Verwaltungsrecht

Zur Gefährdungslage in Somalia

Aktenzeichen  Au 2 K 16.32857

Datum:
6.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3c, § 3d, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Grundsätzlich kann die Bedrohung durch die islamistische Al-Shabaab-Miliz als nichtsstaatlicher Akteur im Bereich Mogadischu die Flüchtlingseigenschaft begründen, soweit staatliche oder sonstige Akteure nicht in der Lage sind, der Person wirksamen Schutz vor individueller politischer oder religiöser Verfolgung zu bieten. (redaktioneller Leitsatz)
2 In Somalia findet eine Gruppenverfolgung von Angehörigen eines Clans durch Angehörige anderer Clans oder durch die Al-Schabaab-Miliz nicht statt. Auch kann keine Bedrohung im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts angenommen werden, soweit der Kläger nach Süd- und Zentralsomalia zurückkehren kann. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei Rückkehrern nach einem Auslandsaufenthalt oder Binnenvertriebenen bestehen keine gefahrerhöhenden Umstände. Die allgemeine Lage in Mogadischu ist nicht so gefährlich, dass das Verletzungs- und Tötungsrisiko sich für jede Zivilperson individualisiert. (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein hausärztliches Attest erfüllt nicht die Mindestvoraussetzungen zur Darlegung einer behandlungsbedürftigen PTBS. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2017 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurde bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der klagegegenständlichen Schutzansprüche (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Die Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zuerkennung der Eigenschaft eines Flüchtlings i.S.v. § 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen beim Kläger nicht vor.
aa) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559 – Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) darf ein Ausländer gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe,
2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder 21 b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 und 3 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG).
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, des Art. 1 A GFK und der Qualifikationsrichtlinie (QRL) gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG; Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG; Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL).
Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den in den § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG; Art. 9 Abs. 3 QRL).
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG; Art. 10 Abs. 2 QRL).
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk”). Dieser gilt für Anerkennung und Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gleichermaßen und entspricht demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 20/23).
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine “qualifizierende” Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32).
Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL ist im Asylerstverfahren zu beachten, wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach Art. 4 Abs. 4 QRL zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 QRL ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 6.7.2012 – 10 B 18/12 – juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. C-175/08 u.a. – juris Rn. 93).
Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 8 QRL nicht zuerkannt, wenn er (Nr. 1) in einem Teil seines Her- kunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (Nr. 2) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwar- tet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG nicht gegeben.
Das Gericht geht nicht davon aus, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia (hier: Süd- und Zentralsomalia, insbesondere Mogadischu) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG droht.
Zwar kann eine Bedrohung durch die islamistische Al-Shabaab-Miliz als nichtstaatlicher Akteur i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG im Bereich Mogadischu grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft begründen, soweit hierdurch im Einzelfall einer Person eine politische und religiöse Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG droht und die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten staatlichen bzw. sonstigen Akteure erwiesenermaßen nicht in der Lage sind, der Person wirksamen Schutz i.S.v. § 3d AsylG vor dieser Verfolgung zu bieten (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 4.8.2016 – M 11 K 16.30984 – juris Rn. 15 ff.).
Jedoch erachtet auch das Gericht den Vortrag des Klägers zu einer Bedrohung durch die Al-Shabaab-Miliz als in wesentlichen Teilen objektiv widersprüchlich und daher als nicht glaubhaft. So hat der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt noch angegeben, dass ihn etwa sieben Mal – erstmals am 3. März 2013 – immer derselbe Unbekannte der Al-Shabaab anonym auf seinem Privathandy im Cafe in Mogadischu angerufen und ihm vorgeworfen habe, er 32 habe Al-Shabaab-Sympathisanten an Sicherheitskräfte der Regierung verraten (Blatt 41 der Verwaltungsakte). Im gerichtlichen Verfahren lässt der Kläger hingegen in der Klagebegründung (Blatt 29 f. der Gerichtsakte) vortragen, dass der Al-Shabaab-Anrufer von ihm jeweils verlangt habe, der Al-Shabaab-Miliz Mitteilung zu machen, sobald Regierungsmitglieder bzw. -mitarbeiter dort einkehren; von einem Vorwurf, ein Verräter zu sein, ist hier nicht die Rede.
Zudem hat der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt (Blatt 41 der Verwaltungsakte) vorgetragen, dass ein Attentäter am 20. März 2013 eine Handgranate in das Cafe, wo er gearbeitet habe, geworfen habe. In der Klagebegründung (Blatt 29 f. der Gerichtsakte) ist nunmehr jedoch vortragen, dass es sich um ein Selbstmordattentat gehandelt habe, bei dem sich ein vermeintlicher Gast mit einer Handgranate im Cafe selbst in die Luft gesprengt habe.
In diesem Zusammenhang ist zudem klarzustellen, dass eine Narbe bzw. Verletzung des Klägers am linken Oberschenkel für sich genommen objektiv nichts über ihren Ursprung und damit die Glaubwürdigkeit der Verletzung des Klägers durch einen Bomben-Anschlag gerade der Al-Shabaab-Miliz im betreffenden Cafe aussagt. Soweit die Klägerseite in diesem Zusammenhang das ärztliche Attest vom 2. Januar 2017 (Blatt 49 der Gerichtsakte) zum Beleg des klägerischen Verfolgungsvortrags heranzieht, so überzeugt dies nicht. Die Ausführungen des Hausarztes im Attest zur Herkunft der Oberschenkelverletzung (Selbstmordattentat in einem Cafe) basieren ersichtlich allein auf den Angaben des Klägers selbst; naturgemäß kann der deutsche Hausarzt aus eigener Wahrnehmung zum Hergang in Somalia keinerlei Angaben machen.
Der Vortrag des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt (Blatt 41 der Verwaltungsakte), dass die Drohanrufe durch die Al-Shabaab etwa sieben Monate nach dem Bombenanschlag wieder begonnen hätten und man ihn „kriegen werde“, ist für das Gericht ebenfalls nicht nachvollziehbar. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Al-Shabaab-Miliz die Genesung des Klägers zu Hause hätte abwarten sollen, um erst hiernach die Bedrohungen wieder aufzunehmen. Bei einer tatsächlichen Verfolgung des Klägers durch die Al34 Shabaab-Miliz wäre es vielmehr naheliegend gewesen, eine krankheitsbedingte Wehrlosigkeit des Klägers für einen erneuten zeitnahen Angriff auf dessen Leib und Leben in dessen Haus bzw. Wohnung zu nutzen. Überdies steht die Angabe des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt (Blatt 41 der Verwaltungsakte), dass die Al-Shabaab bei den erneuten Drohanrufen ausgeführt habt, dass er beim ersten Bombenanschlag Glück gehabt hätte, im Widerspruch zum nunmehrigen Vortrag in der Klagebegründung (Blatt 29 f. der Gerichtsakte), dass der Bombenanschlag im Cafe gar nicht dem Kläger gegolten habe. Ausgehend hiervon ist nach dem (letzten) Vortrag der Klägerseite selbst auch keine flüchtlingsrelevante Vorverfolgung i.S.v. Art. 4 Abs. 4 QRL durch die Al-Shabaab-Miliz gegeben.
Überdies ist es auch aus Sicht des Gerichts nicht plausibel, wie die Al-Shabaab-Miliz an die Handy-Nummer des Klägers gelangt sein soll; die bloße klägerische Einlassung in der Klagebegründung (Blatt 29 f. der Gerichtsakte), dass die Handy-Nummer vielen Freunden und Nachbarn bekannt gewesen sei, überzeugt das Gericht nicht gänzlich.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass der Kläger auch hinsichtlich seines Ausreisezeitpunkts aus Somalia widersprüchliche Angaben gemacht hat. Im Rahmen der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beim Bundesamt vom 31. Juli 2014 (Blatt 20 der Verwaltungsakte) gab der Kläger noch an, dass er Somalia am 1. Dezember 2013 verlassen habe. In der nachfolgenden regulären Anhörung beim Bundesamt (Blatt 39 der Verwaltungsakte) gab der Kläger hingegen an, Somalia erst am 2. Februar 2014 – d.h. erst zwei Monate später – verlassen zu haben.
Zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen, so dass das Gericht nur seinen aktenkundigen bzw. schriftsätzlichen Vortrag würdigen konnte.
Auch aus seiner Zugehörigkeit zum Clan der Ajuran ergibt sich für den Kläger keine relevante Verfolgung i.S.d. §§ 3 ff. AsylG. Die Ajuran sind Teil der Ha-wiye-Clanfamilie (Gundel, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joachim Gundel beim COl-Workshop in Wien am 15.5.2009 – überarbeitete Neuausgabe – Dezember 2009, S. 23), welche zu den vier „noblen Clans“, den Hauptclans in Somalia zählt (Gundel, Clans in Somalia, a.a.O., S. 12). Aufgrund der maßgeblichen Erkenntnismittel findet eine Gruppenverfolgung von Angehörigen eines Clans durch Angehörige anderer Clans oder durch die Al-Shabaab-Miliz in Somalia nicht statt (vgl. zum Ganzen: VG Würzburg, U.v. 15.10.2012 – W 3 K 10.30334 – juris Rn. 26-28).
b) Auch die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 AufenthG sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 QRL die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt, wenn inländische Fluchtalternativen i.S.v. § 3e AsylG bestehen.
Auch im Rahmen von § 60 Abs. 2 AufenthG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14).
Vorliegend muss der Kläger – wie ausgeführt – bei einer Rückkehr nach Somalia nicht damit rechnen, einen ernsthaften Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG zu erleiden. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen. Denn dem Kläger droht in Somalia (hier: Süd- und Zentralsomalia, 42 insbesondere Mogadischu) keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
aa) Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn ein bewaffneter Konflikt im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Staatsgebiets ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt hingegen dann nicht vor, wenn es sich nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen. Auch bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an lntensi-tät und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris Rn. 19-22).
Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bedarf es schädigender Eingriffe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer ldentität richten. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder ggf. die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. in jedem Fall müssen Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die eine Person von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z.B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer eine Person als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss jedoch ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstands in der jeweiligen Person reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 – juris Rn. 32 f.; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 15).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind für den Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia (hier: Süd- und Zentralsomalia, insbesondere Mogadischu) die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht gegeben.
Nach den maßgeblichen Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikalislamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 1.12.2015 – Stand: November 2015, S. 4 f.; Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25.7.2013, S. 29; siehe auch EGMR, U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 – K.A.B. ./. Schweden – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 7.4.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 19).
Was die tatsächliche Lage in Somalia angeht, so gehen sämtliche Auskünfte von einer unterschiedlichen Intensität des Konflikts in Somalia, insbesondere was Süd- und Zentralsomalia auf der einen und die relativ friedlichen Regionen Puntland und Somaliland auf der anderen Seite angeht, aus. Dementsprechend ist für die Frage, ob ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt vor liegt, maßgeblich auf die Heimatregion des jeweiligen Klägers als regelmäßige Rückkehrregion abzustellen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 28.7.2016 – 20 ZB 16.30137 – juris Rn. 7; U.v. 7.4.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 19-21).
Hiervon ausgehend kann vorliegend offenbleiben, ob in der Heimatregion des Klägers in Süd- und Zentralsomalia – und damit auch in der Hauptstadt Mogadischu – ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt gegeben ist (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 1.12.2015, Stand: November 2015, S. 4 f.: „In Süd-und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg.“; vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 35; vgl. auch VG Augsburg, B.v. 9.12.2016 – Au 2 K 16.32629 – Rn. 4 des Entscheidungsumdrucks; U.v. 21.4.2016 – Au 2 K 16.30021 – juris Rn. 22).
Denn jedenfalls ist der Kläger im hier vorliegenden Einzelfall bei einer Rückkehr nach Süd- und Zentralsomalia – insbesondere in die Hauptstadt Mogadischu – keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt (VG Augsburg, B.v. 9.12.2016 – Au 2 K 16.32629 – Rn. 5-8 des Entscheidungsumdrucks; U.v. 21.4.2016 – Au 2 K 16.30021 – juris Rn. 26).
Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Gefahrerhöhende Umstände ergeben sich auch nicht bereits aus seiner Situation als Rückkehrer nach einem Auslandsaufenthalt. Zwar sieht die Al-Shabaab Rückkehrer aus westlichen Ländern möglicherweise als Spione der Regierungstruppen an (Euro-pean Asylum Support Office, EASO Country of Origin Information Report -South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 106); da sie aber in den unter der Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten – wie Mogadischu – nicht mehr frei agieren kann und angesichts der Zahl von rückkehrenden Personen – v.a. auch Binnenvertriebene (vgl. European Asylum Sup 52 port Office, EASO Country of Origin Information Report – South and Central Somalia – Country Overview, August 2014, S. 117; Österreichisches Bunde-sasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25.7.2013, S. 19) – ergibt sich daraus nicht für jeden Rückkehrer ohne weiteres eine ernsthafte Bedrohung. Der Kläger gehört – wie ausgeführt – zudem nicht einem Minderheiten-, sondern einem der Hauptclans Somalias an, so dass auch unter diesem Aspekt kein gefahrerhöhender persönlicher Umstand angenommen werden kann. Auch ist nicht ersichtlich, dass er bereits der Al-Shabaab oder den Polizeikräften besonders aufgefallen ist. Soweit der Kläger vorgetragen hat, Drohanrufe von der Al-Shabaab-Miliz und später Besuche von Al-Shabaab-Mitgliedern zu Hause erhalten zu haben, so erachtet das Gericht – wie ausgeführt – dieses Vorbringen als nicht glaubwürdig. Zudem ergibt sich aber aus den Ausführungen des Klägers auch nicht, dass nach nunmehr etwa drei Jahren nach der Ausreise aus Somalia noch immer eine ernsthafte Bedrohung bestehen soll (vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 41).
Auch die allgemeine Lage in Mogadischu ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiert. Die erforderliche Gefahrendichte ist somit nicht mehr gegeben. Zwar ist die Sicherheits- und Versorgungslage in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor fragil, dennoch zeichnet sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen eine Entwicklung ab, die eine Verbesserung der generellen Sicherheitssituation für die Bevölkerung mit sich gebracht hat, auch wenn dies nicht landesweit gilt (vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 42).
Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Dies beruht bereits darauf, dass es für eine Gesamtbevölkerungszahl als Ausgangsbasis keine gesicherten Zahlen gibt und die entsprechenden Schätzungen er 54 heblich differieren. Zudem kann die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der „Zivilpe r-sonen“ auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Auch wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet (vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 43).
Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird vom Auswärtigen Amt als vermutlich deutlich über eine Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener einschätzt (www..-amt.de). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project -ACLED – v. 3.11.2015) ergebende Zahl der im Jahr 2014 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 739 Vorfälle mit 586 Toten – jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen -würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:1700 (0,0586%) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels entsprechender verfügbarer Auflistung nicht möglich erscheint (vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 44).
Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der maßgeblichen Erkenntnisquellen in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von „Verbesserungen“ die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde die Al-Shabaab-Miliz im August 2011 vertrieben. Es gelingt ihr zwar immer wieder Anschläge zu verüben. Diese Anschläge richten sich aber in der Regel gezielt gegen Funktionsträger (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia – Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Pro-cess, September 2015, S. 11). Wegen der verdeckten Präsenz der Al-Shabaab besteht in Mogadischu für mehrere Risikogruppen (z.B. Regierungsmitarbeiter, Politiker, Sicherheitskräfte etc.) eine Gefahr durch auf Funktionsträger und deren Einrichtungen gerichtete Attentate und Anschläge. Für den einfachen Stadtbewohner droht hingegen als einzige Gefahr, sich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu befinden und damit Opfer im Rahmen solcher Anschläge zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 25.7.2013, S. 43). Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte daher zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies beruht darauf, dass nach bisheriger Erkenntnislage durch die von der Al-Shabaab vorgenommene strategische Auswahl der Anschlagsziele bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte, Abgeordnete, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker. Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Erkenntnisquellen verübten Anschläge (siehe zu den Ereignissen im Jahr 2015 etwa die Aufstellung von ACCORD, ecoi.net-Themendossier, Al-Shabaab: Zeitachse von Ereignissen, Stand: 22.9.2015; siehe zu weiteren Vorfällen im Jahr 2015 auch BAMF, Briefing Notes v. 28.9.2015 und v. 2.11.2015). Die Betrachtung der – in den o.g. Aufstellungen von ACCORD auch für die Vorjahre – verzeichneten Anschläge zeigt, dass es die Al-Shabaab nicht gezielt auf Zivilisten absieht, insoweit aber Opfer in Kauf nimmt. Die Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind insgesamt nicht so häufig und erreichen keine so hohen zivilen Opferzahlen, als davon gesprochen werden könnte, dass jeder Zivilist der weit über eine Million Einwohner zählenden Stadt aufgrund seiner bloßen Anwesenheit gefährdet wäre. Insoweit lässt sich zwar bislang keine wesentliche rückläufige Tendenz der Vorfälle verzeichnen, indes ergeben sich aber auch keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass abgesehen von Schwankungen in der Häufigkeit der Vorfälle und der Anzahl der Opfer von einer wesentlichen Trendänderung da hingehend auszugehen ist, dass jeder Zivilperson bereits durch ihre Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben drohen würde. Jedenfalls lässt sich auch ein staatliches Vorgehen gegen die Al-Shabaab verzeichnen, etwa die Aussetzung eines Kopfgeldes von insgesamt 1,3 Mio. USD für elf ranghohe Funktionsträger der Al-Shabaab und ein Großeinsatz somalischer Sicherheitskräfte mit Durchsuchungen in Mogadischu und 60 Festnahmen mutmaßlicher Mitglieder der Al-Shabaab (vgl. BAMF, Briefing Notes v. 13.4.2015 und 15.6.2015; vgl. zum Ganzen: RhPfOVG, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 45).
c)Im Fall des Klägers sind auch die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG nicht gegeben.
aa) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Verbürgt sind insoweit u.a. das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), das Verbot der Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) sowie das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK).
Für den Begriff der Gefahr i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG gilt ebenfalls der Prog- nosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 – 1 B 71/01 – juris Rn. 2). § 60 Abs. 5 AufenthG erfasst nur ziel- staatsbezogene Abschiebungshindernisse (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 35). Solche können in besonderen Ausnahmefällen etwa vorliegen, soweit aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunfts- land humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung spre- chen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23/26). Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG müssen grundsätzlich landesweit drohen, um ein Abschiebungsverbot zu begründen; etwas anderes gilt nur, soweit der Be- troffene bei lediglich in Gebietsteilen drohenden Gefahren das sichere Gebiet in seinem Heimatstaat nicht erreichen kann (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 26; B.v. 15.9.2006 – 1 B 116.06 – Rn. 4).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 VwGO im Fall des Klägers nicht gegeben. Eine relevante Gefährdungslage für den Kläger ist bei einer Rückkehr nach Somalia (hier: Süd- und Zentralsomalia, insbesondere Mogadischu) nicht ersichtlich.
Für den Lebenserhalt im wirtschaftlichen Sinne braucht es in erster Linie die Kernfamilie. Der größere Familienkreis wird den Lebenserhalt nur kurzfristig garantieren. Im Fall des Klägers bietet seine Kernfamilie ein hinreichendes Unterstützungsnetzwerk. Nach seinen eigenen Angaben leben in Somalia noch die Mutter und zwei Halbschwestern, jedenfalls die Mutter lebt in Mogadischu. Außerdem gibt es lokale NGOs, die den Neuankömmlingen helfen können. Überdies verfügt der junge und gesunde Kläger nach eigenen Angaben über eine immerhin achtjährige Schulbildung, so dass keine Zweifel daran bestehen, dass er bei einer Rückkehr grundsätzlich seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Zudem unterstützt der UNHCR die Pläne der somalischen Regierung, im Jahr 2015 zehntausend somalische Flüchtlinge aus Kenia im Rahmen einer freiwilligen Rückkehr zurückzuführen und für die Reintegration in neun Distrikten, darunter auch in Mogadischu, zu sorgen (UNHCR Joint Communique v. 30.7.2015: Tripartite Commission for the Voluntary Repatriation of Somali Refugees from Kenya, abrufbar im Internet), was ebenfalls für eine hinreichend sichere Rückkehrsituation in Mogadischu spricht (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, B.v. 9.12.2016 – Au 2 K 16.32629 – Rn. 10 des Entscheidungsum- drucks; U.v. 21.4.2016 – Au 2 K 16.30021 – juris Rn. 29).
d) Dem Kläger steht auch kein nationaler Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren im Sinne dieser Vorschrift, denen die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Ein Ausländer kann im Hinblick auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen nicht nur mit beachtlicher, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die drohenden Gefahren müssen im Einzelfall nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise alsbald nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38).
Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG müssen grundsätzlich landesweit drohen, um ein Abschiebungsverbot zu begründen; etwas anderes gilt nur, soweit der Betroffene bei lediglich in Gebietsteilen drohenden Gefahren das sichere Gebiet in seinem Heimatstaat nicht erreichen kann (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38; B.v. 15.9.2006 – 1 B 116.06 – Rn. 4).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Eine relevante Gefährdungslage für den Kläger ist bei einer Rückkehr nach Somalia (hier: Süd-und Zentralsomalia, insbesondere Mogadischu) – wie bereits zu § 60 Abs. 5 AufenthG ausgeführt – nicht ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem hausärztlichen Attest vom 2. Januar 2017 (Blatt 49 der Gerichtsakte), das die Möglichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) beim Kläger anspricht.
Die Rechtsprechung hat hinsichtlich ärztlicher Atteste und Stellungnahmen zum Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds sowie seiner vielfältigen Symptome gewisse Mindestanforderungen definiert. So ist die Vorlage eines fachärztlichen Attests nötig, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest bzw. die Stellungnahme Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 67    BVerwGE 129, 251 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 2.12.2013 – 11 ZB 13.30303 – juris Rn. 8; B.v. 17.10.2012 – 9 ZB 10.30390 – juris Rn. 7).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze entspricht das vorliegende ärztliche Attest nicht den maßgeblichen Anforderungen zur hinreichenden Darlegung einer posttraumatischen Belastungsstörung. So ist das Attest in seiner Fest- Stellung bereits nicht eindeutig („muss wohl … von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen werden.”). Ferner enthält das Attest lediglich einen Satz zur PTBS, ohne diese im konkreten Fall des Klägers näher zu erläutern. Letztlich handelt es sich vorliegend auch nicht um ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie oder Psychotherapie, sondern lediglich eines Allgemeinarztes.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

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