Verwaltungsrecht

Vollziehbare Ausreisepflicht nach Gambia

Aktenzeichen  M 12 S 18.476

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2986
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 4 Abs. 1, § 50 Abs. 3, § 58 Abs. 1, Abs. 2, § 59 Abs. 5, § 81 Abs. 3, Abs. 4
SDÜ Art. 21
RückführungsRL Art. 6 Abs. 2 S. 1
AufenthG § 58 Abs. 3 Nr. 1, § 59 Abs. 5
RL 2008/115/EG Art. 6 ff.

 

Leitsatz

1 Plant der Drittausländer bereits bei seiner Einreise einen über einen Kuraufenthalt im Sinne des Art. 21 Abs. 1 SDÜ hinausgehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, bedarf er bereits zu diesem Zeitpunkt eines nationalen Visums (HessVGH BeckRS 2014, 55611). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kommt ein Drittstaatsangehöriger, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedsstaates ist, seiner Verpflichtung, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedsstaates zu begeben, nicht nach, erlassen die Mitgliedsstaaten eine Rückkehrentscheidung iSv Art. 6 Abs. 2 Rückführungs-RL. Ist die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit geboten, darf die Abschiebung unmittelbar in den Heimatstaat angedroht werden, ohne zuvor Gelegenheit zur Ausreise in den Mitgliedstaat zu geben.  (Rn. 30 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird für dieses Verfahren abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals am … Oktober 2015 ins Bundesgebiet ein und stellte am … Dezember 2015 einen Asylantrag. Im Asylantrag gab er an, … zu heißen und am … 1998 geboren zu sein. Daraufhin erhielt er Jugendhilfeleistungen in Höhe von 23.462,76 Euro.
Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft I … vom … März 2017 wurde in einem Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls von der Verfolgung gemäß § 45 Abs. 2 JGG abgesehen.
Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt am 4. Juli 2017 nahm der Antragsteller seinen Asylantrag zurück. Zudem bestätigte er, dass die im Asylantrag genannten Angaben korrekt seien und er nie einen Pass besessen habe. Er habe in Italien nie Aufenthaltspapiere gehabt.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 10. Juli 2017 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Asylverfahren des Antragstellers ein, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, forderte den Antragsteller zur Ausreise auf und drohte die Abschiebung nach Gambia an.
Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem 10. Juli 2017 und 20. August 2017 reiste der Antragsteller aus dem Bundesgebiet aus.
Am 20. August 2017 reiste der Antragsteller ins Bundesgebiet ein und wurde aufgegriffen. Dabei konnten ein gambischer Reisepass, der am … Juni 2015 ausgestellt wurde, ein am … April 2016 ausgestellter und bis … April 2018 befristeter italienischer Aufenthaltstitel („Permesso di Soggiorno, Motivi Umanitari“) und eine am … Juli 2015 ausgestellte Carta d’Identitä sichergestellt werden. Alle drei Dokumente sind auf den Namen … ausgestellt und enthalten den … 1997 als Geburtsdatum des Antragstellers.
Ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen versuchter unerlaubter Einreise wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft | … vom … September 2017 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
Mit Schriftsatz seines ehemaligen Bevollmächtigten vom … September 2017 beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise eine Duldung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 AufenthG erteilt werden könne. Der Ausreise stünden dringende humanitäre und persönliche Gründe entgegen. Die Versorgungslage für Geflüchtete in Italien sei unzureichend. Der Antragsteller sei sich selbst überlassen. Zudem komme eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG in Be tracht. Hilfsweise komme die Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG in Betracht.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ausweisung und Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis angehört.
Am 12. Dezember 2017 wurden dem Antragsteller Papiere zur Passersatzpapierbeschaffung in die JVA … in H …, in der sich der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befand, übersandt.
Laut E-Mails vom 15. und 19. Dezember 2017 verweigerte der Antragsteller das Ausfüllen und die Unterschrift des Passersatzantrags.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2017 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1), die Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland für 10 Jahre untersagt (Nr. 2), die Abschiebung aus der Haft nach Gambia oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 3), andernfalls der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von fünf Tagen nach Haftentlassung zu verlassen (Nr. 4) und die Abschiebung nach Gambia oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 5). Zudem hat die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei seit dem 17. November 2017 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, da sein Antrag keine Fiktionswirkung entfalte. Da der Antragsteller inhaftiert sei, sei es kraft Gesetzes erforderlich, die Erfüllung seiner Ausreisepflicht zu überwachen. Der Antragsteller habe sich über den erlaubten touristischen Zeitraum hinweg im Bundesgebiet aufgehalten. Er sei mittellos und ohne festen Wohnsitz. Der Antragsteller habe zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass er seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen werde.
Die für den Fall, dass die Abschiebung aus der Haft nicht durchführbar sein sollte, gesetzte Frist, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von fünf Tagen nach Haftentlassung zu verlassen, erscheine unter Berücksichtigung der bisherigen Aufenthaltsdauer, der kriminellen Verhaltensweisen und der sonstigen persönlichen Verhältnisse des Antragstellers angemessen. Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 AufenthG seien nicht ersichtlich.
Durch Urteil des Amtsgerichts H …- … vom … Januar 2018, rechtskräftig seit dem 13. Januar 2018, wurde der Antragsteller wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu vier Wochen Jugendarrest verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am … September 2017 gegen 16.15 Uhr in H … in seiner Unterhose neun Grip-Beutel mit Marihuana mit einem Gesamtnettogewicht von 5,94 Gramm bei sich führte, um dieses gewinnbringend an Drogenkonsumenten zu verkaufen. Zudem verkaufte der Antragsteller am … November 2017 gegen 22.25 Uhr in H …- … vier Grip-Beutel Marihuana an einen polizeilichen Scheinkäufer. Diese Beutel hatten ein Nettogewicht von 3,13 Gramm. Der Antragsteller erhielt hierfür polizeilich registriertes Geld in Höhe von 50,- Euro.
Mit Beschluss vom *. Januar 2018 ordnete das Amtsgericht H* … Abschiebehaft an. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wurde angeordnet. Es bestehe der begründete Verdacht, dass der Antragsteller sich der Abschiebung entziehen wolle. Der Antragsteller habe bei seiner Einreise bewusst über seine Identität und sein Alter getäuscht. Er habe zudem verschwiegen, im Besitz eines gültigen gambischen Reisepasses, einer Carta d’Identitä sowie eines italienischen Aufenthaltstitels zu sein. Er habe das Ausfüllen des notwendigen Passersatzpapierantrags mehrfach trotz Aufforderung verweigert, sei untergetaucht und für die Behörden nicht mehr erreichbar gewesen. Nach seiner Festnahme habe er seinen Unterschlupf geheim gehalten.
Nach alledem sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sich ausländerrechtlichen Maßnahmen nicht beuge und insbesondere das Bundesgebiet nicht freiwillig verlasse und einer Abschiebung aktiv entgegenwirke.
Mit Schreiben vom … Januar 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az.: M 12 K 18.337) und beantragte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2017 aufzuheben und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter ihrer Beiordnung zu gewähren.
Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2018 hat sie beantragt,
1.festzustellen, dass die Klage vom … Januar 2018 gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung hat, und
2.der Antragsgegnerin zu untersagen, den Antragsteller vor rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens abzuschieben.
Zudem hat sie beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren ihrer Beiordnung zu gewähren.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Der Aufenthalt des Betroffenen gelte nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt. Die hilfsweise Entscheidung der Antragsgegnerin im Rahmen des Bescheides vom 15. Dezember 2017 habe in Ermangelung des Bedingungseintritts keine Bescheidung des Antrags bewirkt. Eine vollziehbare Ausreisepflicht liege ersichtlich schon deshalb nicht vor, da die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Verletzung von § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht zur Ausreise nach Italien aufgefordert habe. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung sei erst dann zulässig, wenn der Betroffene aufgefordert worden sei, sich unverzüglich in einen anderen Mitglieds staat der EU zu begeben. Vorliegend habe die Antragsgegnerin den Betroffenen nicht nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zur Ausreise aufgefordert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsund Behördenakten genommen.
II.
1. Der Antrag, entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO festzustellen, dass die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung hat, hat keinen Erfolg.
Zwar ist ein Antrag auf Feststellung, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO grundsätzlich möglich. Er ist allerdings nur in den Fällen der sog. faktischen Vollziehung statthaft, d.h. im Fall der unter Missachtung der bestehenden aufschiebenden Wirkung drohenden bzw. erfolgenden behördlichen Vollziehung eines Verwaltungsakts.
Eine derartige faktische Vollziehung der Ausreisepflicht durch Abschiebung nach Gambia ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kommt der Klage gegen die Ausweisung aufschiebende Wirkung zu, da diese nicht in § 84 Abs. 1 AufenthG genannt ist. Die Antragsgegnerin missachtet jedoch mit der beabsichtigten Abschiebung nicht die diesbzgl. bestehende aufschiebende Wirkung der Klage. Denn die vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers ergibt sich vorliegend unabhängig von der Ausweisung daraus, dass der Antragsteller gem. § 50 Abs. 1 AufenthG nicht über einen erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt, unerlaubt eingereist ist und sein Aufenthalt trotz erfolgter Beantragung eines Aufenthaltstitels nicht gem. § 81 Abs. 3 AufenthG als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG). Ausländer bedürfen gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist. Der Antragsteller war weder bei seiner Einreise noch während seines Aufenthalts jemals im Besitz eines Aufenthaltstitels gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Auch die Voraussetzungen der europarechtlichen Regelung des Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (im Folgenden: SDÜ) für einen visumfreien Aufenthalt von bis zu drei Monaten waren nicht gegeben. Danach ist neben dem Besitz eines Aufenthaltstitels eines Mitgliedstaats und eines gültigen Reisedokuments erforderlich, dass die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 erfüllt werden. Bezugnahmen auf Art. 5 Abs. 1 VO(EG) Nr. 562/2006 gelten gem. Art. 44 UAbs. 2 i.V.m. Anhang X der Verordnung (EU) 2016/399 als Bezugnahmen auf Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 2016/399 (im Folgenden: Schengener Grenzkodex). Danach muss der Betroffene u.a. über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts verfügen (vgl. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c Schengener Grenzkodex). Zudem erlaubt Art. 21 Abs. 1 SDÜ eine Einreise in die Bundesrepublik nur dann, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt i. S. v. Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerichtet ist. Dies folgt aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ, der ein Kurzaufenthaltsrecht für Drittausländer in anderen Mitgliedstaaten nur unter dem Vorbehalt gewährt, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen u. a. die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, c und e Schengener Grenzkodex aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Maßgeblich ist danach ein geplanter Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Plant der Drittausländer bei der Einreise indes einen längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik, bedarf es bereits zu diesem Zeitpunkt wegen der beabsichtigten Überschreitung des in Art. 21 Abs. 1 SDÜ vorgegebenen zeitlichen Rahmens eines nationalen Visums für einen längerfris-tigen Aufenthalt in der Bundesrepublik (VGH Kassel B.v. 4.6.2014 – 3 B 785/14 BeckRS 2014, 55611). Vorliegend war der Aufenthalt des Antragstellers – insbesondere angesichts des Antrags auf eine Aufenthaltserlaubnis kurz nach seiner erneuten Einreise in das Bundesgebiet und der im Rahmen der Antragstellung vorgetragenen und aus Sicht des Antragstellers unzureichenden Situation in Italien – von vornherein auf einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet ausgerichtet. Zudem verfügte der Antragsteller offensichtlich auch nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts, wie auch der nunmehr gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zeigt. Als gambischer Staatsangehöriger war der Antragsteller auch nicht von der Visumspflicht befreit. In der Folge war damit sowohl die Einreise des Antragstellers unerlaubt als auch sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtmäßig, so dass keine Erlaubnisfiktion gem. § 81 Abs. 3 AufenthG eingetreten ist. Nachdem der Antragsteller nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat, ist auch § 81 Abs. 4 AufenthG nicht einschlägig. Damit ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig. Der Klage gegen die Abschiebungsandrohung als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
2. Soweit der Antrag gemäß §§ 122, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgelegt werden kann, hat er ebenfalls keinen Erfolg.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist bereits unstatthaft, da der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers keine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 AufenthG ausgelöst hat (s.o.; vgl. hierzu BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris). Richtige Rechtsschutzform wäre in diesem Fall ein auf Aussetzung der Abschiebung gerichteter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO.
3. Selbst eine Auslegung als Antrag nach § 123 VwGO könnte dem Antrag aber nicht zum Erfolg verhelfen, da nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 21.6.2013 – 10 CS 13.1002 – juris) glaubhaft gemacht wurde, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung zusteht.
Die Voraussetzungen für die Abschiebung nach § 58 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt. Der Antragsteller ist ausreisepflichtig, da er über einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht verfügt (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG aufgrund der unerlaubten Einreise bzw. der fehlenden Erlaubnisfiktion gemäß § 81 Abs. 3 AufenthG vollziehbar (s.o.).
Der vollziehbaren Ausreisepflicht steht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch die fehlende Ausreiseaufforderung im Sinne des § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG (im Folgenden: Rückfüh-rungsRL) nicht entgegen.
Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist der ausreisepflichtige Ausländer, wenn er durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat der Ausländer seiner Ausreisepflicht genügen kann, aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.
Ausweislich der amtlichen Begründung zu § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (BundestagsDrucksache 17/5470, S. 22) wird mit § 50 Abs. 3 Satz 2 AufenthG Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der RückführungsRL umgesetzt. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der RückführungsRL sind Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaats sind, zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats zu begeben. Kommen die betreffenden Drittstaatsangehörigen dieser Verpflichtung nicht nach, oder ist die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit geboten, so erlassen die Mitgliedsstaaten eine Rückkehrentscheidung (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der RückführungsRL).
Letzteres setzt nach dem Urteils des EuGH vom 16. Januar 2018 (Az.: 240/17) voraus, dass im Einzelfall das persönliche Verhalten des Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen muss, wobei der bloße Umstand, dass der Drittstaatsangehörige strafrechtlich verurteilt wurde, für sich genommen nicht ausreicht, um eine solche Gefahr anzunehmen.
Vorliegend konnte die Antragsgegnerin eine Rückkehrentscheidung, d.h. hier die Abschiebungsandrohung, ohne eine vorherige Aufforderung zur Ausreise nach Italien erlassen. Das persönliche Verhalten des Antragstellers stellt eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Amtsgerichts h* …- … vom *. Januar 2018, rechtskräftig seit 13. Januar 2018, wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu vier Wochen Jugendarrest verurteilt. Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller bei seinen Taten gezeigten kriminellen Energie und der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts ist eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr beim Kläger gegeben. Gerade der illegale Handel mit Betäubungsmitteln ist regelmäßig mit hoher krimineller Energie verbunden, birgt schwerwiegende Gefahren für Leben und Gesundheit anderer Menschen in sich, berührt damit ein Grundinteresse der Gesellschaft und stellt eine erhebliche Gefahr dar. Der Schutz der Bevölkerung vor Betäubungsmitteln stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, da der Handel mit Drogen eine Abhängigkeit von Drogenkonsumenten hervorruft oder aufrechterhält. Er stellt ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirt schaftliche Gefahr für die Menschheit dar. Der Handel mit Betäubungsmitteln, der die Abhängigkeit anderer Drogenkonsumenten aufrecht erhält oder verstärkt und der auf eine Erweiterung des Kundenkreises von bisher nicht abhängigen Personen angelegt ist, führt zu erheblichen Gefahren für die Gesellschaft, deren Abwehr im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung auch einschneidende Maßnahmen rechtfertigt (EuGH, U.v. 23.11.2010 – C-145/09 – juris Rn. 47; BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – juris Rn. 19). Angesichts der bis heute fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts des Antragstellers besteht eine große Wiederholungsgefahr dahingehend, dass der Antragsteller bei einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wieder illegal mit Betäubungsmitteln handeln wird. Zudem hat sich derAntragsteller bereits in der Vergangenheit, durch Angabe einer falschen Identität Leistungen der Jugendhilfe verschafft. Auch dies zeigt, dass der Antragsteller die Rechtsordnung nicht achtet, sondern für seinen persönlichen Vorteil Straftaten begeht und eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die Begehung neuer Straftaten besteht.
Angesichts dessen ist es auch vor dem Hintergrund der o.g. Rechtsprechung des EuGH rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller in sein Heimatland und nicht nach Italien abgeschoben werden soll. Zu dem in § 58 Abs. 1b AufenthG genannten Personenkreis gehört der Antragsteller gerade nicht.
Vorliegend kann der Antragsteller nach § 59 Abs. 5 i. V. m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG auch ohne Fristsetzung unmittelbar aus der Abschiebehaft, in der er sich aktuell noch befindet, abgeschoben werden.
Die Überwachung der Ausreise ist erforderlich, da sich der Antragsteller auf richterliche Anordnung hin in Haft befindet (§ 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). Aus welchem Grund sich der Ausländer in Haft befindet, ist unerheblich; die Maßnahme muss nur richterlich angeordnet sein (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 58 AufenthG Rn. 21). Auch Abschiebungshaft kommt in Betracht. Vorliegend wurde gegen den Antragsteller durch das Amtsgericht h* … gem. § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG Abschiebungshaft angeordnet. Der Anwendung von § 59 Abs. 5 i. V. m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG stehen die Bestimmungen der Rück-führungsRL nicht entgegen. Vielmehr wird nach Art. 7 Abs. 4 und Art. 15 der Rück-führungsRL eine Inhaftnahme des betroffenen Drittstaatsangehörigen für Zwecke der Abschiebung (unter den dort genannten Voraussetzungen) unter Absehung von einer Fristsetzung für die freiwillige Ausreise zugelassen (BayVGH, B.v. 8.11.2012 – 10 CE 12.2401 – BeckRS 2012, VGH Mannheim Urt. v. 29.3.2017 – 11 S 2029/16 – BeckRS 2017, 115876).).
Die dargelegten Gründe lassen nicht erkennen, dass die Abschiebung nach Gambia aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich wäre. Tatsächliche Abschiebungshindernisse sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Zielstaatsbezo-gene rechtliche Abschiebungsverbote in Bezug auf Gambia liegen nach dem Bescheid des Bundesamts vom 10. Juli 2017 nicht vor. An diese Feststellung ist die Ausländerbehörde gemäß § 42 AsylG gebunden.
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 abgelehnt. Selbst ein laufendes Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellt alleine noch keinen Grund für eine Duldung dar. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG. Ausländer, die von dieser Vorschrift nicht bzw. nicht mehr erfasst sind, können nicht verlangen, für die Dauer des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht abgeschoben zu werden (OVG Münster, Beschluss vom 15.04.2005 – 18 B 492/05 – juris, Rn. 5). Einem solchen Ausländer steht grundsätzlich kein verfahrensabhängiges Bleiberecht zu, d. h. der betreffende Ausländer hat das Verfahren auf Erteilung des Aufenthaltstitels von seinem Heimat land aus zu betreiben (OVG Bremen, Beschluss vom 27.10.2009 – 1 B 224/09 -). Gründe im vorliegenden Fall hiervon abzuweichen sind nicht ersichtlich.
3. Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 30.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren hat keinen  Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO hat. Auf vorstehende Erwägungen wird insofern Bezug genommen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war daher für das Eilverfahren abzulehnen.
Die Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren ergeht gebührenfrei. Kosten der Antragsgegnerin werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

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