Zivil- und Zivilprozessrecht

Keine unionsrechtliche Auslegung der Richtigkeitsfiktion der Widerrufsinformation

Aktenzeichen  17 U 711/20

Datum:
24.4.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24331
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 4
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3
RL 2008/48/EG Art. 10 Abs. 2 lit. p

 

Leitsatz

Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut nicht zugänglich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 9792/19 2020-01-31 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2020, Aktenzeichen 22 O 9792/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.793,14 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Senat nimmt gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts.
Zum Sachvortrag im Berufungsrechtszug verweist der Senat ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf die Schriftsätze des Klägers vom 31.03.2020 (dort S. 1/2, Bl. 352/353 d.A.) und der Beklagten vom 17.02.2020 (dort S. 2, Bl. 351 d.A.).
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2020, Aktenzeichen 22 O 9792/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
III.
Auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 06.04.2020 (Bl. 374/378 d.A.), den Klägervertretern zugestellt am 08.04.2020, wird Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägers vom 16.04.2020 (Bl. 380/390 d.A.) enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
1. Der Bundesgerichtshof hat die Widerrufsinformationen der Beklagten mit Urteil vom 05.11.2019 einer Überprüfung unterzogen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, 2353). Danach sind die Widerrufsinformationen vollständig und beanstandungsfrei.
Da der Bundesgerichtshof ohne konkrete Rügen eine Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag in vollem Umfang zu überprüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 unter II 2 c insb. juris Rn. 28), kommt es zudem auf einzelne Rügen des Klägers hierzu nicht an.
2. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (C-66/19 – nach juris) steht einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
a. Die Richtigkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. in Verbindung mit Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. ist einer unionsrechtskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.09.2019 – C-331/18, WM 2019, 2008 Rn. 56) nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18, NJW-RR 2019, 867 unter II 2 b insb. juris Rn. 16 und 17; bestätigt nunmehr durch BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19 unter II insb. juris Rn. 11/14). Ob also das deutsche Gesetzesrecht Art. 10 Abs. 2 p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (künftig: RLEG 48/08) entspricht oder nicht, ist für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls genügt Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und bleibt daher selbst dann wirksam, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.02.2020 – 2 BvR 739/17 unter B II 3 insb. juris Rn. 114/115).
b. Darüber hinaus ergibt sich aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F., dass der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB ausreichend ist. Mehr als der Gesetzeswortlaut vorsieht, braucht die Beklagte in Hinblick auf die Widerrufsinformation nicht zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 unter II 2 b insb. juris Rn. 23). Auch insoweit ist eine unionsrechtskonforme Auslegung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich.
3. Insgesamt hält der Senat deshalb nach nochmaliger Überprüfung an seiner im Beschluss vom 06.04.2020 dargelegten Auffassung fest.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 708 Nr. 10 analog und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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