Verwaltungsrecht

Zumutbarkeit der Rückkehr nach Afghanistan

Aktenzeichen  W 1 K 16.31185

Datum:
17.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 34 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 59, § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Entscheidend ist nur, ob dem Kläger in dem Land seiner Staatsangehörigkeit ein ernsthafter Schaden droht. Unerheblich ist es, ob er in einem Drittstaat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Verfolgung befürchten muss. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 In jüngster Zeit sind hunderttausende afghanische Staatsangehörige von Pakistan in ihr Heimatland zurückgekehrt. Es ist nicht bekannt geworden, dass die Taliban Rückkehrern ablehnend gegenüber stünden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Sicherheitslage in der Provinz Khost, in der die Familie des Klägers lebt, ist durch einen Rückgang der Opferzahlen gegenüber dem Vorjahr gekennzeichnet. Bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts ist nicht davon auszugehen, dass praktisch jede Zivilperson schon aufgrund ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Alleinstehende leistungsfähige Männer können trotz der deutlich verschlechterten Sicherheitslage, der hohen Zahl der Arbeitslosen und Binnenvertriebenen selbst ohne nennenswertes Vermögen oder familiären Rückhalt nach einer Rückkehr nach Afghanistan durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen erzielen. Es besteht die Möglichkeit, zur Überbrückung Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch zu nehmen. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden, da der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 und die Beklagte durch allgemeine Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 ihr Einverständnis hierzu erteilt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Juli 2016 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG, da nichts dafür vorgetragen wurde bzw. anderweitig ersichtlich ist, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen. Darüber hinaus droht dem Kläger auch kein ernsthafter Schaden durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der QRL dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C-465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25).
Zunächst droht eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nicht durch Dorfbewohner aus der Provinz Ghazni, welche der Familie Grundstücke abgenommen hätten und wobei auch ein Onkel väterlicherseits zu Tode gekommen sei. Denn dieser Sachverhalt wurde auf die Frage nach seinen Fluchtgründen vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gar nicht mehr erwähnt; zudem liegen diese Vorfälle nunmehr etwa 16 Jahre zurück und der Kläger und seine Familie sind hieraufhin umgezogen und haben zuletzt in der Provinz Khost gelebt. Schließlich haben die Dorfbewohner auch durch die Übernahme der Grundstücke ihr offensichtliches Ziel erreicht, so dass eine weitere Verfolgung durch diese nicht zu befürchten ist.
Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass die Taliban während der Zeit ihres Aufenthalts in Pakistan der Familie des Klägers aufgetragen haben, die Waren für ihre Geschäfte nicht in Afghanistan zu kaufen, sondern in Pakistan, und einmal ein mit Waren voll beladenes Auto verschwunden sei bzw. die Taliban die Waren als Strafe kostenlos an Dorfbewohner verteilt hätten, so liegt auch darin keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, da hierfür finanzielle Schäden in der Regel nicht ausreichend sind, zumindest dann nicht, wenn sich wie vorliegend die Zufügung von finanziellen Schäden auf ein oder zwei Einzelfälle beschränkt und hierdurch die Existenz des Klägers nicht gefährdet wird. Letzteres wurde vorliegend weder vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich.
Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, dass er und seine Familie durch das HaqqaniNetzwerk aus Pakistan vertrieben worden seien und sie nur das hätten mitnehmen können, was sie auf dem Leib gehabt hätten. Zum einen deckt sich diese Darstellung vor dem Bundesamt schon nicht mit den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, wonach die Läden der Familie in Pakistan überfallen und zerstört worden seien, woraufhin die Familie aus Sicherheitsgründen nach Afghanistan zurückgekehrt sei. Hierbei hätten sie erhebliche Bargeldmittel mit nach Afghanistan genommen und eben nicht nur das, was sie am Leib getragen haben. Insofern erscheint die Darstellung des Klägers zum einen widersprüchlich und zum anderen erheblich überzogen und daher nicht glaubhaft. Darüber hinaus sind die Schilderungen betreffend Ereignisse in Pakistan für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von Relevanz, da entscheidend ist, ob dem Kläger in dem Land seiner Staatsangehörigkeit ein ernsthafter Schaden bedroht, mithin vorliegend in Afghanistan. Dagegen ist es unerheblich, ob er in einem Drittstaat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Verfolgung befürchten muss (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.10.1983 – 9 C 158/80 – juris). Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass die Vorgänge Pakistan und Afghanistan in einem inneren Zusammenhang stehen, insbesondere nachdem der Kläger angegeben hat, aus Pakistan vom Haqqani-Netzwerk vertrieben worden zu sein, während in Afghanistan die Taliban eine Rückkehr dorthin nicht gewollt hätten.
Schließlich hat der Kläger einen ernsthaften Schaden für seine Person im Kern darauf gestützt, dass sein Vater 2-3 Monate nach der Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban getötet worden sei und die Familie einen Brief erhalten habe, wonach die Taliban die Verantwortung für den Mord übernommen hätten. Sie hätten darüber hinaus eine schriftliche Drohung erhalten, wonach die Taliban sie alle töten würden, weil sie von Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt seien, obwohl die Taliban dies verboten hätten. Zudem habe man einen Brief erhalten, wonach der Kläger und seine Familie sich den Taliban anschließen sollten. Dieser Vortrag ist nach Überzeugung des Gerichts insgesamt nicht glaubhaft, da er ausgesprochen vage, detailarm und oberflächlich bleibt und die diesbezüglichen Umstände nicht lebensnah geschildert werden. So erscheint schon in keiner Weise nachvollziehbar, warum die Taliban der Familie des Klägers so energisch verboten haben sollen, aus Pakistan nach Afghanistan zurückzukehren. Allgemein bekannt ist, dass in jüngster Zeit hunderttausende afghanische Staatsangehörige von Pakistan in ihr Heimatland zurückgekehrt sind und es ist diesbezüglich nichts bekannt geworden, dass die Taliban dem grundsätzlich ablehnend gegenüber stünden. Auch im vorliegenden Einzelfall ist hierfür vor dem Bundesamt nichts vorgetragen worden. Soweit der Kläger auf explizite Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hierzu erstmals angegeben hat, dass sie von den Taliban als Spione angesehen worden seien, so erscheint dies zum einen als Steigerung im Sachvortrag, für welche es keine nachvollziehbare Begründung gibt. Zum anderen erscheint rein gar nichts dafür ersichtlich, warum die Taliban die Familie des Klägers, welche als gewöhnliche Gewerbetreibende für Drogeriewaren und Batterien tätig war, als Spione ansehen sollten; der Kläger hat hierzu keinerlei weiterführende Angaben etwa zu den Nutznießern oder dem Bezugspunkt einer solchen Spionage gemacht. Wenn er auf die Frage des Gerichts nach den Gründen der Ablehnung für eine Rückkehr nach Afghanistan des Weiteren angegeben hat, dass die Taliban eine Zusammenarbeit mit ihnen gewollt hätten, so widersprechen sich diese beiden Ziele ersichtlich. Denn entweder ist den Taliban daran gelegen, dass die Kläger in Pakistan verbleiben oder sie wollen in Afghanistan mit diesen zusammenarbeiten, wobei wiederum nichts dafür erkennbar ist, warum den Taliban gerade an einer Zusammenarbeit mit dem Kläger und dessen Familie gelegen sein sollte. Überdies erscheint es nicht lebensnah nachvollziehbar, dass die Taliban ein solches Ansinnen nach einer Zusammenarbeit nach der Tötung des Familienoberhaupts anbringen, welches zum einen für eine etwaige Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung innerhalb des Familienverbandes gewesen wäre, zum anderen dürfte die Tötung des Vaters und Ehemanns die übrigen Familienmitglieder wohl kaum zu einer Zusammenarbeit motivieren. Schließlich sind die Erklärungen des Klägers vor dem Bundesamt bereits insofern widersprüchlich, als er zum einen erklärt hat, dass sie nach dem Tod des Vaters eine schriftliche Drohung erhalten hätten, wonach sie alle getötet werden sollten, während er dann angegeben hat, dass in einem Brief gestanden habe, dass der Kläger und seine Familie sich den Taliban anschließen sollten. Es erscheint abwegig, dass die Taliban einerseits das Ziel gehabt haben sollen, die Familie auszulöschen, während sie andererseits eine Kooperation mit diesen wünschen. Der Vortrag des Klägers erscheint nach alledem insgesamt konstruiert und nicht auf tatsächlich Erlebtem basierend.
Darüber hinaus fällt auf, dass der Kläger vor dem Bundesamt ausgeführt hat, dass sein Vater 2-3 Monate nach der Rückkehr nach Afghanistan, welche laut der Niederschrift über die Erstbefragung des Klägers Anfang des Sommers 2013 erfolgt ist (Bl. 20 der Behördenakte) bzw. zwei Jahre vor der Anhörung bei Bundesamt vom 27. Oktober 2015 (Bl. 55 der Behördenakte), getötet worden sein soll und der zweite Drohbrief sie 15 Tage oder einem Monat nach dem Versterben des Vaters erreicht haben soll. Hieraus ergibt sich, dass die Bedrohungssituation für den Kläger spätestens ab Ende Februar 2014 bestanden haben müsste, während er erst im Mai 2015 sein Heimatland verlassen haben will. Wenn der Kläger jedoch tatsächlich ernsthaft bedroht gewesen wäre, so hätte er wohl kaum mehr als ein Jahr zugewartet, bis er sein Heimatland verlassen hätte. Auch dies belegt nach Überzeugung des Gerichts die Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu einem dem Kläger drohenden ernsthaften Schaden. Jedenfalls mangelt es jedoch an einer Kausalität der Vorfälle für die Ausreise.
Bestätigt wird dies nach Überzeugung des Gerichts auch dadurch, dass der Kläger auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, was der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchte, nur ausgesprochen pauschal und ausweichend antworten konnte. So erklärte er dort lediglich, dass das Leben in seiner Heimatprovinz sehr gefährlich sei, vor allem für ihn. Sodann verweist er auf ein Ereignis, bei dem angeblich sein Bruder einmal einige Tage von den Taliban entführt worden sei, was ihm dort auch geschehen würde. Abgesehen davon, dass von einer Entführung des Bruders vor dem Bundesamt nie die Rede war und das Gericht damit von einer nicht nachvollziehbaren Steigerung ausgeht, konnte der Kläger dieses Ereignis zeitlich auch nicht ansatzweise einordnen. Bezeichnenderweise bezieht sich der Kläger darüber hinaus bei seinen Rückkehrbefürchtungen auf die allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan und nicht auf Nachstellungen durch die Taliban.
Nach alledem ist der Kläger nach Überzeugung des Gerichts unverfolgt aus Afghanistan ausgereist. Eine andere Einschätzung ergäbe sich auch dann nicht, wenn der Kläger wie vorgetragen tatsächlich Drohbriefe mit dem oben skizzierten Inhalt beim Bundesamt vorgelegt hätte, wogegen bereits das Nichtvorhandensein in den dort geführten Akten spricht. Denn angesichts der geschilderten zahlreichen und erheblichen Ungereimtheiten, Steigerungen und der fehlenden Substanz des Vortrages insgesamt misst das Gericht etwaigen vorhandenen Drohbriefen keinen Beweiswert im Hinblick auf die Richtigkeit und Überzeugungskraft des Fluchtvortrages bei. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (vgl. dort S. 25), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in erheblichem Umfang existierten und es kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe. Darüber hinaus geht das Gericht aber auch deshalb nicht vom tatsächlichen Vorhandensein und der entsprechenden Vorlage von Drohbriefen beim Bundesamt aus, da sich der Kläger diesbezüglich bereits insofern widerspricht, dass er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er habe diese innerhalb der ihm gesetzten vierwöchigen Frist ab dem 27. Oktober 2015 vorgelegt, während er sodann schriftsätzlich vortragen ließ, dass er die Unterlagen etwa vor eineinhalb Jahren (gerechnet ab dem 15. August 2017) eingereicht habe, mithin deutlich später als vier Wochen nach seiner Anhörung.
Auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan hat der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einem ernsthaften Schaden im Sinne einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu rechnen. Hiergegen spricht auch bereits entscheidend, dass sich die Mutter des Klägers mit den Geschwistern weiterhin am Herkunftsort in Khost auffällt; zudem wohnt dort auch ein Onkel mütterlicherseits. All diese Familienmitglieder können dort offensichtlich unbehelligt leben, nachdem der Kläger nichts dazu vorgetragen hat, dass die Taliban nach seiner Ausreise dort vorstellig geworden wären und andere Familienmitglieder bedroht oder zumindest nach dem Kläger gesucht hätten. Nach alledem spricht nichts gegen eine Rückkehr des Klägers an seinen Heimatort.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Khost, in der sich der Kläger und seine Familie nach der Rückkehr aus Pakistan niedergelassen haben. In der Südostregion, zu der die Provinz Khost gehört, wurden im Jahre 2016 903 Zivilpersonen getötet oder verletzt, was einem Rückgang der Opferzahlen (zumindest) in dieser Region um 39% gegenüber dem Vorjahr entspricht (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Südostregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Im Jahr 2017 haben sich diese Zahlen (unter Verdoppelung der vorliegenden Halbjahreszahlen) in der Südostregion erhöht. Dort wurden im ersten Halbjahr 2017 bisher 517 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Auch damit ist derzeit jedoch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter 1. verwiesen.
II.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Not-wendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.07.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familienbzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan vom 28. Juli 2017 ergibt sich insoweit ebenfalls nichts grundlegend Abweichendes: In fast allen Regionen werde von der Bevölkerung die Arbeitslosigkeit als das größte Problem genannt. Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen sei im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 25% gesunken. Die afghanische Regierung habe unter Beteiligung der internationalen Geberschaft sowie internationaler Organisationen mit der Schaffung einer Koordinierungseinheit zur Reintegration der Binnenflüchtlinge und Rückkehrer reagiert. Ein Großteil der internationalen Geberschaft habe zudem beschlossen, die Finanzmittel für humanitäre Hilfe im Rahmen eines Hilfsappells des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Angelegenheit OCHA aufzustocken. Trotz internationaler Hilfe übersteige der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaßnahmen seitens der Regierung.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne der verfassungs-konformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt wäre. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem nunmehr 20-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass vorliegend die Prüfung einer internen Schutzalternative nicht inmitten steht und der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung – erstmals – angegeben hat, dass er mehrfach wegen einer Nierensteinentfernung im Krankenhaus gewesen sei. Diesbezüglich wurden mit Schriftsatz vom 17. September 2017 ärztliche Berichte vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger mehrfach kurzzeitig wegen Harnleiter- und Kelchsteinen in stationärer medizinischer Behandlung war und die Steine hierbei entfernt wurden. Dem jüngsten Arztbericht vom 29. Januar 2017 lässt sich eine weitere Behandlungsbedürftigkeit abgesehen von der Entfernung einer Harnleiterschiene, welche im Zeitraum von zwei Wochen erfolgen sollte, nicht entnehmen. Aktuelle diesbezügliche gesundheitliche Beschwerden wurden vom Kläger weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Soweit der Kläger darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er eine Auffälligkeit an der Hand habe, wegen der er ab und zu Probleme habe, seine Finger zu bewegen, ergibt sich hieraus ebenfalls keine andere Einschätzung im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers. Er hat zum einen diesbezüglich keinerlei ärztliche Unterlagen vorgelegt noch überhaupt selbst ernsthafte diesbezügliche Einschränkungen geltend gemacht und zum anderen hat der Kläger auch bereits in Pakistan in den Läden des Vaters mitgearbeitet. Es bestand vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, den erwähnten Gesichtspunkten durch das Gericht näher nachzugehen.
Der Kläger ist vorliegend zwar Analphabet, jedoch trifft dies auf eine sehr große Zahl von Menschen in Afghanistan zu, sodass dies nicht weiter negativ ins Gewicht fällt, wobei eine Vielzahl zumindest von Hilfstätigkeiten existiert, bei denen das Lesen und Schreiben nicht von Bedeutung ist. Positiv ist zu erwähnen, dass der Kläger sich aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position befindet. Positiv ist überdies zu berücksichtigen, dass der Kläger während der Zeit seines Aufenthalts in Pakistan bereits berufliche Erfahrungen im Berufs- und Geschäftsleben hat sammeln können, indem er dort in den Geschäften der Familie mitgearbeitet hat. Nach seiner Rückkehr aus Pakistan hat der Kläger noch mindestens eineinhalb Jahre in Afghanistan verbracht und kennt infolgedessen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse seines Heimatlandes. Zudem ist es dem Kläger unter Berücksichtigung obiger Ausführungen auch möglich, zu seiner Familie in der Provinz Khost zurückzukehren, wohin der Kläger auch weiterhin telefonischen Kontakt hält. Dort leben nämlich nach Aussagen des Klägers seine Mutter und sein kleiner Bruder bei einem Onkel. Darüber hinaus leben noch weitere fünf Onkel mütterlicherseits in der Provinz Paktia. Außerdem hat der Kläger noch insgesamt vier Tanten und viele Cousins und Cousinen in Afghanistan, wie er vor dem Bundesamt erklärt hat. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger neben seiner eigenen Erwerbsfähigkeit auch auf die Unterstützung durch mindestens eines der Mitglieder der großen Familie wird zurückgreifen können. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass man sich in Notsituationen finanzielle Unterstützung leistet und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. In der Gesamtschau ist damit davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt des Klägers zumindest ausreichend sichergestellt ist. Eine extreme Gefahr für Leib und Leben i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann der Kläger auch dadurch abwenden, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt wer-den, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem normal Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15 A – juris). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist, nachdem der Kläger bis zum 18. Lebensjahr entweder in Afghanistan oder Pakistan verbracht hat und die Landessprache Paschto spricht. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sein (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanis…, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen und familiären Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Afghanistan zumutbar erscheinen zu lassen. Eine extreme Gefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nach alledem ausgeschlossen.
Entsprechend obiger Ausführungen liegt bei dem Kläger auch keine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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