Aktenzeichen Au 7 S 17.31160
Leitsatz
1. Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob ein vor dem 20.7.2015 gestellter Asylantrag aufgrund der Übergangsregelung in Art. 51 UAbs. 1 RL 2013/32/EU nicht allein deshalb als unzulässig gemäß § 29 Abs.1 Nr. 2 AsylG behandelt werden darf, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist, ist offen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Angesichts des offenen Verfahrensausgangs, für den auch die durch das BVerwG dem EuGH mit Beschluss vom 23.3.2017 (vgl. BVerwG BeckRS 2017, 111628, BeckRS 2017, 110809 und BeckRS 2017, 111620) vorgelegten Fragen eine Rolle spielen können, fällt die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von einem sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung verschont zu bleiben, mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers aus. (Rn. 24 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2017 (Au 7 S 16.32663) wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Au 7 K 16.32662) gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. November 2016 angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2017 (Az.: Au 7 S. 16.32663) vorläufigen Rechtsschutz gegen die Androhung der Abschiebung nach Griechenland.
1. Der nach eigenen Angaben am … 1986 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. Januar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 16. Juni 2015 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
An diesem Tag (16.6.2015) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. Der Antragsteller gab u.a. an, Afghanistan ca. 1995 verlassen zu haben. Im Jahr 2003 sei er in Griechenland eingereist und habe sich dort ca. zwölf Jahre bis zum 27. Dezember 2014 aufgehalten (Adresse: „…, …“). Dann sei er über Italien und die Schweiz nach Deutschland gereist.
Eine EURODAC-Recherche durch das Bundesamt ergab am 19. Juni 2015 einen Treffer der ersten Kategorie für Griechenland, EURODAC-Nr. ….
Am 20. November 2015 richtete das Bundesamt ein Informationsersuchen an Griechenland. Die griechischen Behörden teilten mit Schreiben vom 15. März 2016 u.a. mit, dass dem Antragsteller, der bei ihnen mit dem Geburtsdatum „…-…-1980“ registriert sei, auf seinen ersten Asylantrag, gestellt am 7. September 2006, eine negative Antwort am 5. Juni 2007 erteilt worden war. Auf seine Berufung hin sei ihm subsidiärer Schutz und ein Aufenthaltstitel mit einer Dauer vom 4. Dezember 2013 bis 3. Dezember 2016 gewährt worden.
Am 17 Oktober 2016 fand das zweite persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt. Dabei gab der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt u.a. an, er wolle nicht nach Griechenland überstellt werden, da man dort nur eine kurzzeitige Aufenthaltsgestattung bekomme, die nicht verlängert werde.
Mit Bescheid vom 24. November 2016, der dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 30. November 2016 zugestellt wurde, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 2). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Griechenland angedroht, sollte er die Ausreisefrist von einer Woche nicht einhalten. Es wurde verfügt, dass er nicht nach Afghanistan abgeschoben werden darf (Ziffer 3). In Ziffer 4 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, da Griechenland dem Antragsteller subsidiären Schutz gewährt habe.
Am 1. Dezember 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 24. November 2016 erhoben. Die Klage, über die noch nicht entschieden wurde, wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 16.32662 geführt.
Zugleich beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin übermittelte mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 die Behördenakten, äußerte sich aber in der Sache nicht.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2017 (Au 7 S. 16.32663) wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
2. Am 2. März 2017 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO,
unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Januar 2017 (Au 7 S. 16.32663) die aufschiebende Wirkung der Klage – Au 7 K 16.32662 – gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2016, zugestellt am 30. November 2016, mit dem die Abschiebung nach Griechenland angedroht wurde, anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41/15 – juris, wie auch der Vors. RiBVerwG Prof. Dr. Uwe-Dietmar Berlit in jurisPR-BVerwG 4/2016 Anm. 3, hierzu ausführe, klargestellt werde, dass bei erstmaligen Schutzanträgen, die noch unter der Altfassung der Asylverfahrensrichtlinie gestellt worden seien und für die daher die erweiterten Möglichkeiten, die Durchführung eines erneuten Asylverfahrens wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat abzulehnen, noch nicht greifen, die Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat einem „Aufstockungsbegehren“ auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegenstehe und eine (nochmalige) materielle Prüfung im Bundesgebiet nicht ausschließe. Deshalb sei § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf alle bis zu, 20. Juli 2015 gestellten „Aufstockungsanträge“ in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft bei bereits erfolgter Zuerkennung subsidiären Schutzes wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden und die an die in diesen Fällen ausgeschlossene Ablehnung als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG anknüpfende Abschiebungsandrohung gemäß § 35 AsylG mit einer Ausreisefrist von einer Woche gemäß § 36 Abs. 1 AsylG rechtswidrig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die (bereits im Verfahren Au 7 K 16.32662 vorgelegte) Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des Beschlusses vom 18. Januar 2017 (Au 7 S. 16.32663) hat Erfolg.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn ist. Die Abänderungsbefugnis des Gerichts ist dabei nicht auf stattgebende Entscheidungen beschränkt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.).
Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob ein – wie im vorliegenden Fall – vor dem 20. Juli 2015 gestellter Asylantrag aufgrund der Übergangsregelung in Art. 51 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU nicht allein deshalb als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG behandelt werden darf, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist, ist offen.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2015 (Az.: 1 B 41.15, NVwZ 2015, 1779 Rn. 11 f.) entschieden, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf Flüchtlingsschutz unzulässig sind, wenn dem Antragsteller zuvor bereits subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesverwaltungsgericht aber nicht mehr fest. Denn es hat mit Beschluss vom 23. März 2017 in drei Verfahren (Az.: 1 C 20.16, 1 C 17.16 und 1 C 18.16, bisher nur auf der Homepage des BVerwG veröffentlicht) den Europäischen Gerichtshof zur Klärung von Fragen angerufen, die die Sekundärmigration von Asylsuchenden betreffen, insbesondere geht es um die – für den vorliegenden Fall entscheidungserhebliche – Auslegung und zeitliche Anwendbarkeit der in der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie n.F.) eröffneten Möglichkeit, einen Asylantrag schon dann als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragsteller bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. folgende Frage (Frage 1) vorgelegt:
„Steht die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegen, wonach in Umsetzung der gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU ein Antrag auf internationalen Schutz unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, soweit die nationale Regelung mangels nationaler Übergangsregelung auch auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge anzuwenden ist?
Erlaubt die Übergangsbestimmung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU den Mitgliedstaaten insbesondere eine rückwirkende Umsetzung der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU mit der Folge, dass auch vor der nationalen Umsetzung dieser erweiterten Ermächtigung gestellte, zum Zeitpunkt der Umsetzung aber noch nicht bestandskräftig beschiedene Asylanträge unzulässig sind?“
Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im o.g. Beschluss u.a. Folgendes aus (Rn. 20 bis 25):
„(1) Es bedarf zunächst der Klärung durch den Gerichtshof, ob der genannte Unzulässigkeitstatbestand auf die hier im November 2013 gestellten Asylanträge in zeitlicher Hinsicht bereits Anwendung finden kann. Nach nationalem Recht (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist es an sich geboten, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch auf vor seinem Inkrafttreten gestellte Anträge anzuwenden, soweit über diese noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Der darin liegenden “unechten Rückwirkung” steht nationales Verfassungsrecht im konkreten Fall nicht entgegen (so der Sache nach bereits BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29 Rn. 28 ff.). Das Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der alten Rechtslage wiegt nach Auffassung des Senats weniger schwer als das mit der Neuregelung verfolgte Ziel, Sekundärmigration nach erfolgter Schutzgewährung in Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU zu vermeiden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen die neue Richtlinie – wie hier – bereits in Kraft war, als der Schutzsuchende seinen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. In einem solchen Fall musste er mit einer möglichen Umsetzung des neuen Unzulässigkeitsgrundes jedenfalls rechnen.
Ohne eine Übergangsbestimmung wäre auch unionsrechtlich Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. das diese Regelung umsetzende nationale Recht auf Altanträge anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Richtlinie unmittelbar auch auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Rechtslage entstanden ist (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-297/12 [ECLI:ECLI:EU:C:2013:569], Filev u.a. – Rn. 40), hier also auf alle Anträge, die noch nicht bestandskräftig beschieden sind.
Die Richtlinie 2013/32/EU enthält aber in Art. 52 Abs. 1 eine Übergangsbestimmung, deren Auslegung für den vorliegenden Fall klärungsbedürftig ist. Danach wenden die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an (Satz 1). Für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Die Anträge auf internationalen Schutz sind hier vor dem 20. Juli 2015 und zugleich auch vor Umsetzung der erweiterten Ablehnungsmöglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU in das nationale Recht gestellt worden. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht in Fällen, in denen dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist, zwar den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU, nicht jedoch den Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG; er ist deshalb insoweit mit der Richtlinie 2005/85/EG unvereinbar.
Mit Vorlagefrage 1 soll daher geklärt werden, wie die zitierte Übergangsregelung der Richtlinie bezogen auf eine solche Fallgestaltung auszulegen ist. Der Senat hat in einem früheren Verfahren entschieden, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf Flüchtlingsschutz unzulässig sind, wenn dem Antragsteller zuvor bereits subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 – NVwZ 2015, 1779 Rn. 11 f.). Nach dieser Auslegung gelten die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangenen nationalen Rechtsvorschriften für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nur, soweit sie mit der Richtlinie 2005/85/EG in Übereinstimmung stehen. Dies beruht auf der Annahme, dass die in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU eröffnete Möglichkeit, die in Umsetzung der neuen Richtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften auch schon auf vor diesem Datum gestellte Anträge anzuwenden („oder früher“), nur Bedeutung hat, soweit es um günstigere Bestimmungen im Sinne von Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG geht. Nationale Vorschriften zur Umsetzung der Neufassung der Richtlinie, die von den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG zum Nachteil des Antragstellers abweichen, dürfen hingegen nach dieser Auslegung aufgrund der Bestimmung in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge nicht angewendet werden. Die Übergangsregelung schützt nach diesem Verständnis das Vertrauen der Antragsteller, die ihren Antrag vor Ablauf der am 20. Juli 2015 verstrichenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 51 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU) gestellt haben, darauf, von Rechtsnachteilen durch die Umsetzung der neuen Richtlinie verschont zu bleiben.
Diese Auslegung der Übergangsvorschrift durch den Senat ist in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte teilweise auf Widerspruch gestoßen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 8 K 2119/14.A – juris Rn. 70; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 – 2a K 2466/15.A – InfAuslR 2016, 209 = juris Rn. 26 ff.; VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 – 10 K 2248/14.A – juris Rn. 214 ff., VG Darmstadt, Beschluss vom 6. März 2017 – 3 L 1068/17 DA.A – juris Rn. 6). Die abweichende Auffassung geht davon aus, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Rechtsvorschriften, die die neue Richtlinie umsetzen, auch schon auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge für anwendbar zu erklären. Dies folge aus dem Zusatz „oder früher“ in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU. Zwar bestimme Satz 2 der Regelung für vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge die Anwendbarkeit des in Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Rechts und stehe damit in einem gewissen Widerspruch zu Satz 1. Dieser Widerspruch sei aber dadurch zu erklären, dass der Zusatz „oder früher“ in Satz 1 der Vorschrift erst am Ende des Rechtssetzungsverfahrens in die Regelung aufgenommen wurde. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom 22. Oktober 2009 habe die Übergangsvorschrift eine feste Stichtagsregelung enthalten sollen. Erst durch den Standpunkt (EU) Nr. 7/2013 des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013 (ABl. C 179 E S. 27) seien in Satz 1 die Wörter „oder früher“ eingefügt worden. Dabei sei versäumt worden, die Regelung in Satz 2 entsprechend anzupassen. Satz 2 ist nach dieser Auslegung nur eine Auffangregelung für den Fall, dass die Mitgliedstaaten die neue Richtlinie nicht vor dem 20. Juli 2015 umgesetzt bzw. das neue Recht nicht auf vor diesem Zeitpunkt gestellte Anträge für anwendbar erklärt haben. Bei vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträgen ist eine nationale Regelung danach unionsrechtskonform, wenn sie entweder den Vorgaben der neuen oder den Vorgaben der alten Richtlinie entspricht.
Der Senat kann ohne die Klärung der Auslegung der Übergangsbestimmung, um die er den Gerichtshof mit Teilfrage 1 der Vorlagefrage 1 ersucht, nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Für den Fall, dass sich die zuletzt dargestellte Auffassung als grundsätzlich zutreffend erweisen sollte, stellt sich die weitere Frage, ob die nationalen Vorschriften, die die Richtlinie 2013/32/EU umsetzen, auf alle vor dem 20. Juli 2015 gestellten Anträge angewendet werden können oder nur auf solche, die nach Inkrafttreten der nationalen Rechtsvorschrift, die die neue Richtlinie umsetzt, gestellt worden sind (Teilfrage 2 der Vorlagefrage 1). Wenn die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangene Rechtsvorschrift im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz schon in Kraft gewesen sein muss, um auf den Antrag Anwendung finden zu können, wären die Asylanträge der Kläger nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Denn die Anträge sind im November 2013 gestellt worden, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist aber erst im August 2016 in Kraft getreten. Kommt es auf den Zeitpunkt der Umsetzung im nationalen Recht nicht an, sind die Anträge der Kläger hingegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig (soweit sich nicht aus der Beantwortung der Vorlagefragen 2 oder 3 etwas anderes ergibt).“
2. Angesichts des offenen Verfahrensausgangs, für den auch die dem EuGH vorgelegten Fragen 2 bis 5 eine Rolle spielen können (vgl. BVerwG, B.v. 23.3.2017 – Az.: 1 C 20.16, 1 C 17.16 und 1 C 18.16) fällt die erforderliche Interessensabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von einem sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung verschont zu bleiben, mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).