausgangsbescheid, mit dem ein Asylantrag gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (erstmals) als unzulässig abgelehnt wurde, sondern um einen – mit Blick auf das rechtskräftig abgeschlossene Ausgangsverfahren – Folgeantrag. Insoweit lässt es Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) ausdrücklich zu, einen Asylantrag als unzulässig zu behandeln, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem – wie hier – keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind. Zudem hat auch der Europäische Gerichtshof wiederholt die Bedeutung betont, die die Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen hat. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (vgl. EuGH, U.v. 10.7.2014 – C-213/13 – Rn. 58 m.w.N.). Mit Blick auf das rechtskräftig abgeschlossene Erstverfahren kann sich der Antragsteller daher nicht in gleicher Weise auf die in Bezug auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufgetretenen Zweifelsfragen berufen wie Asylantragsteller, deren Asylantrag erstmals auf der Grundlage dieser Norm abgelehnt wurde. Dies gilt hier umso mehr, als die Frage der Bedingungen für Personen mit internationalem Schutz in Italien, die Hintergrund des vom Bundesverwaltungsgericht eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens sind, bereits Gegenstand des ursprünglichen gerichtlichen Verfahrens war (siehe Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28.3.2017 – Au 7 S 17.30519). Mit Blick darauf, dass der Ausschluss eines weiteren Asylverfahrens nach erfolgter Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat auch unionsrechtlich ausdrücklich ermöglicht wird, fällt daher die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.“
b) Der (Hilfs-) Antrag, die Beklagte zur Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG zu verpflichten, hat ebenfalls keinen Erfolg. Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den streitgegenständlichen Bescheid sowie auf den, den Beteiligten bekannten Beschluss vom 5. Februar 2018 (Az.: Au 7 S 17.35640) verwiesen (§ 77 Abs. 2 VwGO), in dem das Gericht (siehe Rn. 40 bis 48) wie folgt ausgeführt hat:
„Ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht gegeben. Dem Kläger droht in Italien keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. Anders als während des Asylverfahrens, für das die Migranten einen Anspruch auf Betreuung und Unterkunft haben (vgl. Art. 17 bis 19 Aufnahmerichtlinie RL 2013/33/EG) und dem in Italien angesichts der Vielzahl der dort ankommenden Schutzsuchenden nicht immer systemgerecht entsprochen worden ist, gibt Kapitel VII der QualifikationsRL 2011/95/EU (insbesondere Art. 20 bis 33) für anerkannte international Schutzberechtigte lediglich vor, dass sie über dieselben Rechte wie eigene Staatsangehörige beim Zugang zu Wohnraum, Bildung, medizinischer Versorgung, Beschäftigung oder Sozialhilfeleistungen verfügen müssen. Eine staatliche Verpflichtung zur finanziellen Unterstützung, Versorgung oder Unterbringung aller Einzelpersonen folgt daraus ebenso wenig wie aus den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. EGMR, Urteile vom 4.11.2014, Nr. 29217/12 „Tarakhel“ und vom 5.2.2015, Nr. 51428/10). Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass in Italien anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich menschenrechtskonform behandelt werden und in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken; z.B. sind sie in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt und haben auch tatsächlich die Möglichkeit des Zugangs zu ausreichender gesundheitlicher Versorgung. Des Weiteren ist eine in Italien im Einzelfall eventuell drohende Obdachlosigkeit nicht geeignet, generell eine mit den Grundsätzen des europäischen Asylrechts unvereinbare Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Italien anzunehmen, zumal Art. 3 EMRK die Signatarstaaten nicht dazu verpflichtet, anerkannten Flüchtlingen eine Wohnungsunterkunft zur Verfügung zu stellen, sie finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteile vom 18. Dezember 2014 – C 542/13 – und vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, beide veröffentlicht bei juris). Dass die wirtschaftliche Situation in dem Zielstaat der Überstellung schlechter ist als diejenige in der Bundesrepublik Deutschland, stellt für sich genommen keine Verletzung von Art. 3 EMRK dar.
Eine andere Beurteilung gebietet sich auch nicht vor dem Hintergrund des o.g. Vorlagebeschlusses des BVerwG vom 27.06.2017 – 1 C 26.16 (juris). Denn das BVerwG hat überzeugend ausgeführt, dass gewichtige Gründe dafür sprechen, die Vorlagefrage zu verneinen. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an und macht sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (insbes. Rn. 32 ff.) zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen.
Das Gericht verweist im Übrigen auf seine Ausführungen in dem im Erstverfahren ergangenen Beschluss vom 28. März 2017 (Au 7 S 17.30519), zumal eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse in Italien seitdem nicht eingetreten ist und folgt weiterhin der überwiegenden Rechtsprechung, wonach weder Asylbewerber noch anerkannte international Schutzberechtigte tatsächlich Gefahr laufen, in Italien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG NW, B.v. 19.10.2017 – 13 A 1845/17.A – juris, U.v. 22.9.2016 – 13 A 2448/15.A – juris und insbesondere U.v. 7.7. 2016 – 13 A 2132/15.A – juris m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 21.2.2014 – 10 A 10656/13.OVG – juris, gegen das das BVerwG mit B.v. 21.5.2014 – 10 B 31/14 – die Revision nicht zugelassen hat; VG Trier, B.v. 20.7.2017 – 5 L 7778/17.TR – juris; VG München, U.v. 6.12.2016 – M 12 K 16.33413 – juris; VG München, B.v. 6.3.2017 – M 17 S 17.33096 – juris; VG Oldenburg, U.v. 17.11.2016 – 1 A 142/15 – juris). Soweit die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertritt, eine Überstellung nach Italien sei unzulässig, weil den Asylantragsteller in Italien im Falle der Zuerkennung internationalen Schutzes unzumutbare Lebensumstände erwarteten (so VGH Baden-Württemberg, B. v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris), vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen.
Selbst wenn der Antragsteller also bei seinem Voraufenthalt in Italien unter schwierigen Bedingungen hätte leben müssen, so würde dies nicht die Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes rechtfertigen, das dann letztlich für jeden aus Italien eingereisten Ausländer oder dortigen Staatsangehörigen gelten müsste, der wegen finanzieller Schwierigkeiten das Land verlassen hat.
Darüber hinausgehende gravierende persönliche Umstände, die gesondert zu berücksichtigen sein könnten, sind bei dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Antragsteller nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen durchgreifende Zweifel an dem Vortrag der Antragstellerseite, dass es dem Antragsteller nicht gelungen sei, nach Verlassen der Bundesrepublik Deutschland in Italien unter menschenwürdigen Umständen zu leben (s. Klage- und Antragsschriftsatz vom 18.12.2017, S. 3/4).
Bereits in dem im Erstverfahren ergangenen Beschluss vom 28. März 2017 (Au 7 S 17.30519) hat das Gericht auf die unwahren Angaben des Antragstellers und seiner Frau, nämlich auf die Unterdrückung ihrer Personaldokumente (nigerianische Reisepässe, italienische Ausweisdokumente, Kreditkarten, italienische Steuernummern etc.) verwiesen und ausgeführt, dass in dem aufgefundenen gültigen nigerianischen Reisepass des Antragstellers Stempel enthalten sind, welche nachweisen, dass er im Oktober 2015 nach Malta und … geflogen ist, was nicht für eine existentielle Bedürftigkeit des Antragstellers während seines Aufenthalts in Italien spreche. Im vorliegenden Verfahren hat die Eurodac-Recherche des Bundesamtes einen weiteren Treffer der Kategorie 1 für Schweden (…) ergeben, der das Antragsdatum 12. August 2017 ausweist (Bl. 22 der Bundesamtsakte). Dies belegt, dass der Antragsteller sich nur recht kurz in Italien aufgehalten hat und offensichtlich die finanziellen Mittel hatte, um nach Schweden weiterzureisen; dies spricht, wie bereits im Erstverfahren ausgeführt wurde, nicht gerade für seine existentielle Bedürftigkeit.
Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Fotos (Bl. 28/29 der Gerichtsakte), die im Freien schlafende Afrikaner/innen zeigen, sind nicht geeignet, die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG zu belegen. Wie bereits unter a) ausgeführt, ist eine in Italien im Einzelfall eventuell drohende Obdachlosigkeit nicht geeignet, generell eine mit den Grundsätzen des europäischen Asylrechts unvereinbare Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Italien anzunehmen und rechtfertigt daher auch nicht die Zuerkennung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG.
Insbesondere können die vorgelegten Fotos nicht belegen, dass der Antragsteller selbst über einen beachtlichen Zeitraum hinweg obdachlos gewesen wäre. Ein Foto (Anlage K4 / K5, Bl. 28 der Gerichtsakte) zeigt den Antragsteller mit vier großen Koffern (auf zwei Koffern sitzend) neben einem italienischen Fahrkartenautomat. Es erscheint nicht plausibel, dass der Antragsteller unter Mitführung von derart viel Gepäck längere Zeit auf der Straße in Italien gelebt hat.
Völlig unplausibel ist auch die Behauptung der Antragstellerseite, die Ehefrau habe den Antragsteller in Italien verlassen, da dieser nicht in der Lage gewesen sei, die Grundbedürfnisse ohne Betteln abzudecken. Dieser Vortrag weist vielmehr darauf hin, dass die Frau sich offenbar auch ohne Hilfe des Antragstellers in der Lage sah, ihren Lebensunterhalt in Italien zu bestreiten. Dies spricht dafür, dass es auch dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Antragsteller in Italien gelingen wird, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, zumal es ihm auch seit Jahren möglich ist, in ganz Europa herumzureisen.“
c) Die Abschiebungsandrohung und die Festsetzung einer Ausreisefrist von einer Woche in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids ergeben sich aus § 71a Abs. 4, § 34a Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG.
d) Hinsichtlich der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4. des angefochtenen Bescheids) bestehen ebenfalls keine Bedenken.
4. Da die Klage somit ohne Erfolg bleibt, trägt der Kläger die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG).
Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen